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Nachtrag am 20.06.2019: inzwischen hat zumindest das UK Leipzig seine Pressemeldung korrigiert. Dort heißt es jetzt immerhin:
Die mehrfach in den Medien wiedergegebene Behauptung, “Mantrailerhunde können DNA riechen” entspricht nicht den Ergebnissen der Studie oder der Intention der Autoren.
und
Ein “DNA-Mantrailing” wird es in der polizeilichen Praxis nie geben
Dennoch sollte die Studie in FSI [1] zurückgezogen oder zumindest korrigiert werden und auch Medien, die zuvor unkritisch berichtet haben, sollten Disclaimer neben die immer noch in den Mediatheken verfügbaren Beiträge setzen.
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Nachtrag am 08.01.2021: Nachdem unser Kollege K.U. Goss noch weitere Probleme der Studie entdeckt hatte, die diesmal die extrem merkwürdige statistische Auswertung der Befunde betrafen [5] und sich Woidtke et al. auf Nachfrage von Forensic Science International (FSI) geweigert hatten, einer unabhängigen Neuanalyse ihrer Daten unter Einbeziehung der von ihnen gefertigten Videoaufnahmen zuzustimmen [6], hat nun FSI offiziell “Bedenken” hinsichtlich der Studie angemeldet [7]:
Therefore, in line with the Committee on Publication Ethics (COPE) guidelines [7], the Editors-in-Chief are issuing this expression of concern and suggest that the study results are taken with care especially for the application to forensic casework. (fett: CC)
Das ist gut, wenn auch nicht genug – eine Retraction ist inzwischen eigentlich überfällig. Wenigstens bestätigt FSI unser dringendes Fazit, daß
diese Studie keinesfalls dafür eingesetzt werden darf, vor Gericht den Einsatz etwaiger DNA-Mantrailing-Beweismittel zu legitimieren.
FSI entschuldigt sich bei seinen Lesern für das Versäumnis:
We apologize to our readership that this and the other issues were not spotted during the peer review process and solved prior to publication.
Den zuständigen Redakteur beim ZDF, der für den o.g. Terra-X-Beitrag verantwortlich ist, hatte ich übrigens auf dem Laufenden gehalten, er kennt unsere Zweifel und weiß inzwischen auch, daß sogar die Uni Leipzig öffentlich von der Behauptung, Hunde können DNA riechen, zurückgetreten ist. Dennoch ist der Terra-X-Film unverändert und ohne Disclaimer weiterhin online (Stand 08.1.21). Wen das genauso ärgert, wie uns, kann ja gerne dem ZDF auch mal einen Brief dazu schreiben.
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Nachtrag am 03.03.2021: Und es geht weiter bergab mit den keine DNA-riechenden Hunden: inzwischen hat es sich auch zu den Medien herumgesprochen, daß nicht nur die Hunde das nicht können, sondern auch, daß die Daten der Studie womöglich manipuliert worden sind. Der MDR zitiert unseren Kollegen K.-U. Goss (aus [4] und [5]) dazu:
Eine Sache, die ganz wichtig ist: Herr Woidtke hat Ergebnisse verschwinden lassen. Ein Teil der Tests sollte feststellen, wie wahrscheinlich es ist, dass Hunde fälschlicherweise einen Verdächtigen einem Tatort zuordnen. Das wäre natürlich belastend vor Gericht.
Weiter heißt es:
[…] das Rohmaterial der Studie wurde bislang nicht veröffentlicht. Ein Unding im wissenschaftlichen Diskurs.
Auch, daß K.-U. Goss einen offenen Brief an die Rektorin der Uni Leipzig geschrieben hat, wird berichtet. Darin steht u.a.:
Auf den Verdacht der Datenmanipulation hatte ich sowohl die Ombudskommission zu wissenschaftlichem Fehlverhalten der Uni Leipzig als auch die Promotionskommission frühzeitig hingewiesen. Nachdem es zu keiner (konstruktiven) Reaktion kam, legte ich Einspruch ein und informierte auch Sie als Rektorin über die Umstände.
Wir haben ihm uns angeschlossen und der Rektorin ebenfalls einen Brief geschrieben, in dem wir ihr die Sachlage und die Kritik an der Studie aus DNA-Sachverständigensicht darlegen.
Wir sind in dieser Sache an der Seite von Prof. Goss und hoffen, daß sich die Uni Leipzig bald eines besseren besinnen und die die sehr substantiellen Vorwürfe der Datenmanipulation und wissenschaftlichen Fehlverhaltens endlich ernst nehmen wird.
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Nachtrag am 25.06.2021: Hier gibt es einen sehr gut recherchierten, ausführlichen Radiobeitrag zu der Affaire, in der auch unser Kollege Prof. Goss zu Wort kommt.
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Referenzen:
[1] Woidtke, L., Dreßler, J., & Babian, C. (2018). Individual human scent as a forensic identifier using mantrailing. Forensic science international, 282, 111-121.
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