Dass die Quantenmechanik merkwürdig ist, liest man ja immer wieder. Da gibt es all diese seltsamen Verschränkungen und lauter so Zeugs. Aber was bedeutet das wirklich? Was sagt uns die Quantenmechanik über unsere Welt und darüber, wie sie wirklich ist? In diesem Text will ich versuchen, mit ein paar einfachen (Gedanken-)experimenten deutlich zu machen, was denn nun wirklich so seltsam an der Quantenmechanik ist und welche Auswirkungen sie für unser Bild von der Wirklichkeit hat.
Ein Anlass (wenn auch nicht der einzige) zu diesem Text war der Text von Florian drüben auf naklar und die nachfolgende Diskussion. Florian vertrat darin den Standpunkt, dass die Quantenmechanik den Ruf, etwas philosophisch Neues zu sein, zu Unrecht habe und sagte dann, dass auch in der Quantenmechanik gelte:
Die Wirklichkeit gibt es wirklich, der Mond ist auch da, wenn niemand hinsieht
In den Kommentaren habe ich mich dagegen gewehrt, dass man die Quantenmechanik ohne weiteres so interpretieren kann. Da die Diskussion im Tonfall zum Teil etwas scharf war (teilweise sicherlich auch, weil ich mal wieder dem Motto “tact is for people not witty enough for sarcasm” gefolgt bin…) und da solche Diskussionen es ohnehin für Außenstehende schwer machen den Argumenten zu folgen, will ich hier etwas genauer erklären, warum die Quantenmechanik meiner Ansicht nach sehr wohl eine Menge philosophischen Zündstoff bietet.
Für alle praktischen Zwecke…
Damit eins ganz klar ist: in diesem Text geht es um die philosophischen Implikationen der Quantenmechanik – was können wir daraus über das Wesen der Realität folgern? Hierzu gibt es unterschiedliche Ansichten. Über eins sind sich aber alle, die etwas von Quantenmechanik verstehen, einig (auch – na klar – Florian und ich): die Quantenmechanik taugt nicht dazu, irgendwelche esoterischen Konzepte der Art “Wenn man nur fest genug dran glaubt” zu stützen. Für alle praktischen Zwecke ist es egal, welcher Interpretation der Quantenmechanik ihr anhängt und welches Bild von der Realität ihr euch macht – ihr könnt euch trotzdem keine Reichtümer her- oder Krankheiten wegwünschen. (Gerade in dieser Woche gab es ein Interview im Zeitmagazin, wo irgendeine Schauspielerin, die jetzt einen Film mit Woody Allan gedreht hat, sagt, dass es kein Glück war, sondern dass sie dank Ihrer Lektüre über Talumd und Quantenphysik (huh??) verstanden hat, dass sie ihr Ziel visualisieren musste, um es zu erreichen. Mich regen solche Aussagen auf – nicht nur wegen der damit verbundenen Dummheit (jeder kann ja so dumm sein, wie er will), sondern wegen des impliziten Vorwurfs an alle Menschen, die leiden, dass sie an ihrem Leiden selbst schuld sind. Sagt mal einer Mutter, deren Baby eine tödliche Krankheit hat, dass sie die Krankheit nur hätte rechtzeitig weg-visualisieren müssen…) Auch wenn es – wie ich gleich zeigen werde – eine Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass Objekte plötzlich ganz woanders sind oder sich in etwas anderes umwandeln, so ist diese Wahrscheinlichkeit so klein, dass sie für alle praktischen Zwecke Null ist. (Falls ihr es nicht glaubt, denkt immer dran: es gibt eine endliche Wahrscheinlichkeit, dass sich jedes Exemplar der neusten (4.!) Auflage des Buches “Mechanisches Verhalten der Werkstoffe” nächste Woche in pures Gold verwandelt. Besser, ihr sichert euch ein paar Exemplare, bevor es zu spät ist.)
Nachdem das somit hoffentlich ausgeräumt ist, möchte ich euch jetzt mit ein paar kleinen Gedankenexperimenten zeigen, wo die konzeptionellen und philosophischen Schwierigkeiten stecken, wenn man versucht zu argumentieren, dass Objekte auch dann “da sind”, wenn man sie nicht beobachtet.
1. Wo ist das Photon?
Fangen wir ganz einfach an: Wir schicken ein Photon (also ein Lichtquant) auf einen halbdurchlässigen Spiegel.
Das Photon kommt von links und trifft auf den Spiegel. Es hat eine 50%-Wahrscheinlichkeit dafür, nach A zu laufen, und eine 50%-Wahrscheinlichkeit für den Weg nach B. (Das ist die Definition von “halbdurchlässig”.) Die Regeln der Quantenmechanik sagen uns, dass das Photon tatsächlich beide Wege geht: Solange wir das Photon nicht beobachten, ist es in einem Mischzustand (auch Überlagerungszustand genannt) – es hat eine Wahrscheinlichkeit, auf dem Weg nach A zu sein, und eine, auf dem Weg nach B zu sein. Das gilt auch dann, wenn A und B extrem weit voneinander entfernt sind. Sobald einer der beiden Detektoren anspricht, wissen wir, dass das Photon jetzt bei diesem Detektor ist, (und wir werden es dann nicht auch noch beim anderen Detektor messen). Die Energieerhaltung lässt keinen Zweifel daran zu, dass das Photon die ganze Zeit existiert, aber wo es sich aufhält, ist bis zur Messung nicht eindeutig – man kann sagen, es ist an zwei Orten gleichzeitig, solange, bis wir es gemessen haben.
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