Flugsaurier kennt man schon seit dem späten 18. Jahrhundert. Anfangs hielt man die langen Vordergliedmaßen für Paddel. Der berühmte Anatom George Cuvier erkannte sie als erster als fliegende Tiere und prägte den Namen “Pterodactylus” – Flugfinger. Wie aber sahen die Flugsaurier aus? Welche Form hatte ihre Flughaut?
Der deutsche Anatom Samuel Thomas von Sömmering hielt die Flugsaurier für Verwandte der Fledermäuse und rekonstruierte sie entsprechend:
(Dieses Bild und einige von Seeley sind von der Pterosaur Database mit freundlicher Genehmigung von Paul Pursglove)
Wie bei Fledermäusen nahm von Sömmering also an, dass sich die Flughaut bis zum Fuß hin erstreckt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde dann generell anerkannt, dass die Flugsaurier zu den Reptilien gehörten, wie bereits von George Cuvier vorgeschlagen. (Ich verwende hier “Reptilien” im klassischen Sinne – in der modernen Biologie ist der Begriff ein bisschen in Ungnade gefallen, weil er keine evolutionär einheitliche Tiergruppe beschreibt.) Nach wie vor nahm man aber an, dass sich die Flughaut bis zu den Knöcheln ausdehnte, auch wenn es hierfür keine guten Belege gab. Erste Fossilien mit teilweise erhaltenen Flughäuten lagen zwar vor, aber sie waren nicht so gut, dass man die genaue Konfiguration hätte ablesen können.
Auch Harry Govier Seeley, einer der größten Flugsaurierexperten des 19. Jahrhunderts, rekonstruierte Flugsaurier zunächst eher fledermausartig:
Er war (wie wir heute wissen, vollkommen korrekt) der Überzeugung, dass Flugsaurier aktive und deshalb vermutlich auch warmblütige Flieger gewesen waren.
Später allerdings (in seinem berühmten Buch “Dragons of the air” von 1901, das man hier herunterladen kann) distanzierte er sich von diesen Rekonstruktionen:
I should have preferred to carry it no further down the body than the lower part of the back there being no fossil evidence in favour of this extension so far as specimens have been described.
[Ich hätte es vorgezogen, sie nicht weiter als bis zum unteren Rumpfbereich auszudehnen, da es nach den bisher beschriebenen Funden keine fossilen Belege für eine weitere Ausdehnung gibt.]
Seine Rekonstruktionen in diesem Buch hatten dementsprechend deutlich kürzere Flughäute:
Mit dieser Idee stand er aber ziemlich allein da. Die meisten Rekonstruktionen des 20. Jahrhunderts verwendeten die fledermausartige Flughaut.
In den Achtziger Jahren wurden dann aber Zweifel an dieser Idee laut. Fossile Belege gab es nur wenige (und die sind oft schwer zu interpretieren, das sehen wir gleich noch), so dass Kevin Padian vorschlug, die Flügel könnten eher wie bei Vögeln ausgesehen haben, also nur am Rumpf befestigt gewesen sein. Das hätte auch die Beine befreit, so dass zumindest die kleineren Flugsaurier bequem auf zwei Beinen hätten laufen können, statt unbeholfen auf allen Vieren herumzukrauchen.
Entsprechend findet man aus neuerer Zeit auch Bilder, bei denen der Flügel eher schmal ist – gerade bei den Flugsauriern, die oft als ökologisch analog zu Seevögeln gesehen werden, sieht eine solche Konfiguration sinnvoll aus:
Coloborhynchus piscator, von John Conway, CC BY-SA 3.0, Link
Über die Biomechanik des Flugsaurierflugs habe ich ja neulich schon einiges geschrieben.
Die Debatte über die Flugsaurierflügel gibt es also weit mehr als hundert Jahren.
Die Paläontologen Ross Elgon, David Hone und Eberhard Frey (bekannt als Dino-Frey) haben in einer aktuellen Veröffentlichung die bekannten Flugsaurier-Fossilien mit Abdrücken der Flugmembran gesichtet und versucht, ein einheitliches Bild zu entwickeln. (Auch der obige historische Überblick orientiert sich übrigens stark an dem paper – nicht dass es heißt, ich hätte hier ohne Quellenangaben irgendwas abgeschrieben.)
Hier ein kleiner Überblick über mögliche Formen der Membran (adaptiert von Bild 2 aus dem paper):
In den Konfigurationen 1, 2, 8 und 9 setzt die Membran ziemlich weit unten am Bein an – trotzdem unterscheiden sie sich ziemlich deutlich in der genauen Form der Membran. Man erkennt daran bereits, dass ein Ansatzpunkt der Membran am Fuß nicht unbedingt heißt, dass sie so breit wie ein Fledermausflügel war. Die Konfigurationen 3, 4 und 5 setzen am Rumpf an, wobei insbesondere 3 sehr schmal ist und deshalb aerodynamisch unplausibel erscheint – damit lässt sich vermutlich nicht genug Auftrieb zum Fliegen erzeugen. (Diese Konfiguration ist eine Idee von David Peters, zu dem schreibe ich weiter unten noch was…) Konfiguration 6 ist eine ganz andere Idee – hier setzt die Flughaut nicht am Bein, sondern nur am Schwanz an. Natürlich muss der Ansatzpunkt auch nicht bei allen Flugsauriern identisch gewesen sein – es haben ja auch nicht alle Vögel dieselbe Flügelform.
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