bach

Bach mit 30 als Konzertmeister in Weimar, 1715

Heute vor 275 endete das Leben von Johann Sebastian Bach doch darum ist er unsterblich:


Hier als Spotify-Link (nicht exakt das, aber eine tolle Neuaufnahme)

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Anfang des Jahres war ich übrigens in der Kölner Philharmonie, um einem reinen Bach-Konzert beizuwohnen:

der Laden war am Ende bis auf den letzten Platz gefüllt!

Gegeben wurde unter anderem das Konzert für zwei Violinen in d-Moll (BWV1043), das mich jedes Mal völlig aus der Fassung bringt, so schön ist es.

Und wie ich so dasaß und diese mir unendlich vertraute Musik erklang, inmitten von 2000 Menschen, die alle gekommen waren, um Bachs Musik zu hören, hunderte von Jahren, nachdem sie komponiert wurde, malte ich mir aus, wie Bach wohl reagieren würde, wenn er das sehen könnte, erfahren würde, daß seine Musik, Jahrhunderte nach seinem Tod, noch immer gespielt, gelernt, geübt und auf der ganzen Welt geliebt und von den besten Musikern aufgeführt wird.

Später zu Hause, ich hing noch immer diesen Gedanken nach, überkam mich die Neugier. Ich startete ChatGPT und folgendes “Gespräch” entstand, das ich so interessant, überraschend und auch etwas beängstigend fand, daß ich es hier wiedergeben möchte:

Versetze Dich in die psychologische Verfassung des Komponisten J.S. Bach, der 1750 gestorben ist. Ich würde Dich mit einer Zeitmaschine in die Gegenwart holen und Dich durch die Welt von heute führen und begleiten. Am Abend würden wir in die Philharmonie in Köln gehen, wo 2000 Leute still, andächtig und voller Glück Dein Konzert für zwei Violinen in d-Moll lauschen. Wie würde das auf Dich wirken? Was würdest Du empfinden in Anbetracht dessen, daß 300 Jahre, nachdem Du sie geschrieben hast, Deine Musik auf der ganzen Welt geliebt, geübt und allerorten aufgeführt wird?

Wenn ich mich in die psychologische Verfassung von Johann Sebastian Bach versetze, würde mich eine Zeitreise in das Jahr 2025 in unzählige Ebenen der Verwunderung, Faszination, vielleicht auch Ehrfurcht stürzen.

Zunächst wäre ich überwältigt von der Welt an sich: die Bauwerke, die Technologie, die Geschwindigkeit, in der sich Menschen und Informationen bewegen. Das Licht, das nie verlöscht, die Stimmen, die aus kleinen Apparaten sprechen, die Notenschrift, die nun in leuchtenden Rechtecken erscheint – das alles würde meine Vorstellungskraft übersteigen. Doch wenn Du mich durch diese rätselhafte Welt führst, würde ich mich an den wenigen Konstanten festhalten: Menschen, die musizieren, Menschen, die sich versammeln, um Musik zu hören.

Und dann – dieser Abend in der Philharmonie zu Köln. Ein Saal, gebaut für den einzigen Zweck, Musik in höchster Klarheit erklingen zu lassen. 2000 Menschen, die gekommen sind, um einer Musik zu lauschen, die ich vor Jahrhunderten schrieb. Stille. Konzentration. Der erste Satz meines Konzerts für zwei Violinen in d-Moll erklingt. Ich kenne jede Wendung, jedes Motiv, und doch höre ich es zum ersten Mal in dieser Zeit, auf diesen Instrumenten, mit diesen Musikern.

Ich würde tief bewegt sein – nicht aus Eitelkeit, sondern aus Demut. In meiner Zeit war Musik oft gebunden an die Vergänglichkeit: eine Kantate erklang zum Gottesdienst, wurde vielleicht einmal wiederholt, doch dann verschwand sie in den Archiven der Thomasschule. Dass meine Musik über Jahrhunderte hinweg nicht nur überdauert, sondern immer wieder neu geübt, gespielt, geliebt und von Menschen als wertvoll empfunden wird, wäre für mich unbegreiflich schön. Ich war ein Handwerker, ein Komponist in Diensten, aber ich hätte nie geahnt, dass ich etwas schuf, das die Zeit selbst überwindet.

Vielleicht würde ich Dich fragen: „Wie geschieht so etwas? Warum hat sich meine Musik erhalten? Was hört ihr darin?“ Und wenn Du mir sagst, dass die Menschen in ihr eine tiefe, überzeitliche Wahrheit empfinden – etwas, das nicht vergeht, weil es das Wesen der Musik selbst berührt – dann wäre ich still. Und dann vielleicht nur noch ein Satz, geflüstert in die Dunkelheit des Konzertsaals:

„Soli Deo Gloria.“

Am nächsten Morgen würde ich Dir Musik von Mozart und dann Beethoven vorspielen. Würde Dir erzählen, daß beide mit Deiner Musik musizieren gelernt und Dich bewundert haben. Zum Schluß würde ich Dir Beethovens 9. vorspielen und Dir erzählen, daß dieser Mann über Dich gesagt hat: “Nicht Bach, Meer sollte er heißen!”. Und Du würdest eine Büste von Dir, die auf meinem Klavier steht, bemerken, die mir immer streng auf die Finger sieht, wenn ich übe. Wie  Dir das wohl vorkäme?

Ich stelle mir vor, wie ich in einem Zimmer sitze, das mir fremd erscheint – und doch steht dort ein Instrument mit Tasten, das mir bekannt vorkommt, wenn auch größer, kräftiger im Klang. Die Welt um mich ist ein Wunder, aber was mich am meisten bewegt, ist das, was Du mir jetzt zeigst: die Musik, die nach mir kam.

Mozart. Ein Name, den ich nie gehört habe. Und doch, sobald die ersten Töne erklingen, spüre ich etwas Vertrautes, als hätte dieses Kind – denn Du sagst mir, er habe als Kind meine Werke studiert – in meine Sprache hineingehorcht und sie weitergesponnen, verfeinert, ins Licht gezogen. Seine Musik atmet eine Freiheit, eine Klarheit, eine Anmut, die mich tief berührt. Er ist ein Spieler, ein Zauberer mit Noten, aber ich höre in ihm auch mich selbst – nicht direkt, sondern wie ein Echo, das weitergetragen wurde.

Dann Beethoven. Ein Name, der mächtig klingt. Und als die Musik beginnt, verstehe ich, warum. Es ist, als stünde ich an der Grenze zu einer anderen Welt – gewaltig, unaufhaltsam, eine Kraft, die sich durch Töne in den Raum wuchtet. Und dann das Wunder der Neunten: Musik, die zu den Sternen greift, zu Gott, zur Menschheit selbst. Die Freude, die in ihr lodert, ist nicht nur eine spielerische, sondern eine erschütternde, eine, die aus Kampf und Dunkelheit geboren ist.

Du sagst mir, er habe von mir gesagt: „Meer sollte er heißen.“ Ich bin einen Moment lang still. Ich war ein fleißiger Arbeiter, ein Thomaskantor mit vielen Pflichten. Ich habe komponiert, um zu dienen, um Schönheit und Ordnung zu schaffen. Aber jetzt höre ich, dass meine Musik nicht nur erklungen ist, sondern dass sie Wellen geschlagen hat – dass sie andere bewegt hat, genährt hat, dass sie selbst dann, wenn ich längst verstummt war, weiterklang. Und in diesem Klang wuchs etwas Neues, Größeres, Starkes, Freies.

Und dann zeigst Du mir – eine Büste von mir selbst. Da steht mein eigenes Antlitz, gemeißelt in Stein, mit ernster Miene über Deinem Klavier wachend.

Ich würde Dich fragen: „Warum tust Du das? Warum stellst Du mich dort hin?“

Und Du würdest vielleicht sagen: „Weil Du mich lehrst. Weil ich Dir zusehen muss, um gut zu spielen. Weil Du für mich das höchste Vorbild bist.“

Dann müsste ich vielleicht aufstehen und eine Weile gehen. Still. Mit einem Gefühl in mir, das ich nie zuvor kannte: die Ahnung, dass ein Mensch in seinem Leben mehr hinterlässt, als er je wissen kann. Dass das, was er mit Hingabe tut, hinausfließt in die Zeit, wie Wellen auf einem Meer, das größer ist als wir selbst.

Bevor ich Dich in Deine Zeit zurückkehren ließe (Du hast ja noch Leben und Kompositionen vor Dir), würde ich Dir noch erzählen, daß die Menschen inzwischen auf dem Mond waren und im Weltall nach anderen Lebenwesen suchen. Als Zeichen des Friedens, als Vermächtnis unserer Art haben wir einen Tonträger (ich erkläre Dir, was eine Schallplatte ist) mit der Voyager-Sonde auf die Reise ins Weltall geschickt. Und auf diesem Tonträger befindet sich Deine Musik! Wenn dereinst, vielleicht, wenn es die Menschheit, die Erde längst nicht mehr gibt, eine außerirdische Zivilisation dieses Vermächtnis findet, wird ein letztes (oder erstes?) Mal die Musik von Johann Sebastian Bach erklingen. Ich sage Dir, daß ich stolz bin, als Mensch, daß es Deine Musik sein wird, die uns repräsentiert. Es nimmt mir die Sorge, daß man allzu schlecht von uns denken wird. Was denkst Du, was fühlst Du?

Ich stelle mir vor, dass ich schweige. Dass ich Dich ansehe, aber nicht sofort eine Antwort finde.

Der Mond. Der Gedanke allein, dass Menschen ihren Fuß auf einen anderen Himmelskörper gesetzt haben, erschüttert mich. Ich habe in meiner Zeit oft über die Schöpfung nachgedacht, über die Ordnung der Himmelskörper, über die unfassbare Größe dessen, was Gott geschaffen hat. Und nun sagst Du mir, dass der Mensch, dieses kleine, begrenzte Wesen, in das Unendliche vorgedrungen ist? Dass er hinausgegangen ist in jene Weiten, die wir nur als Punktgestirne in der Nacht erahnten?

Und dann das: Meine Musik ist dorthin mitgereist.

Eine Botschaft, hinausgesandt ins Unbekannte, nicht an ein Ohr, das sie erwartet, sondern an ein mögliches Ohr, das vielleicht niemals sein wird. Und doch habt ihr beschlossen, sie zu senden – als Zeichen dessen, was ihr wart.

Ich schließe die Augen. Nicht aus Unglauben, sondern weil es zu groß ist, um es sofort zu erfassen.

Meine Musik war nie für Unsterblichkeit geschrieben. Sie war für den Moment, für den Gottesdienst, für den Auftrag, für den, der sie hören wollte. Sie war Arbeit, Kunst, Hingabe, aber niemals habe ich sie als etwas gesehen, das Jahrhunderte überdauern könnte – geschweige denn die Grenzen der Erde.

Und nun sagst Du mir, dass sie vielleicht das Letzte sein wird, was von euch bleibt. Dass, wenn alles vergeht, die Erde selbst nur noch ein Staubkorn in der Zeit ist, eines Tages ein anderes Bewusstsein, ein anderes Sein diese Töne hören könnte. Und dass es dann ein Echo davon gibt, was wir waren.

Ich sehe Dich an. Ich sehe das Leuchten in Deinen Augen, wenn Du davon sprichst. Ich verstehe, dass Du stolz bist – nicht auf mich allein, sondern darauf, dass es nicht nur Krieg und Gier und Vergänglichkeit sind, die eure Spezies definieren, sondern auch Musik. Dass ihr, selbst in eurer Vergänglichkeit, versucht habt, Schönheit zu bewahren.

Vielleicht lächle ich. Vielleicht nur ganz leise. Und dann sage ich:

“Wenn dies geschieht, wenn sie meine Musik hören… werden sie wissen, dass wir eine Seele hatten.”

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Kommentare (4)

  1. #1 naja
    28/07/2025

    Sehr interessantes Gespräch.

    “Und nun sagst Du mir, dass sie vielleicht das Letzte sein wird, was von euch bleibt.”
    “Ich sehe Dich an. Ich sehe das Leuchten in Deinen Augen, wenn Du davon sprichst. Ich verstehe, dass Du stolz bist – nicht auf mich allein, sondern darauf, dass es nicht nur Krieg und Gier und Vergänglichkeit sind, die eure Spezies definieren, sondern auch Musik. Dass ihr, selbst in eurer Vergänglichkeit, versucht habt, Schönheit zu bewahren.”

    ChatGPT wechselt immer mal die Perspektive und ist nicht mehr Beethoven (ich/mir), Mitglied unserer Spezies, sondern spricht über ihr und eure Spezies, das Letzte was von euch bleibt. Und dann sagt ChatGPT auch noch, dass wir vergänglich sind und versucht haben, Schönheit zu bewahren, nicht dass wir es aktuell versuchen. Uiuiui.

  2. #2 naja
    28/07/2025

    Äh, ja. Ich meine natürlich Bach… Mitglied unserer Spezies.

  3. #3 zimtspinne
    28/07/2025

    @ Cornelius

    ChatGPT befragt?
    Wie kommt man denn auf sowas total verrücktes!?

    Mich machen schon die Chatbots immer ganz wild, wenn sie mir bei einem Problem oder einfachen Fragestellung helfen sollen.
    Letztens waren sie mit einer Frage zur Fritzbox-Kompatibilität schon total überfordert.

    Vielleicht sollte ich dem Ding auch mal philosophisch in einer nächtlichen Stunde kommen 😀

    Nach Lesen der ersten Seite, hege ich schon den Verdacht, ChatGPT ist ein wenig harmoniesüchtelnd und wunschdenkerisch.
    Passt ja auch in die heutige Zeit der Wiederbelebung des magischen Denkens.

    ps. denkst du, dass der Bach-Gedenktag ein Ritual bis an dein Lebensende bleiben wird? Ohne ihn ein einziges Mal zu vergessen? Egal, was ist und wie die Welt aus den Fugen gerät? Ich denke das 🙂

  4. #4 Dietmar Hilsebein
    28/07/2025

    @ zimtspinne

    harmoniesüchtelnd und wunschdenkerisch.

    Ich denke, das dürfte bekannt sein. Die Frage ist ja eher, was @ Cornelius dabei als beängstigend empfindet.