Ok, überzeugt, ich muß also doch eine Serie daraus machen, die CAU hat es so gewollt. Ein Kommentator machte mich darauf aufmerksam, daß unter dem Banner der CAU (phil. Fakultät) am 4.12. um 18:15 Uhr im Hörsaal E (CAP2) und ausgerichtet vom Chinazentrum der CAU eine Veranstaltung stattfinden wird (### Anmerkung von CC am 5.12.: Veranstaltung hat stattgefunden; Nachtrag s.u. ###) mit dem Titel “Feasting on Donkey Skin” (dt. Eselhaut schlemmen), in der es, wenn man der Ankündigung glauben darf, um nichts weniger als die Glorifizierung einer abartigen Praktik, wie so oft im Namen der TCM, geht: Esel werden totgeschlagen und ihnen wird die Haut abgezogen, um daraus eine Art Gelatine, genannt “Eijao“, zuzubereiten, die mit viel Eifer und Gleichgültigkeit gegenüber den Eseln, dafür aber, wie gewohnt, ohne jede Evidenz für ihre Wirksamkeit in der TCM und für diverse andere Produkte verwendet wird:
Die Esel sind krank und schwach. Sie müssen in engen Betonkäfigen leben. Dort baden sie förmlich in ihrem Urin und ihren Exkrementen. Mit Hammern wird auf ihre Köpfe eingeschlagen, bevor man ihnen die Kehle durchschneidet. Nicht alle Tiere sterben durch den Hammerschlag. Einige können trotz zerschmettertem Schädel noch atmen. Manche von ihnen sind noch nicht einmal fünf Monate alt. (Quelle)
Hier gibt es ein wirklich schockierendes Video (Warnung!), das diese Prozedur zeigt.
In der Ankündigung des Vortrags heißt es neben einem Bild von fröhlichen, mampfenden schwarzen Eseln (übersetzt von mir):
Eijao wird als Tonikum angesehen, das das Blut stärkt und die vitalen Flüssigkeiten fördert. Es kann erschöpften Patienten neue Kraft geben, ihre Vitalität erhöhen und ihre Gesundheit verbessern. Historische Aufzeichnungen betonen, daß echtes Eijao aus der Haut der schwarzen Wu-Esel aus Shandong produziert werden muß, die im Wasser eines ganz bestimmten Brunnens ausgekocht wird, dem “E Brunnen” in Dong’E. Deshalb war in der Geschichte Chinas dieser Kleber aus Eselhaut immer eine besonders begehrte, regionale Delikatesse, die sich nur wenige Reiche leisten konnten. Diese Situation hat sich während der letzten Dekade dramatisch verändert…
Ja, denn jetzt kann sich auch Ottonormal-Esoteriker das Zeug leisten, wofür dann eben mehr Esel gequält, getötet und an den Rand der Ausrottung getrieben werden, wie üblich bei Tieren, die das Pech haben, zufällig über Teile zu verfügen, die ein TCM-Spinner für wirksam gegen [zufällige Phantasie-Krankheit X] befunden hat. Die Vortragende hat übrigens keinerlei medizinische Vorbildung, sondern hat so etwas wie Regionalwissenschaften Ostasien studiert und ihr Hauptinteresse liegt bei der “Geschichte der (Körper)Flüssigkeiten in China”. Nuff said.
Nochmal: ich finde es wirklich unerhört, skandalös, peinlich und unwürdig daß die philosophische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die seit diesem Jahr zu den 19 Spitzenuniversiäten Deutschlands zählt, einem solchen unwissenschaftlichen, grausamen Irrsinn Obdach gewährt und so zu Glaubwürdigkeit verhilft. Das ist eine glatte Schande!
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P.S.: Ich selber bin leider am 4.12. erst zu spät abends wieder in Kiel, um es noch zu dieser Veranstaltung zu schaffen, hoffe aber sehr, daß jemand von Euch dort hingeht und diesem tierquälerischen Esoterik-Quatsch widerspricht. Übrigens: seit diesem Jahr gibt es jetzt endlich auch in Kiel einen Skeptiker-Stammtisch (Skeptiker Nord), für die ich an dieser Stelle einmal ausdrücklich Werbung machen möchte. Wer also aus Kiel und Umgebung Lust auf wissenschaftlich-kritischen Austausch mit netten Leuten hat: kommen Sie, staunen Sie!
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NACHTRAG am 5.12.2018: Ich selber konnte, wie erwähnt, nicht anwesend sein, einige der Skeptiker Nord, darunter Nis Wechselberg, aber schon. Nis hat einen Bericht über den Vortrag verfaßt, dessen Fazit lautet:
Insgesamt hat es sich bei dem Vortrag um einen recht ausgewogenen, kulturwissenschaftlichen Vortrag gehandelt.
Meine/unsere Befürchtungen haben sich am Ende also nicht bewahrheitet. Das finde ich gut und es ist mir ausdrücklich lieber, dies zu schreiben, als wenn wirklich an der CAU eine Propagandaveranstaltung für Eijao stattgefunden hätte. Da die Vortragende dem Vernehmen nach auf die im Vorfeld geführte Debatte eingegangen ist, also wußte, daß auch kritische Zuhörer erscheinen würden, ist nicht auszuschließen, daß sie ihren Vortrag an ein dergestalt antizipiertes Publikum angepasst hat. Das wird sich nicht nachprüfen lassen aber ich bedaure dennoch nicht, diesen Eintrag geschrieben zu haben. Seine Grundannahme war angesichts der Esoterik-Neigung der CAU nicht abwegig und vielleicht konnte er auch einigen LeserInnen, die nun wissen, was Eijao ist (war mir selber vorher auch nicht bekann) und welche Praktiken die TCM so umfasst, zu einer kritischeren Haltung verhelfen.
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