Und nun klärte sich alles auf:
Die DNA-Profile von Sperma und Haarwurzeln stimmten vollständig überein, eine zufällige Übereinstimmung war so unwahrscheinlich (< 0,000000001%), daß sie praktisch auszuschließen war, so daß erwiesen war, daß die Spermaprobe wirklich von Herrn C. stammte. Am Profil der Mundschleimhautprobe (MSH), das aus Zellen von Spender und Empfänger entsteht, war dann auch wunderschön der gCh zu erkennen, der sich perfekt aus den Merkmalen von Spender und Empfänger (unterstrichen) zusammensetzte und belegte, daß auch die Blutprobe nicht verwechselt worden war.
Herr C. war auch absolut sicher, daß sein leiblicher Bruder die Stammzellen gespendet hatte und daß er und sein Bruder von denselben beiden Eltern abstammten. Aber warum war die Wahrscheinlichkeit für eine Verwandtschaft dann so gering? Zufall! Man hat gezeigt, daß in einigen wenigen Fällen (< 4%) auch bei Vollgeschwistern rein zufällig nur eine sehr niedrige Verwandtschaftswahrscheinlichkeit resultieren kann [3] und dieser Fall war ein solcher. Um sicher zu gehen, testeten wir noch die y-chromosomalen Merkmale der Blut- und Spermaproben. Wenn Spender (Blut) und Empfänger (Sperma) von demselben Mann, ihrem gemeinsamen Vater, abstammten, dann müßten die y-chromosomalen Merkmale, die in väterlicher Linie unverändert vererbt werden, identisch sein. Und so war es auch: die y-chromsomalen STR-Systeme stimmten bei Blut-, Sperma- und MSH-Probe vollständig überein, die Wahrscheinlichkeit für ein zufälliges Übereinstimmen war abermals vernachlässigbar gering.
Fazit: Herr C. konnte nun sicher sein, daß es sich wirklich um seine Proben handelte und war sehr erleichtert über dieses Ergebnis.
Wir haben gelernt, daß der gemischte Chimärismus nicht nur bei Abstammungs- und Spurenuntersuchungen relevant und wichtig ist, daß man auf den Punkt mit der SCT auf den Entnahmeformularen am besten auch noch einmal mündlich ausdrücklich hinweisen und im Verdachtsfall nachfragen sollte und daß man bei geringen Wahrscheinlichkeiten für Verwandtschaft keine voreiligen Schlüsse ziehen und lieber weiterfragen, -testen und ggf. seinen Untersuchungsumfang erweitern sollte.
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Referenzen:
[1] Courts, C., & Preuß-Wössner, J. (2019). All mixed up?—genotype change after stem cell transplantation impeded verification of 21-year-old semen sample—a case report. International Journal of Legal Medicine, 1-4.
[2] Berger, B., Parson, R., Clausen, J., Berger, C., Nachbaur, D., & Parson, W. (2013). Chimerism in DNA of buccal swabs from recipients after allogeneic hematopoietic stem cell transplantations: implications for forensic DNA testing. International journal of legal medicine, 127(1), 49-54.
[3] von Wurmb-Schwark, N., Podruks, E., Schwark, T., Göpel, W., Fimmers, R., & Poetsch, M. (2015). About the power of biostatistics in sibling analysis—comparison of empirical and simulated data. International journal of legal medicine, 129(6), 1201-1209.
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