Bisher haben wir ein sehr simples Universum betrachtet – eins, in dem die Ausdehnung mit konstanter Rate passiert. In diesem Fall entstehen tatsächlich keine Kräfte durch die Expansion. Wenn sich aber die Rate der Ausdehnung mit der Zeit ändert, dann sieht die Sache anders aus. Nehmen wir wieder unsere beiden Teilchen im Abstand von einem Meter, diesmal in einem Universum ohne jede Expansion. Am Anfang sind sie in Ruhe zueinander, und das bleiben sie auch. Jetzt drücke ich auf den großen roten Knopf und schalte die Expansion des Universums ein. Zwischen den beiden Teilchen (die ruhig an ihrem Platz sitzen) entsteht jetzt jede Sekunde ein bisschen neuer Raum – also entfernen sie sich voneinander. Ihre relative Geschwindigkeit hat sich jetzt geändert – mit anderen Worten: Sie wurden relativ zueinander beschleunigt. Jetzt haben wir eine Beschleunigungskraft (die davon abhängt, wie schnell sich die Expansionsrate ändert) – um die Teilchen zusammenzuhalten, müssen wir jetzt also eine entsprechende Gegenkraft aufbauen.
Eine Kraft entsteht durch die Expansion des Alls also nur dann, wenn sich die Expansionsrate ändert – und tatsächlich findet man in allen papers zum Thema (zum Beispiel hier oder hier) immer nur Kräfte durch die Änderung der Expansionsrate (in den Gleichungen taucht immer die zweite Ableitung des Skalenfaktors des Universums, also die Änderung der Expansionsgeschwindigkeit, auf).
Von einem sich gleichmäßig ausdehnenden Raum merken aneinander gebundene Systeme also nichts, weil teilchen ja nicht an Raumpunkte “angeheftet” sind. Das wirft aber folgende Frage auf: Bedeutet das etwa, dass wir die Expansion des Universums gar nicht bemerken würden, wenn sie mit konstanter Rate stattfinden würde? Wie hat man sie dann jemals entdeckt?
Um das zu klären, stellt euch jetzt eine ganze Reihe von Teilchen vor, die alle anfänglich relativ zueinander in Ruhe sind. Jetzt schalten wir wieder per Knopfdruck die Expansion ein und lassen sie mit konstanter Rate ablaufen. Zwischen den Teilchen entsteht neuer Raum und so entfernen sie sich voneinander, und zwar um so mehr, je weiter sie entfernt sind. Aber könnten wir die Teilchen nicht – genau wie vorher beim Zwei-Teilchen-Beispiel – mit passenden Geschwindigkeiten versehen, so dass sich ihre Abstände nie ändern?
Ja, theoretisch könnten wir das – es würde aber bedeuten, dass wir jedem Teilchen ganz am Anfang eine ganz exakt definierte Geschwindigkeit zuweisen müssen, die genau zur (konstanten) Expansionsrate passt. Soweit ich es sehe, könnten wir in diesem Fall an der Teilchenbewegung tatsächlich keine Expansion feststellen, egal auf welchem Teilchen wir sitzen. Aber in unserem Universum hat niemand die Geschwindigkeit der Teilchen am Anfang passend festgelegt – sie waren im Mittel alle zueinander in Ruhe und fliegen deshalb mit der Ausdehnung des Raumes auseinander. Zwischen weit entfernten Teilchen wirken auch keine Kräfte, die die Teilchen zusammenhalten. Nur in einem perfekt abgestimmten Universum (oder in einem, in dem alle Teilchen aneinander gebunden sind) könnte die Teilchenbewegung die Expansion der Raumzeit “unsichtbar” machen.
Wie so oft zeigt sich, dass eine scheinbar einfache Frage durchaus ihre Tücken hat – und dass einfache Antworten, insbesondere, wenn man sie mit Hilfe von Analogien (wie den Münzen auf dem Ballon) findet, oft nicht so ganz richtig sind.
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