Etwas „außer der Reihe“ war der interessante forensisch-entomologische Vortrag von L. Thümmel aus Frankfurt: um die Art der leichenbesiedelnden Insekten, die Puparien (also Puppenreste, nachdem das fertige Insekt daraus geschlüpft ist) auf einem Leichnam hinterlassen haben. Eine Liegezeitbestimmung ist damit, im Gegensatz zu aufgefundenen noch lebenden Insekten (z.B. Puppen) nicht möglich, wenn man aber die Art bestimmen kann, kann wenigstens auf die Jahreszeit der Eiablage oder bestimmte saisonale Aktivitätsphasen geschlossen werden. Unter dem Mikroskop können jedoch selbst erfahrene Entomologen aus einem Puparium nicht zuverlässig auf die entsprechende Insektenart schließen. Daher nutzte die Gruppe abgeschwächte Totalreflexions-Fourier-Transformations-Infrarot-Spektroskopie (ATR-FTIR), um aus der damit erfassbaren biochemischen Information, (frische und gealterte) Puparien vierer relevanter leichenbesiedelnder Fliegenarten zu unterscheiden. Unter Einsatz eines auf Stützvektoren basierenden statistischen Modells gelang das mit einer Genauigkeit von 97%. Hinzukam, daß auch die die frischen von den gealterten Puparien mit hoher Genauigkeit unterscheiden ließen, so daß evtl. mit diesem Verfahren eine genauere Eingrenzung des Todeszeitpunkts bei sehr langen Leichenliegezeiten gelingen könnte. Thümmel erhielt am Ende sogar den „Peter-Schneider-Young-Scientist-Award“ für den besten Vortrag.
Auch Jan, mein ehemaliger Doktorand aus Kiel, hat einen Vortrag gehalten. In Kiel sind sie, nachdem ich weg bin, nämlich, was mich sehr freut, der forensischen RNA-Analyse treu geblieben (Jan hat kürzlich sogar eine DFG-Förderzusage für ein Projekt zur forensischen RNA-Analyse erhalten, was ich ganz phantastisch finde!) und er berichtete daher von einem RNA-basierten Verfahren, das nicht die aufwendige MPS-Methode erfordert, um bei Spurenmischungen, die unterschiedliche Körperflüssigkeiten, darunter Speichel, enthalten, den Speichel einer bestimmten Person zuordnen zu können (treue Leser wird das an das Projekt von Doktorand Max erinnern (hier beschrieben, s. auch [1]), da ging es um eine ähnliche Fragestellung, nur für alle relevanten Körperflüssigkeiten, wozu aber die teure und aufwendige MPS-Methode eingesetzt werden muß, die nicht überall verfügbar ist; die Kieler Methode kann man hingegen auch in einem Standard-Labor einsetzen).
Und ja, er hat immer noch einen guten T-Shirt-Geschmack 😉

Zwei forensische Genetiker mit Riesengurke
Abschließend möchte ich diesmal auch ausdrücklich einen der für das Feld der forensischen Genetik besonders wichtigen Hersteller, die Firma Promega, lobend erwähnen. Promega hat viel Zeit und Ressourcen in die Entwicklung einer neuen Polymerase gesteckt, die keinen oder kaum noch „Stutter“ erzeugt und dies nun auch beim Spurenworkshop offiziell vorgestellt. „Stutter“ ist ein bestimmtes Amplifikationsartefakt bei der Multiplex-STR-PCR, das bei allen früheren Polymerasen immer auftrat und die Auswertung der Elektropherogramme, besonders bei Mischspuren erschwert hat (so in etwa). Man hatte das immer unter „das ist einfach so, muß man mit leben und umgehen können“ eingeordnet. Daß es tatsächlich möglich sein sollte, den Stutter loszuwerden, ist für unsere Community nicht weniger als eine Sensation und ich erinnere mich noch an das Raunen, das durch den Saal ging, als Promega das zum ersten Mal angekündigt hatte (letzten November auf einer Tagung in Tromsö). Mein Labor will jedenfalls ganz vorne dabei sein, wenn es ans Ausprobieren dieser neuen Polymerase geht! (Und nein, das ist keine (Schleich)werbung, das ist ehrliche Anerkennung für eine sehr nützliche, innovative wissenschaftliche Leistung!)
Übrigens/natürlich war auch meine eigene Gruppe wissenschaftlich wieder gut im Programm vertreten. Annica, die dieses Jahr noch ihre Promotion abschließen wird und deren DFG-Projekt inzwischen fertiggestellt ist, stellte die letzten eindrucksvollen Ergebnisse zu ihrer Methode, die Depositionstageszeit einer Blutspur aus der mRNA-Expression zu bestimmen, vor [2]. Kathrin, die Doktorandin auf dem DFG-geförderten Projekt zum Nukleinsäuretransfer, stellte es und erste Erkenntnisse daraus vor und zeigte, wieviel Varianz zwischen den DNA-Quantifizierungsergebnissen von Laboren selbst bei der Untersuchung hochstandardisierter Proben besteht. Und Felix, ein Masterstudent aus meiner Gruppe, zeigte, wie wir die Methode von Gill et al. [3] für unser Labor kalibiriert und validiert haben, um damit unter Zuhilfenahme einer „shinyApp“ die DNA-Anteile von individuellen Beiträgern zu einer Mischspur quantifizieren zu können (was mit der klassischen qPCR-Methode nicht geht), was wir später für komplexe Berechnungen bei der Begutachtung auf Aktivitätenebene brauchen werden.



Letzte Kommentare