Vor mehr als 10 Jahren hatte ich schon einmal etwas zum Tod Paganinis, des berühmten Violinvirtuosen und Komponisten mit den einzigartigen Händen geschrieben. Es fasziniert mich sehr, der Art und Weise, wie historische Persönlichkeiten, die mir etwas bedeuten, weil sie z.B. Gedanken oder Werke hinterlassen haben, die uns bis heute berühren und betreffen, gestorben sind, mit modernen wissenschaftlichen Methoden nachzugehen. Das gilt insbesondere dann, wenn ihr Tod rätselhaft oder aufgrund der beschränkten Mittel damaliger Zeiten ungeklärt geblieben ist.
In Current Biology erschien kürzlich eine Studie von Begg et al. [1], die mit einer NGS-Analyse von DNA aus einigen seiner Haare dazu beigetragen haben, den Tod von Ludwig van Beethoven zu untersuchen, den ich ganz besonders verehre und dem und seinem 250. Jubiläum ich vor drei Jahren einen Artikel gewidmet habe. Beethovens wahre Todesursache ist nämlich nach wie vor ungeklärt und zahlreiche Hypothesen (, die sich aber lediglich auf historische Quellen stützen,) kursieren, die auch von verschiedenen erblichen Krankheiten ausgehen.
Begg und Kollegen untersuchten acht Haare aus der “Stumpff-Locke” (s. Abbildung), die Beethoven zugeschrieben wurden, und konnten 5, die zueinander passten, tatsächlich als authentisch bestätigen:
Dann extrahierten sie DNA aus den fünf Haaren und generierten Sequenzen daraus, die etwa zwei Drittel des gesamten Genoms Beethovens abbildeten. In diesen Sequenzdaten suchten sie dann nach bekannten Prädispositionen für Krankheiten.
Dabei fanden zwei spezielle Allele des PNPLA3-Gens (kodiert für eine Triacylglycerol-Lipase), die mit der Entstehung von Leberzirrhose assoziiert sind. Außerdem hatte Beethoven zwei verschiedene Varianten des HFE-Gens, die beide mit erblicher Hämochromatose, wodurch u.a. die Leber geschädigt wird, in Verbindung gebracht wurden. In Kombination mit Beethovens tüchtigem Alkoholkonsum stellten diese Prädispositionen für Lebererkrankungen natürlich ein erhebliches Risiko dar. Doch damit nicht genug, denn in der DNA aus Beethovens Haar fanden sich auch Sequenzen, die auf das Hepatitis-B-Virus zurückzuführen waren. Es ist nicht klar, wie Beethoven sich mit dem Virus infiziert hat; möglicherweise war es auch lange inaktiv und brach erst in den Monaten vor seinem Tod richtig aus. Diese ungünstige Kombination aus Präsdispositionen, einer Virushepatitis und heftigem Ethanolabusus, die der leitende Wissenschaftler T. Begg als einen „perfekten Sturm“ bezeichnete, deutet jedenfalls auf einen Tod durch Leberversagen nach Leberzirrhose hin. Das passt auch zu Berichten über einen Ikterus und geschwollene Gliedmaßen Beethovens kurz vor seinem Tod im März 1827, die beide Zeichen für eine versagende Leber sind.
Das Vorgehen der Forscher erinnerte mich ein bißchen an die sog. “molekulare Autopsie” (die ich kürzlich erst erwähnte): so bezeichnet man die molekulargenetische Untersuchung von DNA aus Blut, Gewebe oder auch Haaren einer verstorbenen Person auf das Vorliegen von krankheitsursächlichen genetischen Sequenzveränderungen. Ziel der modernen molekularen Autopsie in der forensischen Routine ist also die Aufklärung einer bislang ungeklärten Todesursache durch die Identifizierung einer genetischen Veränderung, die entweder selbst die Todesursache oder eine Prädisposition für den Tod darstellen kann (die Kollegen aus Frankfurt sind darauf spezialisiert).
Übrigens wurde bei der Gelegenheit auch Beethovens biogeographische Herkunft untersucht. Dabei resultierte, daß Beethovens Abstammung zu >99% europäisch war und sein Genom mit denen heutiger Deutscher clusterte (also Ähnlichkeiten aufweist); ein geographisches Clustering mittels geo-genetischer Triangulation platzierte Beethovens Genom, bzw. seine genetischen Vorfahren noch genauer nach Nordrhein-Westfalen in die Nähe des Rheins – kommt ja gut hin :). Durch diese Befunde kann wohl auch die immer noch herumgeisternde Behauptung, daß Beethoven irgendwie schwarze bzw. afrikanische Vorfahren gehabt haben soll, als endgültig widerlegt gelten.
Auch nach genetischen Ursachen für Beethovens Gehörleiden, das bekanntlich in völliger Taubheit endete, suchten die Forscher. Beethoven hätte das vielleicht gefreut, denn im sog. „Heiligenstädter-Testament“, einem Brief, den Beethoven 1802 (also lange vor seinem Tod) seinen Brüdern schrieb und in dem er auch sein Leid durch seine fortschreitende Ertaubung klagte, bat er diese:
„sobald ich Tod bin und Professor schmid lebt noch, so bittet ihn in meinem Namen, daß er meine Krankheit beschreibe“.
In Beethovens Genom fanden sich zwar keine (bekannten) Hinweise auf eine erbliche Taubheit (z.B. durch Morbus Paget). Die Ursache kann aber immer noch Otosklerose gewesen sein, wie manche vermuten, eine Erkrankung, für die man die genetischen Ursachen bzw. Voraussetzungen noch nicht kennt. Sollten sie in der Zukunft jedoch aufgeklärt werden, kann man in den nun ja frei verfügbaren Genomsequenzen Beethovens noch einmal nachschauen und vielleicht doch noch seinen Wunsch erfüllen, die Ursache seines größten Leids zu verstehen.
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