In den vergangenen Jahren hat sich das sogenannte Crowdfunding bekanntlich zunächst als Finanzierungsinstrument in der Kreativ- und später dann auch in der StartUp- sowie in der Sozialprojekt-Szene etabliert. Seit etwas über einem Jahr bemüht sich nun die durch die Wissenschaft im Dialog gGmbH betriebene Plattform Sciencestarter darum, das Crowdfunding auch Forscherinnen und Forschern schmackhaft zu machen – und das mit durchaus großem Erfolg, wurden doch in vergleichsweise kurzer Zeit bereits 17 Projekte mit Summen im teilweise fünfstelligen Bereich durchfinanziert. Als Mitarbeiter der Hochschule Harz habe ich eines dieser (mit 129% der Minimalsumme) erfolgreich finanzierten Vorhaben – das Projekt „Silver Clips“, über das ich hier schon einmal ausführlich berichtet hatte – sowohl durch die Start- als auch durch die Finanzierungsphase begleiten dürfen. Seit gestern betreue ich mit „Dem Himmel so nah“ sogar noch ein zweites Sciencestarter-Projekt, dessen Träger diesmal allerdings nicht die Hochschule Harz, sondern der Förderverein der Sternwarte Sankt Andreasberg ist, dem ich seit 2008 angehöre (über die Arbeit der Sternwarte hatte ich hier ja ebenfalls schon geschrieben).
An diesem Scheideweg – ein Crowdfunding-Projekt endet erfolgreich, ein zweites läuft gerade an – habe ich mir natürlich einige Gedanken darüber gemacht welche Erfahrungen ich aus „Silver Clips“ eigentlich mit in die Betreuung des zweiten Crowdfunding-Vorhabens nehme. Dabei sind insbesondere fünf „Lektionen“ bei mir hängengeblieben.
1) Arbeit mit Offline-Medien – stets vorbereitet sein, nicht jedoch zu viel erwarten: Beim Start von „Silver Clips“ wurden wir durch das Sciencestarter-Team bereits vorgewarnt, dass wir uns auf Anfragen klassischer Medien vorbereiten müssen – und in der Tat wurde das Projekt nicht nur von den beiden großen Regionalzeitungen – der Harzer Volksstimme und der Mitteldeutschen Zeitung – sondern auch durch den Mitteldeutschen Rundfunk aufgegriffen und war Anfang dieses Jahres sogar Gegenstand eines kurzen TV-Berichts im MDR. Natürlich kann man sich nun darüber streiten, inwiefern es die Forschungsaktivitäten an einer Hochschule realitätsgerecht abbildet, wenn ein Projekt mit einem Volumen von gerade mal einigen tausend Euro sich in Presse, Funk und Fernsehen wiederfindet, während deutlich umfangreichere Vorhaben wegen des weniger interessanten Finanzierungsmechanismus nicht wahrgenommen werden – da das Interesse an Crowdfunding derzeit aber zweifellos vorhanden ist, wäre es ja aber dennoch geradezu grob fahrlässig, die sich hieraus ergebenden Möglichkeiten für die Öffentlichkeitsarbeit nicht zu nutzen. Man sollte also auf E-Mails und Anrufe entsprechend gut vorbereitet sein und Zeit für Journalisten einplanen.
Erwarten sollte man von dieser Medienarbeit – zumindest in finanzieller Hinsicht – allerdings nicht allzuviel. Für „Silver Clips“ lässt sich konstatieren, dass in den Tagen nach den Presseberichten definitiv keinerlei neue Unterstützer hinzugekommen sind, während der TV-Bericht immerhin einen späteren Unterstützer auf das Projekt aufmerksam gemacht hat. Als deutlich wichtigste Unterstützergruppe erwies sich neben Bekannten und Kollegen dagegen übrigens die Gruppe derjenigen Sciencestarter-User, die bereits länger auf der Plattform unterwegs sind und schon mehrere Projekte mitfinanziert haben.
2) Woher neue Unterstützer wirklich kommen: Facebook, Twitter, Blogs & Co: Weitere Unterstützer konnten wir außerdem über Blogeinträge gewinnen, wenn diese entsprechend bei Facebook und Twitter beworben wurden. Die Transition vom Empfänger einer Information über ein Crowdfunding-Projekt hin zu einem Unterstützer scheint demnach einfacher möglich zu sein, wenn das Medium nicht gewechselt werden muss – was ja auch durchaus zu erwarten ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Kommunikation für Projektstarter auch über den initialen Kick-Off hinaus – so haben wir im Blog zu „Silver Clips“ beispielsweise über themenrelevante Projekte der Hochschule Harz, eigene Veröffentlichungen, die Pressearbeit zum Projekt oder auch die Incentives gebloggt und sind damit im Ergebnis gut gefahren. Bis dato sind so 34 Blogposts mit 25 Kommentaren zustandegekommen – und bis das Projekt irgendwann im Herbst vollständig abgeschlossen sein wird, werden es noch einige Dutzend mehr sein, da wir natürlich auch die Umsetzungsphase im Blog begleiten werden. Diese Strategie werden wir bei „Dem Himmel so nah“ nun fortsetzen und auch hier regelmäßig bloggen und die Artikel über geeignete Kanäle streuen, um eine kontinuierliche Kommunikation mit Projektunterstützern und Interessenten zu etablieren. Damit ist Crowdfunding natürlich nur für die eher extrovertierten Forscherinnen und Forscher eine echte Alternative, die selbst gerne Öffentlichkeitsarbeit betreiben und die vor allem kein Problem damit haben, persönlich im Rampenlicht zu stehen.
Das Verfassen selbst aufwändiger Blogartikel für Sciencestarter lohnt sich übrigens auch aus anderen Gründen – der Blogpost meines Hochschul-Kollegen Thomas Schatz zur Definition des Begriffs „Alterspionier“ findet sich bei einer Google-Suche trotz deutlich mehr als 100 Treffern bereits seit Wochen auf dem ersten Platz…
3) Finanzierungsziel und Incentives – Feintuning ist sinnvoll: Auch wenn man als Forscher natürlich immer Ideen hat, wie man auch noch mehr Geld verausgaben könnte, ist es für den Crowdfunding-Erfolg durchaus sinnvoll, sich auf die Summe zu beschränken, die minimal für die Projektrealisierung benötigt wird. Dies liegt insbesondere am „Alles oder nichts-Prinzip” beim Crowdfunding, welches bei einer vom Projektstarter festgelegten Minimalsumme von z.B. 10.000 Euro und einer tatsächlichen Unterstützersumme von 6.000 Euro dazu führt, dass kein Cent ausgezahlt wird – und das, obwohl das Projekt vielleicht schon mit 5.000 Euro hätte realisiert werden können. Bescheidenheit ist hier also durchaus sinnvoll – so haben wir es bei „Silver Clips“ gehalten und so werden wir auch bei „Dem Himmel so nah” verfahren, indem wir der festgelegten Minimalsumme von 3.500 Euro einen Eigenanteil von 1.500 Euro aus Vereinsmitteln gegenüberstellen, anstatt die Gesamtsumme zu beantragen. Da im Falle eines Projekterfolgs die Wahrscheinlichkeit zudem groß ist, dass ohnehin mehr als die Minimalsumme eingenommen wird (bei „Silver Clips“ etwa kamen exakt 1.000 Euro mehr zusammen), vergibt man sich mit einer realistischen Beschränkung nichts.
Sinnvoll scheint mir außerdem ein gewisses Feintuning bei der Abstufung der Incentives zu sein. Wenn man beispielsweise ein Incentive für 5 Euro, das nächste aber erst für 40 Euro anbietet, wird derjenige, der eventuell 20 Euro zu zahlen bereit gewesen wäre, am Ende vielleicht doch nur 5 Euro überweisen. Bei „Silver Clips“ ist uns diese Abstufung – wie ich persönlich finde – besser als bei „Dem Himmel so nah“ gelungen, wobei gerade dieses Projekt eventuelle Schwächen hoffentlich durch die große thematische Attraktivität mehr als ausgleichen wird.
4) Die Hochschule überzeugen – in unserem Fall erfreulich einfach: In vielen Fällen sind die „crowdfundenden“ Forscherinnen und Forscher ja an Universitäten oder Fachhochschulen beschäftigt und möchten das eingenommene Geld auch gerne in Form von Drittmitteln verausgaben, woraus sich in der Praxis einige durchaus knifflige Fragen ergeben: Werden Crowdfunding-Mittel als Spenden verbucht und können sie als solche auch quittiert werden? Ist im Falle einer hochschulweiten Vollkostenrechnung ein Overhead-Anteil abzuführen? Handelt es sich beim Bloggen auf Sciencestarter um eine öffentlichkeitsrelevante Tätigkeit, die ggf. mit dem Rektorat oder dem Referat für Öffentlichkeitsarbeit abgestimmt werden muss? Usw. usf.
Solche Fragen können – zumindest meiner Einschätzung nach – durchaus eine große Hürde für potentielle Projektstarter darstellen. Dass dies bei „Silver Clips“ nicht der Fall war, hat – und hier muss ich meine Alma Mater einmal ausdrücklich loben – viel mit der Arbeitsatmosphäre an der Hochschule Harz sowie mit einzelnen Unterstützern wie Prorektor Prof. Dr. Georg Westermann, Knowledge Broker Thomas Lohr und den beiden Pressereferenten Andreas Schneider und Janet Anders zu tun, denen an dieser Stelle noch einmal herzlich für ihre Hilfe gedankt sei.
Übrigens: Auch wenn Sciencestarter-Manager Thorsten Witt im unten verlinkten Vortrag ausführt, dass eine komplexe wissenschaftliche Projektbeschreibung sowie ein professionell erstelltes Projektvideo letztlich nicht ausschlaggebend für den Projekterfolg sind, kann ich Projektstartern, die sich „offiziell“ als Hochschulmitarbeiter ins Abenteuer Crowdfunding stürzen wollen, zu beidem nur dringend raten. Für den späteren Crowdfunding-Erfolg mögen weder die Professionalität des Vorstellungsvideos noch ein über die Projektbeschreibung hinausgehendes Konzept wichtig sein – hochschulintern hat uns beides aber durchaus geholfen, den einen oder anderen Skeptiker davon zu überzeugen, dass es sich bei „Silver Clips“ um ein ernsthaftes sozialwissenschaftliches Projekt – und eben nicht irgendeine „Internet-Spielerei“ – handelt. In diesem Sinne sei an dieser Stelle auch noch einmal Stephan Dittmann ganz herzlich für den professionellen Videodreh gedankt.
5) Nutzen für die Allgemeinheit schaffen – ein wichtiges „Verkaufsargument“: Zwar habe ich mich im Nachgang der Finanzierungsphase von „Silver Clips“ nur mit einigen Unterstützern austauschen können, habe aus diesen Gesprächen aber den starken Eindruck mitgenommen, dass die Schaffung von Werten für die Allgemeinheit ein großer Motivator für Unterstützerinnen und Unterstützer sein kann. Mir geht das bei der Entscheidung für oder gegen eine Beteiligung an einem Crowdfunding-Projekt übrigens selbst nicht anders: Wenn ich das Gefühl bekomme, dass aus einem Crowdfunding-Projekt heraus Erkenntnisse oder Infrastrukturen entstehen, die von allen – oder doch zumindest anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – später noch genutzt werden können, motiviert mich das als potentiellen Unterstützer umso mehr.
Für „Silver Clips“ haben wir diese Idee über das Versprechen realisiert, sowohl die Projektvideos allgemein zugänglich und unter einer freien Lizenz auf YouTube zu veröffentlichen als auch alle eventuellen Publikationen zum Projekt ausschließlich über Open Access-Kanäle laufen zu lassen, so dass wirklich alle am Thema Interessierten die Möglichkeit bekommen, sich vollumfänglich mit den Projektergebnissen auseinanderzusetzen, ohne dafür bezahlen zu müssen. Bei „Dem Himmel so nah“ entstehen dagegen neue Möglichkeiten zur barrierefreien Beobachtung des Sternenhimmels in einer ehrenamtlich betriebenen und somit auch allen Interessenten frei zugänglichen Einrichtung, wodurch sich in beiden Projekten der postulierte Nutzen für die Allgemeinheit einstellt.
Soweit einige private Überlegungen zu erfolgreichem Wissenschafts-Crowdfunding. Abschließen möchte ich diesen Blogpost gerne mit einem erst kürzlich aufgezeichneten Google Hangout des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft mit Sciencestarter-Manager Thorsten Witt, der natürlich noch zahlreiche weiterführende Beobachtungen und Tipps für Crowdfunding-Interessierte aus der Wissenschaft auf Lager hat.
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