Ich habe schon ein paar mal über die “Wildlife Forensic Sciences” (WFS) geschrieben, wofür es kein gutes deutsches Wort gibt und worunter man die Anwendung forensischer Wissenschaften zur Bekämpfung von „Wildlife Crime“ (wofür es ebenfalls keine gute deutsche Bezeichnung gibt) versteht, also v.a. die Nachverfolgung, Aufklärung und Verhinderung illegalen Handels mit geschützten Tieren und Pflanzen, deren Teilen und Produkten. WFS wird aber auch in (straf)rechtlich relevanten Fällen eingesetzt, in denen Tiere beteiligt waren. Über einen solchen und wie WFS bei seiner Aufklärung geholfen hat [1], berichte ich heute:
Erwachsene Menschen, wahrscheinlich in lustiger Tracht mit ulkigen Seppelhüten, bizarr-euphemisierender Geheimsprache und eher übersichtlichem Musikrepertoire (es gibt nur fünf Töne und wer immer schon wissen wollte, wie „Marderhund tot“ klingt, bitte hier) gehen auf die „Jagd“ (etymologisch gesehen hat das ja eigentlich mit schneller Bewegung zu tun, wenn aber Unlust wegen Beleibt- und/oder Betagtheit jene eher abwegig erscheinen läßt, tut’s zur Not wohl auch ein dicker Ballermann, wäre ja noch schöner, wenn man beim Jagen tatsächlich ins Schwitzen geriete, der „Schweiß“ tritt ja schon den Gejagten aus), sie jagen ballern enthusiastisch in die Gegend, grob Richtung von irgendwelchen armen Hiwis aufgescheuchter und davonrennender Wildschweine, das Ganze nennen sie Treibjagd. So stelle ich es mir vor. Am Ende des Tages sind jedenfalls 20 Tiere tot: 19 Wildschweine und ein Jagdhund. Letzterer war dann wohl ein sogenannter Kollateralschaden (ein Signal für “Hund tot” gibt es offenbar nicht, ob sie dann wohl das hier gespielt haben… ohne ‘See’ halt?). Der Hund wurde noch lebend, mit einer Schußwunde aufgefunden, erlag aber schließlich trotz einer veterinärmedizinischen Notoperation seinen Verletzungen.
Angesichts der Tatsache, daß der Wert eines ausgebildeten Jagdhunds leicht in die Tausende Euro gehen kann, wollte es natürlich keine der gestandenen Waidspersonen gewesen sein. Wie aber kann man in einem solchen Fall den Schützen dem Tier zuordnen? Für die Untersuchung von Backspatter aus dem Inneren der Waffe war die Schußentferung einfach zu groß (sonst hätten wir gerne geholfen ;-)) aber glücklicherweise fand der Tierarzt, der versucht hatte, den Hund zu retten, einige Wildschweinhaare in der Wunde. Offenbar hatte das Projektil, das den Hund getötet hatte, zuvor ein Wildschwein getroffen, durchschlagen, dabei einige Haare bei der Passage durch das dichte Haarkleid des Tiers mitgerissen und in den Hund eingetragen.Und an dieser Stelle eröffnete sich nun die Option der Anwendung von Wildlife Forensic Science, denn natürlich bestand die Möglichkeit, die Wildschweinhaare aus dem Hund forensisch-molekulargenetisch zu untersuchen und zu versuchen, sie einem der getöteten Schweine zuzuordnen. Da von jedem Schwein bekannt war, wer es erlegt hatte, würde man so zu dem Schützen gelangen, der auch den Hund getötet hatte: wie anderswo beschrieben, muß man aber zur eindeutigen forensischen Identifizierung eines Individuums, gleich ob Mensch oder Schwein, eine Analyse mehrerer gut definierter und validierter genetischer Polymorphismen, z.B. short tandem repeats (STR), durchführen, um eine Merkmalskombination darstellen zu können, die so selten ist, daß sie statistisch gesehen realistischerweise nur einem einzigen Individuum zugeordnet werden kann.
Die Ausgangsbedingungen im vorliegenden Fall waren allerdings etwas günstiger, da höchstwahrscheinlich nur eines der 19 bekannten toten Schweine (und nicht irgendein Schwein aus der gesamten Population) als Quelle der DNA an den Haaren in Betracht kam. Aus sechs Haarwurzeln aus dem Hund sowie aus Gewebeproben aller 19 erlegten Schweine wurde dann DNA extrahiert. Auch bei Wildschweinen kann man STR-Systeme analysieren, es gibt sogar bereits eine etablierte STR-Multiplex-PCR, die zwar nur 13 dinukleotidische (= suboptimale) aber bei Untersuchungen nicht-menschlicher DNA von der ISFG dennoch für akzeptabel befundene Systeme enthält [2]. Die darin enthaltenen STR-Marker stammen aus dem „Pig gene Mapping Project (PigMap)“, das sich mit der Analyse der Biodiversität von Schweinen befaßt, und zeichnen sich dadurch aus, daß sie (meist) hochpolymorph und genetisch ungekoppelt sind, keine Nullallele (= aufgrund von Mutationen nicht nachweisbare Allele) aufweisen sowie schon mehrfach erfolgreich eingesetzt wurden [4,5]. Auf der labortechnischen Ebene wurde also eine ganz normale standardmäßige Analyse durchgeführt, an deren Ende man 20 schöne STR-Profile hatte, davon zwei zusammenpaßten, denn das Profil der Haare war identisch mit dem Profil eines der toten Schweine (S6070) und keines der anderen Profile wich in weniger als zwei Merkmalen vom Profil der Haare ab. Eine Wiederholung der Analysen bestätigte den Befund und schloß eine Probenverwechslung aus:
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