Hier aktuell die Antworten auf ein paar Fragen, die heute (und generell im Zusammenhang mit der Allgemeinen Relativitätstheorie) immer wieder auftauchen (ach so, Chemiker hat drauf hingewiesen, dass ich vergessen habe, auf meinen langen Artikel zu Gravitationswellen zu verlinken.).
Ach ja: Ich werde hier auch neue Antworten einbauen, wenn noch weitere Fragen kommen – lohnt sich also vielleicht, ab und zu mal reinzuschauen.
Bevor die Fragen kommen, hier noch ein Link mit einer Seite, die die Ergebnisse auch erklärt und die viele schöne Animationen enthält. (Dank an Niels)
Wenn die Gravitation lichtschnell ist, wie entkommt sie dann dem Schwarzen Loch?
Eine in der Tat naheliegende Frage. Ein SL (kurz für Schwarzes Loch) hat ja einen Ereignishorizont und alles was innerhalb des Horizontes ist, kann nie wieder nach außen. Würde man innerhalb des Ereignishorizonts eine Gravitationswelle erzeugen, dann würde die auch nicht nach außen gelangen können.
Mit dem Schwerefeld ist es aber anders. Dazu muss man sich folgendes überlegen: Die Einstein-Gleichung ist eine lokale Gleichung, das heißt alles, was “jetzt und hier” passiert, wird nur von dem beeinflusst, was “ganz in der Nähe vor ganz kurzer zeit” passiert ist. Direkt oberhalb des Ereignishorizonts ist die Raumzeit gekrümmt, weil sie auch am Ereignishorizont gekrümmt ist. Die Gravitation muss also nicht aus dem Inneren des SL entkommen, sondern kommt sozusagen vom Ereignishorizont. Das gilt übrigens auch für elektrische Felder – in Schwarzes Loch kann eine elektrische Ladung haben und erzeugt dann ein elektrisches Feld. Auch da ist es so, dass das elektrische Feld nur durch das beeinflusst wird, was in seiner unmittelbaren Umgebung passiert. Anschaulich kann man sich vorstellen, dass am Ereignishorizont die Zeit von außen betrachtet ja scheinbar unendlich langsam vergeht – also wird das Feld dort (egal ob elektrisches oder Gravitationsfeld) “eingefroren”.
Ein anderes Bild, mit dem man sich das Ganze veranschaulichen kann, ist das der “stürzenden Raumzeit”. Das habe ich hier erklärt.
Wurden jetzt Gravitonen nachgewiesen, also die Quantenteilchen der Gravitation?
Nein. Man hat jetzt Gravitationswellen direkt nachgewiesen. Dass diese Wellen aber quantisiert sind, lässt sich aus den Ergebnissen nicht zeigen. (Obwohl Kip Thorne bei der Pressekonferenz darauf hingewiesen hat, dass man immerhin eine Obergrenze für die Masse der Gravitonen angeben kann, die winzig klein sein muss.) Die Situation ist ähnlich wie bei den elektromagnetischen Wellen im 19. Jahrhundert. Als Hertz die nachgewisen hat, war das ziemlich analog zu dem, was wir heute erlebt haben: Von der Theorie vorhergesagte Wellen wurden nachgewiesen. Aber auch aus den Experimenten von Hertz ließ sich nichts über die Quantennatur des Lichts schließen.
Das Signal, das heute detektiert wurde, hatte ziemlich niedrige Frequenzen, so mit ein paar Schwingungen pro Sekunde. Die Frequenz ist also etwa um einen Faktor eine Billion kleiner als die der Strahlung des sichtbaren Lichts – entsprechend sind auch die Energien der Gravitonen winzig klein. (Mehr über Gravitonen und Quantengravitation findet ihr hier und hier.) Solche winzigen Quanten zu messen, wäre extrem schwierig.
Licht wird ja von Massen abgelenkt. Gravitationswellen auch?
Kurze Antwort: Ja. Gravitationswellen verhalten sich da ziemlich analog zu Lichtwellen – sie bewegen sich durch den Raum (auch wenn sie selbst Raumkrümmungen sind – stellt euch das analog vor wie eine Schallwelle, die sich durch ein Material ausbreitet) und werden entsprechend auch abgelenkt, wenn die Raumzeit gekrümmt ist. Weil die Gravitationswelle selbst auch Energie hat, erzeugt sie auch selbst ein Schwerefeld. In der Allgemeinen Relativitätstheorie kann das zu komplizierten Rückkopplungen der Raumzeitkrümmung mit sich selbst führen. Das ist auch der grund, warum die Gleichungen so schwer zu lösen sind. (Mathematisch gesagt: Die Gleichungen sind nicht-linear, während z.B. die Gleichungen der Elektrodynamik linear sind.)
Können diese bestätigten Theorien nun auch ein Fortschritt in der Raumfahrt bedeuten, sprich eines neuem Antriebssystems? (Aus den Kommentaren)
Nein, für’s erste nicht. Die Ergebnisse bestätigen ja nur die Theorie (auf eindrucksvolle Weise) und sie eröffnen ein neues Fenster für die Astronomie. Aber es gibt keine neuen Erkenntnisse, was die Natur der Raumzeit selbst angeht. Im Moment ist ein Warpantrieb zwar theoretisch möglich, aber um ihn zu konstruieren, bräuchte man einiges an neuer Physik. (Siehe zum Beispiel hier bei der englischen Wikipedia.)
Können Gravitationswellen miteinander wechselwirken?
Ja. Die Wellen, die wir hier detektieren können, sind vergleichsweise schwache Gravitationswellen. Die können in ähnlicher Weise miteinander wechselwirken wie Lichtwellen, es kann also zum Beispiel Interferenz geben, wen zwei Wellen aufeinandertreffen. Anders als die Gleichungen der Elektrodynamik sind die Einstein-Gleichungen aber nichtlinear – wenn Gravitationsfelder sehr stark werden, dann können sie sich in sehr komplizierter Weise beeinflussen. Anschaulich kann man sich das dadurch vorstellen, dass in einer Gravitationswelle ja Energie steckt, und Energie ist Masse (E=mc²), also erzeugen Gravitationswellen selbst auch Gravitation. (Während elektromagnetische Wellen keine neuen elektromagnetischen Felder erzeugen.) Siehe auch die Antwort oben zur Frage nach der Ablenkung im Schwerefeld.
Wir forschen seit Jahrhunderten und entwickeln schließlich eine Relativitätstheorie und ein LIGO, und kurz nachdem wir es einschalten, kommt die Gravitationswelle eines Block Hole Mergers des Weges und bestätigt alles, was wir vermutet haben. Ich glaube nicht an solche Zufälle. Lässt sich aus diesem Ereignis sinnvoll ableiten, dass Schwarze Löcher viel häufiger verschmelzen, als wir bisher dachten? Gibt es überhaupt irgendwelche Abschätzungen darüber? (frage von schlappohr in den Kommentaren)
Das wurde gestern auch bei der Pressekonferenz gefragt. Ja, das paper enthält eine Abschätzung dazu, wie häufig solche Ereignisse sind. Man hat jetzt in der bisherigen Messzeit ein solches Ereignis gesehen, also sollten etwa 2-400 solche Ereignisse pro Jahr und Kubik-Gigaparsec stattfinden. Das paper sagt:
This is consistent with a broad range of rate predictions as reviewed in [114], with only the lowest event rates being excluded.
Das Ereignis ist also nicht so unwahrscheinlich – ein bisschen Glück gehört natürlich auch dazu.
Man muss auch bedenken, dass es auch nicht der erste Gravitationswellendetektor ist, der je in Betrieb gegangen ist. Bisher wurden aber keine Signale gemessen. Insofern haben wir die Messgenauigkeit eben immer weiter erhöht und irgendwann ist es dann halt soweit und eine Messung klappt.
Warum wird von einem neuen Zeitalter der Astronomie gesprochen?
Bisher haben wir nahezu alle Kenntnis über das Universum aus der Messung von elektromagnetischen Strahlen (Licht, Radiowellen, Röntgenquellen). Ein paar Informationen bekommen wir aus der Neutrino-Astronomie (z.B. bei der Supernova von 1987), aber große Mengen Neutrinos bekommen wir nur von der Sonne. Jetzt haben wir die Möglichkeit, Dinge zu beobachten, die kein Licht aussenden, wie beispielsweise eben zwei Schwarze Löcher, die verschmelzen. Wenn man die Detektoren verbessert, dann kann man eines Tages auch weiter ins All hinausschauen – und in der Astronomie bedeutet das immer auch, dass man weiter in die Vergangenheit schaut. Im frühen Universum gab es Objekte wie Quasare, die extrem lichtstark sind und unglaublich viel Energie abstrahlen. Vielleicht können wir mit der Gravtitationswellen-Astronomie auch darüber mehr herausfinden. Mehr darüber auch hier beim Nachbarblog. Hier findet ihr auch sehr viel zum Thema, allerdings auf Englisch.
Was würde passieren, wenn man in der Nähe der verschmelzenden Schwarzen Löcher wäre? Würde man durch die Gravitationswellen zerrissen werden?
Dazu machen wir eine grobe Abschätzung: Die Stärke der Raumverzerrung einer Gravitationswelle sinkt linear mit der Entfernung. (Irgendwo in einem Kommentar hatte ich angenommen, dass das quadratisch geht, aber das war Quatsch.) Wenn ihr also zehnmal dichter an die Quelle des Signals herangeht, wird die Raumverzerrung zehn mal größer. Auf der Erde haben wir eine Amplitude der Dehnung von etwa 10^-21 gemessen, ein Meter wird also um 0,000000000000000000001 Meter (21 Nullen) gedehnt oder gestaucht. (Zur Erinnerung: 10 hoch x, geschrieben 10^x, bedeutet eine Eins mit x Nullen. 10^3 ist also 1000 (Tausend), 10^6 ist 1000000 (eine Million). Wenn oben ein Minuszeichen steht, dann ist das 1 geteilt durch die zahl, 10^-3 ist also 1/1000=0,001. Schreibt in dem Fall so viele Nullen, wie im Exponenten stehen, dann eine 1 dahinter und hinter die erste Null das Komma.)
Bei normaler Alltagsverformung von Objekten haben wir Dehnungen im Bereich von einigen Promille oder Prozent. Wenn ihr eine Büroklammer verbiegt, dann beginnt die plastische (also die bleibende) Verformung, wenn ihr eine Dehnung von etwa 0,2% aufbringt, also 0,002, Da wir ne grobe Abschätzung machen, mache ich daraus mal 0,001, dann muss ich keinen Vorfaktor 2 mitnehmen, und genauer ist mein Ergebnis eh nicht. Auch zum Beispiel unsere Knochen fangen bei Dehnungen in dieser Größenordnung an, kleine Risse zu bekommen (typischerweise so bei 0,3-0,4% Dehnung; für Galopprennen nimmt man übrigens extra junge Pferde, weil bei jungen Tieren die Bruchdehnung der Knochen etwas größer ist, so etwa bei 0,5%).
Wir haben also 10^-21 und wollen 10^-3 (0,001), das sind 18 Zehnerpotenzen. Wenn wir um einen Faktor 10 Dichter an die Quelle herangehen, steigt die Signalstärke um einen Faktor 10, also auf 10^-20. Wir müssen um einen Faktor 10^18 dichter an die Quelle heran, also 18 Zehnerschritte. Die Quelle ist etwa eine Milliarde (10^9) Lichtjahre entfernt. Ein Lichtjahr sind etwa 10 Billionen (10^13) Kilometer, insgesamt ist die Quelle also 10^22 Kilometer entfernt, wir wollen um einen Faktor 10^18 dichter ran, das macht also 10^4 Kilometer, also 10000 Kilometer. Das ist dichter an der Erde als ein Satellit in einer geostationären Umlaufbahn und mehr dreißig mal näher als der Mond (der ist so bei 360000 Kilometern).
Wenn allerdings zwei Schwarze Löcher mit zusammen über 60 Sonnenmassen auf diese Entfernung an euch herankommen, dann braucht ihr euch über die Gravitationswellen vermutlich keine Gedanken zu machen – die Erde wäre dann eh längst aus ihrer Umlaufbahn geworfen und dadurch, dass ein Teil der Erde den Schwarzen Löchern näher wäre als der andere, würde sie auch durch Gezeitenkräfte zerrissen werden.
Was bedeutet es eigentlich , wenn sich der Raum verzerrt? Was würde mit Materie passieren, wenn die Verzerrung des Raumes sehr groß wäre?
Die Antwort auf diese Frage ist etwas länger, deswegen spendiere ich ihr einen eigenen Text.
PS: Falls euch weitere Fragen einfallen, postet sie in den Kommentaren. Ich werde sie dann beantworten, allerdings nicht unbedingt in Echtzeit, aber bestimmt innerhalb der nächsten paar Tage.
PPS: Wer das Originalpaper lesen will: Findet ihr bei Was geht
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