Ist noch gar nicht so lange her, daß ich besorgt über die immer stärker werdenden Angriffe auf das Grundrecht auf Abtreibung schrieb und bemerkte, daß
besorgniserregenderweise vielerorts und auf der Welt wieder erstarkende Tendenzen zur Regression ins Mittelalter, zum Sturmlauf auf Grundrechte und zur Abwicklung von Frauenrechten […] auch wieder/immer noch in den USA, wo es durch Einführung neuer gesetzlicher Regelungen religiösen Fundamentalisten in einigen Bundesstaaten gelungen ist, Abtreibungen praktisch fast unmöglich zu machen,
festzustellen seien. Nach Texas und Mississippi hat nun gerade Oklahoma fundamental-rechts überholt und sich das schärfte Abtreibungsgesetz der USA gegeben:
Das Gesetz verbietet Abtreibungen mit nur sehr wenigen Ausnahmen, etwa zur Rettung des Lebens der Mutter sowie nach Vergewaltigung oder Inzest, die den Strafverfolgungsbehörden gemeldet worden sind. Bürger erhalten die Möglichkeit, Ärzte zu verklagen, die Abtreibungen vornehmen – oder jeden, der dabei hilft. Die vier Abtreibungskliniken des Bundesstaates haben ihren Dienst in Erwartung des neuen Gesetzes bereits eingestellt (Quelle)
Das kommt einem de-facto-Verbot von Abtreibung gleich und ich hatte es ja schon einmal erwähnt: mit der momentan gültigen und durch Roe v. Wade charakterisierten Auslegung der US-Verfassung, die ganz klar ein Recht auf Abtreibung erkennt und Verbote, auch de-facto-Verbote immer wieder verhindert hat, wäre dieses Gesetz (und auch andere strenge Gesetze in anderen evangelikalen Staaten der USA) sicher nicht vereinbar und würde vom dortigen Supreme Court (SCOTUS) gekippt werden müssen, wenn z.B. die Demokraten dagegen Verfassungsbeschwerde einlegen würden (etwa, wie auch beim texanischen Gesetz, über das ich auch berichtet hatte).
Doch diese Klagen werden wohl nicht mehr zum Erfolg führen. Ich schrieb im Dezember ’21:
ob das einen wie aktuell gegeben konfigurierten SCOTUS von einer eigentlich verfassungswidrigen Sichtweise abhalten wird, bleibt – ironischerweise – spannend, eine Entscheidung soll nicht vor Juni 2022 fallen.
Es ist noch nicht Juni und eine offizielle Entscheidung gibt es noch nicht, aber kürzlich wurde durch eine undichte Stelle bekannt, daß der SCOTUS unter Ausnutzung der von Trump ermöglichen Mehrheit fundamentalchristlicher (und den Senat bei der Befragung über ihre wahren Motive offenbar belogen habender) Richter tatsächlich plant, nach knapp 50 Jahren Roe v. Wade zu kippen und damit den Weg für nahezu vollständige Abtreibungsverbote zu öffnen, die voraussichtlich in mindestens 26 der 50 US-Staaten verhängt werden werden, und zwar, obwohl die große Mehrheit auch der republikanisch wählenden US-Amerikaner für legale Abtreibung ist:
somewhere between 85 and 90 percent, according to most polls — think abortion should be legal in at least some circumstances. (Quelle)
Daß eine solche Entscheidung nicht nur die US-Gesellschaft noch mehr zerreißen und entzweien würde, als es ohnehin schon der Fall ist (einige sehen schon den nächsten Civil War am Horizont), sondern auch den Rechtsstaat USA in Richtung Mittelalter zurückschleudern würde, ist auch daran abzulesen, daß Verafssungsrichter Alito, dessen Papier geleakt worden war, sich in seiner Meinungsäußerung mehrfach auf einen Richter aus dem 17. Jhdt. bezog, dessen Rechtsphilosophie zentral zugrunde lag, daß es die Freiheit von Männern zu sehr bedrohe, wenn man Frauen einklagbare Rechte auf/über ihren eigenen Körper, einräumte. Über Vergewaltigung schrieb das Herzchen:
“an accusation easily to be made and hard to be proved and harder to be defended by the party accused, tho never so innocent.” (Historia Placitorum Coronae: The History of the Pleas of the Crown)
Und Vergewaltigung in der Ehe könne kein Verbrechen sein, denn:
“For by their mutual matrimonial consent and contract, the wife hath given herself up in this kind unto the husband which she cannot retract.” (Historia Placitorum Coronae: The History of the Pleas of the Crown)
Also genau der richtige Mann mit genau der richtigen Attitüde, auf den man(n) im Jahr 2022 Urteile über Abtreibung und Grundrechte von Frauen stützen sollte.
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