Die PCR ist eine der zentralen und wichtigsten Methoden der gesamten Molekularbiologie und natürlich auch der forensischen Genetik [1]; sie ist so wichtig, daß ich darüber meinen allerersten Basics-Artikel geschrieben habe (,den ich als Vorbereitung für diesen Artikel zu lesen empfehle), in dem ich sagte:
Es ist also kaum möglich, die Bedeutung der PCR zu überschätzen (und meiner unbedeutenden Auffassung nach gehört die PCR genauso zur Allgemeinbildung, wie zu wissen, wer das Penicillin entdeckt hat).
Dazu stehe ich auch heute noch. Allerdings gab es zwar bei den Anwendungsmöglichkeiten, nicht jedoch bei der Technologie zur Durchführung von PCR große Fortschritte.
Ganz zu Anfang der PCR mußte noch irgend ein armer Hiwi mit einem Reaktionsgefäß dauernd und stundenlang zwischen Tauchbecken mit verschiedenen Temperaturen hin- und herrennen und noch dazu jedesmal nach der Denaturierung bei 95°C neue DNA-Polymerase zum Reaktionsgemisch hinzupipettieren, weil die Polymerase, die man damals noch nutzte, bei über 40°C kaputt ging. Die größten Verbesserungen waren daher die Einführung automatischer Heiz- und Kühlsysteme, der sog. PCR-Maschinen, wie man sie heute in so ziemlich jedem mol.-biol. Labor findet, und der hitzestabilen Taq-Polymerase. In den letzten ca. 15 Jahren passierte dann aber nicht mehr viel. Nach heutigem Standard dauert eine Standard-PCR in den meistverbeiteten Geräten mit sogenannten Peltier-Elementen und Blöcken aus Aluminium oder Silber meist so zwischen 1-2 Stunden, ggf. auch deutlich länger. Ein Großteil der Zeit geht dabei für das Heizen und Kühlen der Peltier-Elemente drauf, die ja eine exakt bestimmte Temperatur erreichen und eine kurze Weile halten müssen. In diesen zwei Stunden ist die Probe dem Zugriff entzogen, man muß schlicht und einfach warten (viele Leute, die im Labor arbeiten, haben daher die Kunst des “Schachtelns” perfektioniert und nutzen solche Wartezeiten, um andere Dinge zu tun, z.B. neue PCRs anzusetzen oder andere Prozesse zu beginnen, die man dann, wenn die ursprüngliche PCR fertig ist, unterbrechen kann etc.). Das verlängert dann natürlich die Dauer eines Prozesses teilweise um einen ganzen Tag, wenn z.B. eine PCR, am frühen Nachmittag angesetzt, erst fertig ist, wenn das Laborpersonal gerade Feierabend machen will (Doktoranden kann das nicht passieren, die haben keinen Feierabend >:-)) und die Bearbeitung dann erst am Folgetag weitergeführt wird.
Jetzt bietet die Firma MBS unter der Bezeichnung Nextgenpcr (die sich natürlich an die Bezeichnung “Next Generation Sequencing” anlehnt), leider zunächst nur in den USA und Kanada, eine Technologie an, die die Dauer einer PCR drastisch reduzieren kann, sogar auf unter zwei Minuten, wenn man ein 100bp langes Fragment amplifizieren will! Aber auch die Anreicherung deutlich längerer Fragmente wird nicht mehr als 10 Minuten dauern. Das wird eine ungekannte Effizienzssteigerung ermöglichen, weil es im Prinzip fast keine Wartezeiten durch PCR mehr geben wird. Für die forensische Genetik hieße das, daß man für manche Proben, die sich für eine Direkt-PCR eignen und ggf. ohne Quantifizierung auskommen, innerhalb von 1-2 Stunden ein komplettes DNA-Profil erhalten kann!
Diese Beschleunigung gelingt, indem bei der Nextgenpcr-Technologie komplett auf Heizblöcke, ja auf Heizen verzichtet wird. Stattdessen finden die Reaktionen in bestimmten Mikroplatten statt, die innerhalb des Geräts schnell und präzise zwischen drei Zonen mit festeingestellten Temperaturen bewegt werden können, so daß es praktisch keine Verzögerung bei den Übergängen zwischen den erforderlichen Temperaturen gibt: die Technologie ermöglicht Heiz-/Kühlraten von > 1000°C pro Sekunde, d.h. um von der Denaturierungs- zur Annealingtemperatur zu kommen, braucht es nur ca. 0,1 Sekunde! Neben der Zeitersparnis hat das zudem den Vorteil, daß es noch weniger unspezifische Amplifikationen gibt, die in den herkömmlichen Maschinen auftreten können, wenn diese zu lange brauchen, um etwa die korrekte Annealingtemperatur zu erreichen. Die Firma wirbt zudem damit, daß man durch das neue Gerät seine Protokolle nicht ändern muß, was ein sehr großer Vorteil ist, da gerade in akkreditierten Laboren solche Änderungen mit enormer Mehrarbeit verbunden sind. Außerdem verbraucht das Gerät sehr viel weniger Energie als die alten Heiz-Kühl-Monster und nennenwert größer ist es auch nicht.
Das ist ziemlich cool!
Tja, lieber Laborweihnachtsmann, ich weiß, ich bin früh dran, aber da wir schon ein neues NGS-Gerät haben, wünsche ich mir als nächstes (vorausgesetzt, es bewährt sich bei denen, die es ausprobieren) ein NGP-Gerät 😉
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[1] Courts, C. (2013). PCR-Techniken in der forensischen Molekularbiologie. BIOspektrum, 19(2), 157-159. PDF
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