Richtig klettern wie die Jungtiere tun große Krokodile allerdings nicht – sie beschränken sich auf Baumstämme, die einigermaßen schräg wachsen und auf die sie so einfach hinauflaufen können. Trotzdem findet man auch große Krokodile dabei durchaus in einer Höhe von 2 Metern über dem Boden (oder, häufiger, dem Wasser).
Es gibt zwei Gründe, warum Krokodile auf Bäume klettern: zum einen tun sie es besonders in solchen Gegenden (wie eben Mangrovenwäldern), wo es auf dem Boden wenige gute Plätze zum Sonnenbaden gibt. Allerdings findet man Krokodile auch nachts auf Bäumen – dabei geht es dann wohl eher darum, ihr Territorium aus erhöhter Position gut überwachen zu können. Ein weiterer Grund, der auch bei nächtlichen Landausflügen eine Rolle spielen kann, ist, dass Krokodile ihre Schuppenhaut auch gelegentlich trocknen müssen, weil sie sonst von Parasiten befallen werden und auch Algen auf ihnen wachsen können. In einigen der Internetartikel zum Thema stand gelegentlich, dass man sich also beim Klettern auf Bäumen vorsehen muss, um nicht von einem Krokodil überrascht zu werden – aber dass baumkletternde Krokodile (insbesondere größere) tatsächlich Beute angreifen, ist nicht bekannt und es ist wohl auch eher unwahrscheinlich, weil die Verletzungsgefahr zu groß wäre.
Dass man Krokodile auch auf Bäumen finden kann, hat auch eine direkte Konsequenz für die Paläontologie: Allein von der Anatomie her würde man diese Fähigkeit ja eher nicht erwarten, was zeigt, dass die Rückschlüsse, die man aus fossilen Knochen ziehen kann, eben doch begrenzt sind.
Krokodile benutzen Werkzeuge
Dass Krokodile auch Werkzeuge benutzen können, ist vermutlich eine noch größere Überraschung. Aber ehe ihr euch jetzt Krokodile vorstellt, die mit ihren Schwänzen als baseballschläger Steine auf ahnungslose Opfer schießen oder die mit ihren Klauen Lianen-Netze knüpfen (das wäre dann sogar Werkzeugherstellung), muss ich die Euphorie etwas dämpfen: Von Werkzeugen kann man hier nur im weitesten Sinn sprechen – das beobachtete Verhalten ist aber trotzdem faszinierend.
Laut Wikipedia stammt die Definition des Begriffs “Werkzeuggebrauch” von Jane Goodall. Danach verwendet ein Tier ein Werkzeug, wenn es ein Objekt verwendet, das nicht zum Körper gehört, um damit ein Ziel zu erreichen und die Funktionen des eigenen Körpers zu erweitern. (Jane Goodall wurde ja für ihre Schimpansenbeobachtungen berühmt, bei denen sie auch die Verwendung und dann sogar die Herstellung von Werkzeugen bei Schimpansen beobachtete. Ihr Buch “Wilde Schimpansen” habe ich als Teenager vermutlich so etwa 20 Mal gelesen – beim Wiederlesen vor ein paar Jahren fand ich es immer noch genau so faszinierend.)
Was tun also die Krokodile, um ihre Körperfunktionen zu erweitern? Die Werkzeuge, die sie verwenden, sind Stöcke, und sie legen sich diese auf ihre Schnauzen, um im Wasser besser getarnt zu sein:
Aus Dinets, Brueggen&Brueggen, s.u.
Beobachtet wurde dieses Verhalten zumindest anekdotisch bei Sumpfkrokodilen und – in einer längeren und systematischen Beobachtung – bei Alligatoren. Die Alligatoren legten sich die Stöcke nur während der Brutzeit der Reiher und Löffler auf ihre Schnauzen – also genau zu der Zeit, wo diese Vögel aktiv nach Stöcken suchen, um ihre Nester zu bauen. Die Stöcke dienen also den Krokodilen als Köder, um die Vögel anzulocken, und hatten damit auch tatsächlich Erfolg.
Krokodile können also tatsächlich Werkzeuge als Köder benutzen. Welcher Mechanismus dahinter steckt – woher die Tiere also wissen, dass sie mit Stöcken auf der Schnauze mehr Beute machen – ist allerdings noch vollkommen unklar. Hat es ein Krokodil durch Zufall entdeckt und andere haben es sich abgeguckt? Sind Krokodile schlau genug, um das Verhalten von Vögeln zu beobachten und daraus abzuleiten, dass es klug ist, sich Stöcke auf die Schnauze zu legen? Oder ist das Verhalten genetisch verankert? Wie so oft, wirft eine neue Entdeckung gleich wieder neue Fragen auf.
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