Ich bin zurück vom 28. Weltkongress der ISFG, der die weltweit wichtigste und größte Fachkonferenz für das Feld der forensischen Genetik darstellt: diesmal waren wir vom 10.09-13.09. in Prag in der tschechischen Republik.
Prag ist eine sehr schöne, dabei zugleich alt und modern und natürlich überaus geschichtsträchtig wirkende Stadt, mit unzähligen eindrucksvollen alten Bauwerken, Kirchen, Burgen, Monumenten, Brücken und anderen Sehenswürdigkeiten so weit das Auge reicht und die Füße tragen.
Nicht zuletzt hat hier auch der von mir sehr geschätzte Kafka gelebt und gearbeitet, dessen Schaffen ohne die Wirkung, Inspiration und Zumutungen Prags, wie ich im Kafka-Museum erfahren habe, nicht denkbar gewesen wäre:
„Prag läßt nicht los. Uns beide nicht. Dieses Mütterchen hat Krallen. Da muß man sich fügen oder -. An zwei Seiten müßten wir es anzünden, am Vyšehrad und am Hradschin, dann wäre es möglich, daß wir loskommen. Vielleicht überlegst Du es Dir bis zum Karneval.“ – F. Kafka
In der kurzen Zeit, die ich außerhalb des Kongresses zum Mich-Umsehen hatte, habe ich natürlich nur einen Bruchteil sehen und erfahren können und mir bereits vorgenommen, mit mehr Zeit wiederzukommen. Immerhin habe ich noch eine bekannte (und offenbar recht kleine) Persönlichkeit getroffen:
Bei allem Guten, was man über Prag sagen kann und sollte, wurde mir allerdings doch auch der Eindruck vermittelt, daß, da Prag wirklich nicht unter einem Mangel an Touristen leidet, man es dort offenbar nicht nötig hat und findet, sich sonderlich um jene oder gar Nachschub an jenen zu bemühen. Nicht die charmanteste Eigenschaft. So ist etwa vieles ausschließlich auf Tschechisch beschriftet, was besonders beim Tram-Fahren viel Freude macht, viele Touristen-Informationszentren sind nutzlose Verkaufsbuden (,wo es nicht nur keine aktuellen kostenlosen Stadtpläne sondern dafür kostenpflichtige uralte Stadtpläne gibt), in denen des Englischen unzureichend Kundige muffig mitteilen, daß sie die gestellte Frage nicht beantworten können etc. Doch das nur nebenbei. Mir hat es trotzdem gut gefallen 🙂
Die Tagung fand im Prager Kongresszentrum statt, einem sehr großen, modernen und prima ausgestatteten Veranstaltungsort mit enormem Konferenzsaal, in dem die diesmal rekordbrechenden mehr als 1000 Delegierten aus aller Herren Ländern gut und bequem Platz fanden.
Die Präsentationstechnik war sehr gut (man hatte nicht nur ein riesiges, scharfes Bild des Vortrags, sondern in einer Ecke auch ein Kamerabild des Vortragenden),
und es gab überall gutes, schnelles, kostenloses WiFi (in Deutschland bekanntlich undenkbar) und eine eigene App für die Tagung, in der man u.a. sein persönliches Programm an Vorträgen festlegen, Vorträge bewerten und Fragen an die Referenten stellen konnte. Über die App konnten die Veranstalter sich auch mit wichtigen Mitteilungen an die Delegierten wenden und diese untereinander kommunizieren. Sehr praktisch fand ich das.
Wie immer ging es Dienstagabend (an meinem Geburtstag ;)) mit der Eröffnungszeremonie und einem ersten Vortrag des letztmaligen Preisträgers M. Kayser (s.o.) zu FDP los.
Ab Mittwochmorgen begann dann das normale Programm und wie gewöhnlich bot die ISFG-Tagung eine gewaltige Menge wissenschaftlichen Inputs – mit mehr als 60 Vorträgen und mehr als 600 (!) Posterpräsentationen, die man unmöglich alle mit der gebotenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nehmen konnte (ich habe gerade mal 400 Poster ansehen können, obwohl ich mir viel Zeit dafür genommen habe). Vielleicht muß man für die Zukunft darüber nachdenken, diese Zahlen zu verringern, um einen Overkill zu vermeiden. Übrigens: Poster 170 erinnerte mich irgendwie an einen Beitrag, den ich mal geschrieben habe:
Thematisch wurde, wie immer, die gesamte Breite der forensischen Genetik und Molekularbiologie abgedeckt mit Schwerpunkten bei FDP, zu der ja auch die Altersbestimmung gehört, Biostatistik (probabilistische Methoden, Bayessche Netze), Genealogie, Y-Chromosom und mt-DNA, forensischer Mikrobiomik usf. Natürlich wurde auch NGS thematisiert, das inzwischen auch in der forensischen Genetik als fast schon Mainstream zu bezeichnen ist: sehr viele Gruppen (auch in und v.a. außerhalb Deutschlands (uns eingeschlossen)) verfügen über ein entsprechendes Gerät, nutzen es teils sogar bereits für Routinefälle und natürlich für unterschiedlichste Forschungsvorhaben, von forensischer RNA-Analyse über Mikrobiomik und Speziesbestimmung bis hin zu forensischer Epigenetik.
Passend zum Erscheinen unseres Artikels scheint es auch eine Art Revival des DNA-Transfer-Themas zu geben. Das Thema war zwar nie wirklich weg, galt aber doch eine Weile als trivial, dröge, unsexy o.ä. Nun aber drängt es sich durch die größer werdende Bewußtheit und damit auch gerichtliche Relevanz, die DNA-Transfer-basierten Alternativhypothesen zur Erklärung von Spurenbildern zukommt, wieder ins Bewußtsein der Community und die Anzahl (erfreulicherweise auch besser gemachter) Studien dazu steigt spürbar an. Es gab dazu auch einen Keynote-Vortrag von R. van Oorschot, der sich schon viele Jahre intensiv mit dem Thema beschäftigt und allgemein als Koryphäe anerkannt ist.
Ein weiterer Schwerpunkt meines besonderen Interesses war die forensische RNA-Analyse. Es gab sehr interessante Vorträge zum Einsatz von NGS zur RNA-Analyse (RNASeq), zirkulären RNAs
aber auch den altbewährten miRNAs in der forensischen Körperflüssigkeiten-Identifikation und es wurden probabilistische Modelle zur Auswertung forensischer RNA-Analyse-Daten vorgestellt. Zu Beginn der Tagung habe ich übrigens diesbezgl. auch wieder an einem Treffen der forensischen RNA-Profiling Gruppe (ForRNAp), deren Gründungsmitglied ich bin, teilgenommen, wo wir u.a. die (recht guten) Ergebnisse eines gruppeninternen RNA-Ringversuchs besprochen haben.
Auch meine Abteilung war wissenschaftlich wieder mit zwei schönen Postern meines Doktoranden
und meiner Masterstudentin vertreten,
(hier sind die beiden übrigens mit unserem frisch neu gewählten ISFG-Präsidenten John Butler)
die unsere Ergebnisse zum Zusammenhang der Schußentfernung und der Menge der im Backspatter meßbaren DNA bzw. zur Art und Zusammensetzung von DNA-Profilen, die sich durch die Handhabung von Schußwaffen durch mehrere Personen aus Abrieben verschiedener Waffenflächen erstellen lassen, darstellten. Das letztere Projekt baut dabei direkt auf unserer Arbeit zu DNA-Transfer auf, über die ich kürzlich berichtete und war gemäß unserer eigenen Vorschläge konzipiert und durchgeführt worden.
Nachdem schon feststeht, daß es in zwei Jahren nach Washington geht (ich habe beim “Come-to-Washington-2021-Stand gefragt, ob es eine Trump-wird-wiedergewählt-Reiserücktrittsversicherung gibt – leider wohl nicht…), haben wir in der ISFG-Vollversammlung diesmal übrigens beschlossen, den Kongress 2023 in Santiago de Compostela stattfinden zu lassen. Ob sie mich da reinlassen? Ich werde es auf jeden Fall versuchen (besonders, falls ich nicht nach Washington gehen sollte) nicht zuletzt, um dort dann mein hoffentlich schon passables Spanisch auszuführen 😉
Prag 2019 war jedenfalls eine schöne, gut gemachte und wie immer anstrengende aber auch inspirierende Tagung, auf der wir viel gesehen, gelernt und zum Nachdenken bekommen haben. Hat Spaß gemacht!
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