Nach einer alte Familienlegende war Renc der uneheliche Sohn von Ron, dem reichen, jüdischen Instruiellen, der ihn 1886 mit der gerade einmal 17-jährigen, hübschen Dina, einer katholischen ethnischen Jüdin zeugte, obwohl Dina ja eigentlich in Xaver verliebt war, den jungen Schmied, dem sie in die große Stadt gefolgt war. Sie hatte ihn kennengelernt, als er für ihren Vater, den Schmiedemeister, arbeitete und weil sie mit ihm angebändelt hatte, war er entlassen worden und war in die nächste Stadt weitergezogen. Sie riß aus und lief von zu Hause weg, um ihn zu heiraten. In der Stadt kam sie als Magd im Haushalt von Ron unter, in dessen Fabrik Xaver arbeitete.
Und da passierte es eines Abends in einem der Bedienstetenzimmer, daß Dina und Ron, der ein Auge auf sie geworfen hatte, einander näher kamen. Doch es war nur eine einmalige Sache, Dina liebte immer noch Xaver, der sie nicht verstieß, als sie ihm beichtete, daß das Kind, „Renc“, das sie neun Monate später gebar, Rons war. So wurde Renc getauft und wurde den jüdischen Riten unterzogen. Xaver machte eine steile Karriere in der Fabrik, heiratete Dina im Februar 1889 und adoptierte den anderthalbjährigen Renc. Ron machte ihnen ein großzügiges Hochzeitsgeschenk und unterstützte die junge Familie nach Kräften, die später noch den Jungen Arles und zwei weitere Kinder bekam.
Auch Renc wurde Schmied, dem Wunsch seines Vaters folgend, zog später mit seinem Halbbruder Arles in den ersten Weltkrieg, überlebte, nur um zur Nazizeit wegen seiner jüdischen Abstammung in größte Gefahr zu geraten, wo er miterleben mußte, wie direkte Nachbarn ins Konzentrationslager gebracht wurden. Irgendwie gelang es Renc, sich um den geforderten Abstammungsnachweis herumzumogeln, indem er den Verlust von Dokumenten vorschob und Nachweise für die Taufe einiger seiner Vorfahren beibrachte. Die wahre Abstammung Rencs von Ron wurde als großes Familiengeheimnis gehandelt, das er den nachfolgenden Generationen erst auf dem Sterbebett anvertraute.
In der Gegenwart ließen nun Abkömmlinge von Renc und Arles ihr Erbgut analysieren, um das ehemalige Geheimnis endgültig und mittels DNA-Beweises zu bestätigen. Der Bericht zu diesem spannenden Fall ist in Forensic Science International [1] publiziert. Beginnen wir mit dem (vermuteten) Stammbaum der Familie:
Damit diese Analyse irgendeine Aussicht auf Erfolg haben kann, braucht man jedoch auch DNA der möglichen gemeinsamen Vorfahren, idealerweise von Renc, Arles und Ron. Die aber waren natürlich lange tot und begraben und ihre DNA war mit ihnen verschwunden. Oder? Vielleicht nicht ganz, denn es gab noch Postkarten von allen dreien, sowie von einem Enkel „Sepp“ von Josef, Xavers Bruder, die von Hand zu Hand weitervererbt worden waren und obwohl diese zum Teil über 100 Jahre alt waren, so klebten darauf doch Briefmarken, die womöglich von den Verstorbenen angeleckt worden waren und somit in ihrer Leimschicht, geschützt zwischen Marke und Karte, ein paar DNA-Moleküle bargen.
Damit versuchte man es. Zunächst gaben MV (im Alter von 97), TV, KK und FK Speichelproben ab für -eine STR-Analyse (Tip zum besseren Verständnis: Lektüre der Serie zur Forensischen Genetik). Außerdem beauftragten die genannten vier und UR, eine Enkelin Arles‘, noch eine Analyse bei „My Heritage“ in Auftrag, um den Anteil ihrer wahrscheinlich von Aschkenasim stammenden DNA zu ermitteln.
Von den Speichelproben wurden autosomale und y-chromosomale DNA-Profile erstellt, von den Postkarten von Renc (n = 4), Arles (n = 3), Ron (n = 1) und Sepp (n = 2), wurden die Briefmarken erst mit Wasser von äußeren Verschmutzungen gereinigt und dann vorsichtig über Wasserdampf von den Karten gelöst. Mit Wattestieltupfern wurde sowohl von den Markenrückseiten als auch den korrespondierenden Stellen auf den Postkarten Abriebe gefertigt und diese in die DNA-Extraktion gegeben. Parallel wurden 2 Marken von Ron und 2 von Renc mittels eines Schnelltests auf α-Amylase geprüft, ein Enzym, das v.a. in Speichel vorkommt.
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