Die Emotionen gehen hoch im Bezug auf den Entscheid einer grossen Mehrheit in der Abstimmung um ein Verbot vom Bau neuer Minarette. Ich bin da keine Ausnahme. Es wurde der Wunsch geäussert, dass eine politikwissenschaftliche Analyse viel passender wäre für dieses Blog als meine Klagen. Gerne würde ich dem Wunsch entsprechen, kann aber leider nicht und dies nicht etwa weil das Thema zu emotional ist.

In der NZZ findet man heute ein Interview mit einem Michael Hermann zur Minarett-Verbots-Initiative, der im Lead als ‘Politikwissenschaftler’ vorgestellt wird. Er scheint aber kein eigentlicher Politikwissenschaftler zu sein, sondern Geograph. Dies ist nicht wirklich relevant im Hinblick auf die Kritik die hier folgen wird und soll hier nur der vollständigkeitshalber erwähnt sein. Ich denke solche Ungenauigkeiten führen eben zu einer verzerrten Wahrnehmung in der Öffentlichkeit wo Politikwissenschaftler nicht wirklich von Polit-Kommentatoren unterschieden werden (auch Politikwissenschaftler könne als solche auftreten). Nun aber zum Interview.

Eigentlich sagt Herr Hermann im ersten Satz alles was aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive wirklich gesagt werden kann:

Es gibt noch keine empirischen Daten zum Entscheid. Folglich können erst Vermutungen angestellt werden.

Leider geht es dann los mit den Vermutungen. Hier ein paar Beispiele und warum ich denke, dass solche Aussagen dürftige Spekulationen und wenig hilfreich sind.

Beweisstück No. 1:

Eine Vermutung, die dabei sehr nahe liegt, ist, dass es neben dem klassischen rechten Ja, welches sich gegen das Fremde richtet, auch ein weibliches Ja gibt. Letzteres richtet sich vor allem gegen die teilweise als aggressiv männlich wahrgenommene Kultur des Islams.

Ich vermute die Idee entspringt der Tatsache, dass erste Umfragewerte einen relativ hohen Ja-Stimmenanteil bei den Frauen feststellten. Die Umfragen erwiesen sich nun aber im nachhinein als sehr ungenau heraus. Mir fallen drei mögliche Gründe dafür ein: Entweder weil eine Meinungsverschiebung stattgefunden hat (eine Umfrage ist immer nur eine Momentaufnahme), weil die Messmethode ungenügend war oder weil man ganz einfach Pech hatte und darum die Befragten nicht so repräsentativ waren wie sie statistisch hätten sein sollen (solche Umfragen sind nur innerhalb einer gewissen Fehlerquote mit einer spezifischen Wahrscheinlichkeit repräsentativ). Wie auch immer, die Umfrage ist bestimmt eine schlechte Grundlage für Vermutungen.

Noch störender finde ich, dass nicht nur angenommen wird, dass es ‘auch ein weibliches Ja’ war sondern auch noch gleich die Motive dazu geliefert werden. Man weist einer Gruppe (überdurschnittlich hoher Frauen-Ja-Stimmenanteil) also Motive zu, ohne zu wissen ob sie in dieser Form existiert. Ich weiss wirklich nicht auf was diese Vermutung basiert. Sie wirkt auf mich wie das politische Äquivalent zu ‘bei meiner Tante hat Homöopathie gegen Kopfschmerzen gewirkt’ Schlussfolgerung.

Beweisstück No. 2

Mir ist aufgefallen, dass in Basel die Ablehnungsrate tiefer ist als üblich. Das erkläre ich mir damit, dass hier die Migration sehr stark durch die türkische Minderheit geprägt ist. Hier ist der Islam realer und stärker präsent als anderswo.

Erstens werden hier zwei Variablen miteinander in Verbindung gebracht, die nicht zwangsläufig in Verbindung stehen. Der Nein-Stimmen-Anteil korreliert in dieser Logik mit so ziemlich allem was es in Basel gibt aber nicht in Genf, Zürich und Lausanne (darauf bezog sich die Frage).

Zweitens vermute ich, verwendet Hermann hier Vergleichsgrössen die kaum hilfreich sind. Was meint er mit ‘als üblich’? Ich gehe davon aus, dass er sich auf vorher erwähnte Integrationsabstimmungen bezieht. Abstimmungen zu unterschiedlichen anderen Themen können ohne Daten die das untermauern kaum herangezogen werden um eine Abweichung zu erklären. Sind die Themen nun vergleichbar oder nicht? Was ist an der Präsenz der türkischen Minderheit nun anders in diesem Zusammenhang? Diese Spekulation bedingt mehre Annahmen die nicht präzisiert oder belegt werden.

Drittens geht Herr Hermann hier davon aus, dass wegen der Präsenz der türkischen Minderheit, der Islam in Basel stärker präsent sei. Ich bin in der Region aufgewachsen und lebe nun in Genf und ich kann versichern, dass die Präsenz des Islams (gerade in seiner dogmatischeren Variationen) in Genf stärker ist, nicht zuletzt weil Genf ein beliebtes Reiseziel für Personen aus den Golfstaaten ist. Man müsste also zuerst einmal klarstellen was mit ‘starker Präsenz’ eigentlich gemeint ist. Dazu kommt, schaut man sich die Abstimmungskarte an, dass es eher wirkt als ob die Präsenz von Muslimen mit Nein Stimmen korreliert, wenn man den schon spekulieren will (und ich glaube das sagt Hermann später ja auch indirekt wenn er sagt: “Viele Städter suchen und bejahen ein mulitkulturelles Umfeld und den Kontakt mit Fremden”). Hier widerspricht sich Hermann in seinen Vermutungen.

Beweisstück No. 3

Frage: Darf man also daraus ableiten, dass das Abstimmungsresultat auf das Bildungs- und Lohnniveau zurückgeht?

Antwort: Auch wenn das nicht der einzige Faktor ist, so doch ein ganz gewichtiger. Dabei nimmt Bildung gegenüber dem Salär vermutlich die bedeutendere Rolle ein.

Hier gibt Herr Hermann eine Antwort die er schlicht nicht geben kann. Einkommen und Bildung sind zwar klassische Variablen die man studiert um Abstimmungs- und Wahlverhalten zu analysieren. Wie er zu diesen Schlüssen kommt ist mir völlig unerklärlich. Mein Bauch sagt mir auch, dass es ein tieferer Bildungsstand eher ein ‘Ja’ bewirkte. Mein Bauchgefühl ist aber keine Wissenschaft. Herr Hermann könnte hier das Gegenteil behaupten und es wäre ebenso plausibel.

Dies sind nur drei Beispiele. Hermann wiederholt diese ‘Fehler’ ohne sie zu deklarieren. Motivationen werden zugeschrieben und grobe Korrelationen als Kausalitäten dargestellt. Auf dieser Basis wiederum spinnt er seine Vermutungen weiter. So baut er ein spekulatives Kartenhaus, welches in sich zusammenbrechen wird, wenn nur eine seiner vielen Annahmen sich als falsch herausstellt.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Spekulationen sind durchaus legitim und sollen gemacht werden. Sie sollten aber nicht als Politikwissenschaft verkauft werden. Ich glaube durchaus dass ein Politikwissenschaftlerin oder -wissenschaftler (oder in diesem Fall ein Humangeograph) vielleicht auf Grund von Erfahrungswerten etwas besser spekulieren kann als andere, aber es ist nicht Wissenschaft und das sollte klar gesagt und deklariert werden. Bei jedem Argument und nicht nur halbherzig am Anfang. Oder sonst soll man es bleiben lassen.

Was mich aber wirklich stört ist, dass diese Interpretationen sich dann festsetzen. Wenn die wirkliche Analyse Wochen später kommt, wird sie viel weniger wahrgenommen. Ein Jahr später erinnern sich alle an die Interpretation, die noch in der heissen Phase gemacht wurde (meist am Abstimmungsabend). Dazu kommt, dass wegen solchen Spekulationen dann häufig Dinge in die Auswertung gelesen werden, die gar nicht drin stehen. Wie man zum Beispiel bei diesen (oben schon verlinkten) Resultaten von ‘Es wird knapp’ titeln kann, ist mir ein Rätsel (nun wurde es nicht einmal knapp, aber ging in die andere Richtung).

Kommentare (42)

  1. #1 Thilo Kuessner
    Dezember 1, 2009

    Dein “Beweisstück No2” scheint auf einem Mißverständnis zu beruhen. Herrmanns Statement

    Mir ist aufgefallen, dass in Basel die Ablehnungsrate tiefer ist als üblich. Das erkläre ich mir damit, dass hier die Migration sehr stark durch die türkische Minderheit geprägt ist. Hier ist der Islam realer und stärker präsent als anderswo.

    ist doch (offensichtlich) so gemeint, daß in Basel WENIGER Leute als anderswo FÜR DAS VERBOT von neuen Minaretten gestimmt haben und daß dies damit zusammenhängen könnte, daß türkische Moslems in Basel präsenter sind als anderswo, weshalb die Wähler eben weniger irrationale Ängste vor einer Islamisierung haben als in Gegenden, wo das nicht der Fall ist. Er sagt also genau dasselbe wie Du, daß die Präsenz von Muslimen mit Nein-Stimmen zum Minarett-Bau-Verbot korreliert.

    Nebenbei bemerkt haben wir in Deutschland denselben Effekt: die Ausländerfeindlichkeit ist am höchsten in den Gegenden Ost- und Süddeutschlands, in denen es überhaupt keine Ausländer in nennenswerter Zahl gibt. (Ohne daß ich da jetzt genaue Statistiken kennen würde.)

  2. #2 ali
    Dezember 1, 2009

    @Thilo

    Ich würde dies auch für die logische Interpretation halten (eben wegen des von dir erwähnten und bekannten Effekt) und habe es darum zitiert. Die Aussage ist nicht nur reine Spekulation sie widerspricht dazu bekannten Mustern. Ich hab den Abschnitt deshalb auch zweimal gelesen und du hast mich wieder verunsichert.

    Ich verstehe es aber so, dass in Basel die Ablehnung der Initiative (und nicht der Minarette) tiefer war als in den anderen Kantonen die sie ebenfalls abgelehnt haben. Genf und Waadt hatten soweit ich das überblicke einen höheren Nein Stimmenanteil und Neuenburg einen tieferen als Basel. Ansonsten stimmt die Aussage von Hermann nicht mit den Zahlen überein. Aber vielleicht habe ich irgendwo einen Knoten.

  3. #3 Thilo
    Dezember 1, 2009

    Kann sein, daß es in Genf noch mehr Nein-Stimmen gab als in Basel. (Ich habe nur eine Zusammenfassung gelesen und kenne jetzt die genauen Zahlen nicht.)

    Aber jedenfalls war innerhalb der Deutsch-Schweiz Basel der EINZIGE Kanton, der mit Nein gestimmt hat. Und darauf nimmt Herrmann doch offensichtlich Bezug.

    (Daß in der französischen Schweiz mehr Kantone mit Nein gestimmt haben, ist richtig. Aber das ist dann noch einmal ein anderes Thema.)

  4. #4 ali
    Dezember 2, 2009

    Frage: Dem Minarettverbot eine klare Absage haben die Städte Zürich, Genf und Lausanne mit über 60 Prozent Neinstimmen erteilt. Die Anteile anderer Städte liegen um die 50-Prozent-Marke. Weshalb ist das so?

    Antwort: Mir ist aufgefallen, dass in Basel die Ablehnungsrate tiefer ist als üblich. Das erkläre ich mir damit, dass hier die Migration sehr stark durch die türkische Minderheit geprägt ist. Hier ist der Islam realer und stärker präsent als anderswo.

    Warum meinst du, dass Hermann sich auf die Deutschschweiz bezieht? Die Frage, die er beantwortet betrifft explizit “Zürich, Genf und Lausanne” (eine Deutschschweizer Stadt und zwei in der Romandie). Verpasse ich immer noch irgendwas?

    Es ist übrigens auch nicht erstaunlich, dass Basel mit der tendenziell linkeren Französischen Schweiz stimmte, auch das ist traditionell so (hat vermutlich auch damit zu tun, dass der Kanton Basel kaum Umland hat und somit urbaner ist). Schon alleine deswegen denke ich nicht, dass er sich nur auf die Deutschschweiz bezieht.

  5. #5 Thilo Kuessner
    Dezember 2, 2009

    Also, die Schweiz hat 26 Kantone.
    Nach der Pressemeldung, die ich gelesen hatte, haben nur 4 davon mit Nein (zum Verbot von Minarettbauten) gestimmt, nämlich Basel-Stadt, Geneve, Pays de Vaud und Neuchatel.

    Insofern würde es m.E. keinen Sinn machen, Basel jetzt gerade als Beispiel für eine hohe Zahl von Minarettgegnern anzuführen.

  6. #6 Giorgio Girardet
    Dezember 2, 2009

    Hallo Ali, habe im Blog etwas zur Minarett-Initiative gelesen und von Dir erfahre ich, dass Du Militärdienst geleistet hastund an einer Dissertation bist (die musst aber etwas stringenter texten als hier!). Du legst eine riesige Emphase auf die “Rechtsstaatlichkeit”. Folgendes schrieb Jeremias Gotthelf 1851 als wütender Konservativer:
    “Es ist sehr merkwürdig, wie die moderne Staatsjungen faseln. Ehedem wetteiferte jeder Staat um die Ehre, sich einen christlichen zu heissen, ja es gab sogar einen König, welcher sich anmasste, der allerchristlichste heissen zu wollen. Gegenwärtig ist ein kindisches Renommieren an der Tagesordnung, ein sich Schämen alles Christlichen, daher die dumme Rednerei, kein christlicher, sondern ein Rechtsstaat sein zu wollen. Darunter kann man nicht verstehen einen Staat, wo Recht und Gerechtigkeit herrschen. Denn wo sind diese, wo man nicht mehr christlich sein will, und so sind sie in den Ländern zu finden, die sich als Rechtsstaaten proklamiert haben? Das kann nichts anders heissen sollen als ein Staat voll Rechtsgelehrte und Rechtshändel! Dass Gott erbarm! Wären nicht Heuschrecken besser und allerlei Fieber? Und trotz allem Geplapper von Rechtsstaat sind wir doch eigentlich ein Gottesstaat geblieben und gottlob, dass wir es geblieben sind. Gottlob, der Grundsatz herrscht trotz allen Namen dem Wesen nach noch unter uns, alle Obrigkeit sei von Gott, aus Gottes Gnaden, und alle Ordnung sei von Gott, sei in seinem Namen und unter der Verantwortung gegen ihn zu verwalten.”

    Und noch eine Frage: nach dem Amok-lauf von Ford Hood: Wie siehst du die Sachlage bezüglich Christen, Juden und Muslime in der gleichen Schweizer Armee? Müsste nicht der Muslim den Fahneneid verweigern, weil da ein Kreuz auf der Fahne ist? Und könntest du dich auf einen muslimischen kameraden verlassen, wenn es zu einem Einsatz gegen Muslime kommt? Das sind die “Extremfragen”, die das Volk umtreiben.

  7. #7 Thilo Kuessner
    Dezember 2, 2009

    Ich habe erst jetzt das Interview selbst gelesen (im Büro hatte ich keinen Zugriff auf den NZZ-Artikel). Du hast natürlich recht, daß Herrmann sagen wollte, in Basel hätten weniger Leute mit ‘Nein’ gestimmt als in anderen Städten.
    Wobei es natürlich dabei bleibt, daß Basel im Vergleich zum Umland (wo sicherlich weniger Türken leben) mehr ‘Nein’-Stimmen hat.
    Die Schweizer Einteilung in Kantone in schon etwas verwirrend. Warum ist Basel-Stadt ein eigener Kanton und Zürich-Stadt nicht?

  8. #8 Thilo Kuessner
    Dezember 2, 2009

    Der Herr Girardet ist jedenfalls nicht aus Basel, sondern aus der Züricher Gegend…

  9. #9 Spaceman Spiff
    Dezember 2, 2009

    Die Behauptung dass Bildung ein gewichtiger Faktor war ist nicht nur ein Bauchgefuehl
    https://tagesschau.sf.tv/hintergrund/abstimmungen/abstimmung_vom_29_november_2009/volksinitiative_gegen_den_bau_von_minaretten/anti_minarett_initiative_ja_lager_legt_leicht_zu
    Hohes Bildungsniveau: 69%Nein 24%Ja
    Mittel: 39%Nein 49%Ja
    Niedrig: 37%Nein 53%Ja

  10. #10 Dagmar Behrendt
    Dezember 2, 2009

    “Der Herr Girardet ist jedenfalls nicht aus Basel, sondern aus der Züricher Gegend…”

    Thilo Küssner, könnten Sie diese dämliche Schnüffelei nach der Herkunft langsam mal sein lassen? Was wollen Sie damit überhaupt sagen? Dieses Verhalten ist wirklich unangenehm! Argumentieren Sie lieber!

  11. #11 ali
    Dezember 2, 2009

    @Giorgo Girardet

    Ich verzichte gerne auf deine Tipps wie ich meine Dissertation zu schreiben habe. Dasselbe gilt für mein Blog. Wenn du das Gefühl hast, dass es einem Argument an Stringenz fehlt, freue ich mich über eine inhaltliche Auseinandersetzung. Ansonsten zwinge ich dich nicht zum Lesen und du darfst gerne samt Überheblichkeiten und Gotthelfzitaten woanders hausieren gehen.

    Ich weiss nicht was ich das schwächere Argument finde, dass du tatsächlich propagieren möchtest, dass ein Staat nur ein Rechtsstaat sein kann, wenn es ein christlicher Staat ist (du kannst natürlich wie Gotthelf ‘Rechtsstaat’ einfach so definieren) oder dass du tatsächlich das Gefühl hast, dass ein Zitat von 1851 (welches auch die Staats- und Religionssicht aus dieser Zeit widerspiegelt) in dieser Debatte irgendetwas substantielles beizutragen hätte.

    Mit Fort Hood hat das hier übrigens gar nichts zu tun. Selbst wenn es hätte: Ich kann auch nicht urteilen wessen himmlischer Chef ein Problem mit Kreuzen und Halbmonden oder Fahneneiden hat und weiss nicht warum ich da irgendeine Autorität hätte (im Gegensatz zu so vielen Ja stimmenden übrigens, die kein Problem damit haben, für andere Religionen zu bestimmen, was welchen Stellenwert haben soll).

    Ich habe übrigens nie behauptet ich hätte Militärdienst geleistet.

    Und noch was da wir es schon von voreilligen Einschätzungen haben; du hast mir bei Ronnie Grob folgendes unterstellt:

    Als Teutone kennst du Calvin nur in der Hass-Version des verzweifelten deutschen Kulturjuden Stefan Zweig: das ist leider bis heute der bildungsbürgerliche deutsche Konsens: da werde ich gegen Beton in deinem Kopf anrennen.

    Wie wäre es mit einer kleinen Entschuldigung in Anbetracht dass ich als Schweizer seit zwölf Jahren in der Calvin Stadt Genf lebe (übrigens als wenig relevantes Detail buchstäblich nur wenige Meter von Calvins Grab entfernt)? Wenn du dachtest ich hätte wegen meiner Kultur Calvin weniger gut verstanden als du, müsstest du doch als Umkehrschluss in Anbetracht dieser neuen Information akzeptieren, dass ich aus kultureller Nähe mehr zu Calvin zu sagen habe als du (so wegen Zürich zum Beispiel). Oder gilt ein auf die Person gerichtetes Scheinargument nur, wenn es dir hilft?

    @Thilo

    Die sperren bei dir bei der Arbeit die NZZ? Das ist aber brutal.

    Wobei es natürlich dabei bleibt, daß Basel im Vergleich zum Umland (wo sicherlich weniger Türken leben) mehr ‘Nein’-Stimmen hat.

    Würde ich generell auch vermuten (wobei ich da im spezifischen Fall nicht sicher bin, aber das hängt mit der etwas speziellen Situation in Basel und seiner Agglomaration zusammen, worauf ich hier nicht eingehen mag, da es eh nur reine Spekulation wäre).

    Baselland und Stadt Basel haben sich gespalten nachdem sich die Landbevölkerung gegen die Stadt aufgelehnt hatten. Beide Basel sind daher jeweils auch nur Halbkantone. Die Zürcher hatten ihre Bauern anscheinend besser im Griff.

    @Spaceman Spiff

    Mir war diese Aufschlüsselung nicht bekannt (aber wie schon geschrieben, sie scheint Erfahrungswerte zu bestätigen). Wie auch immer, wenn Herr Hermann diese Zahlen im Kopf hatte, bezieht er sich auch auf eine Umfrage die etwas anderes als das aktuelle Resultat zeigte und ist darum wenig hilfreich zur Interpretation der Resultate.

    Ausserdem steht dort auch “Beschränkt signifikant spielt die soziale Einbettung der Stimmenden eine Rolle.”[meine Betonung] (was ‘beschränkt signifikant’ in diesem Zusammenhang heissen könnte bin ich mir nicht so sicher). Sollte sich Hermann tatsächlich auf die GFS Umfrage bezogen haben, hat er zudem andernorts diesen Satz vergessen: “Alter und Geschlecht nicht aussagekräftig.”

    (P.S.: Als Calvin and Hobbes Fan muss ich sagen, ich mag deinen Nick)

  12. #12 Karl Martell
    Dezember 3, 2009

    Off-Topic Doppelkommentar hier gelöscht

  13. #13 Politwissenschaftler
    Dezember 3, 2009

    @karl Martell—richtig erkannt bravo!!!!Ali ist ned buzzt

  14. #14 Julius Cäsar
    Dezember 3, 2009

    Der Kommentar von Karl Martell ist sehr emotional, aber auch wichtig. DIe Frage nach den doppelten Standards, mit denen immer öfter gemessen wird, wird man sicherlich aufwerfen müssen. Insbesondere hervorhebenswert erscheint es, dass sich vor allem die katholische Kirche und der Papst jede Beleidigung gefallen lassen muss. Und Bosbach hat gestern in “Hart aber fair” ein anderes Bsp. aus der Schweiz gebracht: Dort wurde der kath. Kirche per Volksabstimmung untersagt, die Grenzen ihrer Bistümer selbst festzulegen. Was geht das bitte schön die anderen an, könnte man ja hier auch mal fragen.
    Aber es gibt eine Antwort auf die vielen Fragen von Karl Martell: Mit der wachsenden Zahl der Moslems ist die Gewalt in der Politik größer geworden, so dass die Leute einfach Angst haben, die leicht reizbaren Moslems zu beleidigen. Irgend einer ist immer beleidigt, und dann ruft eben ein ägyptischer Muezzin zum Boykott von Ikea auf, wenn in Dänemark eine Zeitung harmlose Karikaturen veröffentlicht, und ein anderer tückt dann das Messer und sticht einen holländischen Politiker tot.

  15. #15 Andrea N.D.
    Dezember 3, 2009

    @Karl Martell:
    Bei so einer schlüssigen und überzeugenden Argumentation muss ich immer überlegen, warum ich trotzdem nicht überzeugt bin. Die Art der Argumentation erinnert mich stark an Huntington, der ja in dieser Richtung auch sehr viel Zuspruch erhalten hat, bis herauskam, dass seine Analysen bestenfalls einseitig interpretiert waren und er viele Dinge ausgelassen hat.

    Deine Argumentation leidet allerdings enorm unter den persönlichen Angriffen Alis gegenüber. Wer so etwas nötig hat, dessen Argumentationskette scheint enorm dünn (eher wirtshausparolenmäßig) – und genau so ist es auch:

    Das erste, was mir spontan einfällt, ist, dass natürlich eine Demokratie geschützt werden muss. Vor Kopftüchern, Minaretten und Befreiung vom Schwimmunterricht. Andererseits frage ich mich, ob eine Demokratie so etwas nicht aushält und lieber durch “Freiheit” überzeugt? Mich stört der paternalistische Grundton in Deinem Kommentar: Ich habe jetzt hier das Sagen und wenn es Dir nicht passt, geh woanders hin. Woher nimmst Du Dir dieses demokratische “Verp..Dichsagerecht”? Aus der demokratischen Staatsform? Die könnte mit derartigen Aktionen ganz schnell am Ende sein – ein Grundproblem der Demokratie.

    Der Hauptkritikpunkt an Deiner Argumentation ist jedoch das Übereinenkammscheren, die Blockbildung, die Du betreibst (gemäß Huntington): Wir sind wir, wir sind hier, wir sind die Guten – Ihr gehört nicht hier her, seid die Bösen. Dass ist schon ein arg undifferenziertes Bild der Welt, dass Du Dir da selektiv anhand einzelner Ereignisse angeeignet hast, und dies vor dem Hintergrund des Autors, der Dir ja eigentlich gezeigt haben sollte, dass die Welt so einfach nicht nach Deiner Schwarz-Weiß-Malerei funktioniert.

  16. #16 ali
    Dezember 3, 2009

    @Julius Cäsar

    Der Kommentar von Karl Martell ist sehr emotional, aber auch wichtig.

    und ausserdem über weite Strecken faktisch falsch.

    Grüsse übrigens deine Mitbewohner Politwissenschaftler, Jim, Zoltan und Schweizerdemokrat mit denen du die IP teilst!

  17. #17 Andrea N.D.
    Dezember 3, 2009

    @Ali:
    Deinen letzten Kommentar würde ich auch in den anderen Thread stellen – da wird doch vieles klarer.
    Der Kommentarbereich wird manchesmal wie die Demokratie pervertiert – eine traurige Analogie zum Thema.

  18. #18 Andrea N.D.
    Dezember 3, 2009

    @Ali,
    Warst schneller :-).

  19. #19 Politwissenschaftler
    Dezember 3, 2009

    @falsch spioniert ali ich versichere dass ich alleine bin aber sehrwarscheinlich benütze ich den gleichen anonymer-Server der jedem die gleiche IP pro Tag zuteilt was nicht bedeutet das einer der genanten tatsächlich mal den nick wechselt .ich nicht und jetz weiss ich auch warum soviele anonym surfen….

  20. #20 ali
    Dezember 3, 2009

    Vielleicht stimmt es vielleicht nicht.

    Vielleicht werden die IP Adressen auch nach politischer Ausrichtung verteilt. Es macht zumindest den Anschein.

  21. #21 Michael Hermann
    Dezember 3, 2009

    Interessante Debatte, die ich hier ausgelöst habe. Nur ein kleiner Kommentar zur Verwirrung um Basel:
    Basel war zwar der einzige Kanton der Deutschschweiz, der die Initiative abgelehnt hat – im Vergleich zu den vier anderen Grossstädten war die Zustimmung in Basel zur Initiative jedoch ausserordentlich hoch.

    Zustimmung zur Anti-Minarett-Initiative
    Bern 35,8%
    Zürich 36,4%
    Lausanne 37,8%
    Genf 37,0%
    Basel 47,4%

    In der öffentlichen Wahrnehmung stehen die Basler heute als die einsamen Ablehner der Deutschschweiz da. Das Problem ist nur, dass Basel als einziger Kanton, der praktisch nur aus Kernstadt besteht, strukturell nicht mit den anderen Kantonen vergleichbar ist. Nur der Vergleich mit anderen Grossstädten lässt eine realistische Einschätzung zu und da weicht das Resulat Basels massiv ab (auch im Vergleich zu anderen Abstimmungen zu verwandten Themen)
    Basel ist zugleich die Stadt der Schweiz, deren ausländische Bevölkerung am stärksten durch türkische Einwanderer geprägt ist (vor allen Kleinbasel ist dafür bekannt). Ein interessanter Zusammengang finde ich – aber natürlich keine kausale Erklärung.

  22. #22 ali
    Dezember 3, 2009

    @Michael Hermann

    Danke fürs Kommentieren. Es ist immer erfreulich wenn sich die angesprochenen selbst an der Debatte beteiligen.

    Tendenziell ist es doch in der Regel so, dass wo mehr Kontakt mit Fremden besteht, in der Regel eher ‘integrativ’ und ‘pro-Fremde’ abgestimmt wird. Warum soll die Anwesenheit der türkischen Immigranten plötzlich den gegenteiligen Effekt haben? Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich schliesse das nicht etwa aus. Ich denke aber dass diese Vermutungen einer Grundlage entbehrt (mal von einer trügerischen oberflächlichen Intuitivitiät abgesehen). In Unkenntnis der effektiven Daten müsste doch für die Spekulation zu der Korrelation irgend ein konkreter Anhaltspunkt vorhanden sein. Basel ist auch die fussbalverückteste Stadt und hat das höchste Gebäude der Schweiz. Das sind ebenfalls interessante Korrelationen oder?

  23. #23 Georg Hoffmann
    Dezember 3, 2009

    Eine Vorbemerkung und eine Relativierung, eine Fragen.
    Vorbemerkung: Waere ich Schweize, haette ich zugestimmt. Mir waer das egal, ob in der Zuricher oder Genfer City ein Minarett auftaucht.

    Relativierung: Ist schon klar, dass EIngliederung auch Symbole braucht etc pp. Aber ab un an wuenschte ich mir doch zu unterscheiden, zwischen alltaeglicher Diskrimination und echten Konsequenzen fuer das Leben der Betroffenen (Bei Jobs, Ausbildung und Befoerderung) und so etwas, sorry, eher nebensaechlichem ob ein islamisches Gotteshaus noch ein einen 20 Meterturm drangeklatscht bekommt. Die Schweizer haben nicht generell ueber die Anwesenheit islamischer Einwanderer entschieden.

    Frage: Wenn jetzt gesetzliche Bedenken von dir, Ali, auftauchen, dann verstehe ich die ganz gut. Aber ich verstehe nicht, warum der Vorwurf an den Waehler geht. Es muss vorher geklaert werden ob eine gesetzliche Regelung mit internationalen Regeln, Verfassung etc uebereinstimmt. Dann haette man eben nie Waehlen duerfen. Die Frage wurde gestellt, sie wurde konservativ, meinethalben reaktionaer entschieden. Es ist nicht das erste und wird nicht das letzte Mal sein. Warum aber eine Wahl als Gefahr fuer das Waehlenduerfen an sich kritisieren?

  24. #24 Georg Hoffmann
    Dezember 3, 2009

    @Ali

    Jetzt sehe ich erst, dass du teils darauf schon in Teil I geantwortet hast (Beileid uebrigens zu der Unzahl von Trollen). Ich formuliere mal vorsichtiger. Der Waehler ist zu ueberzeugen und nicht fuer daemlich zu erklaeren (machst du nicht, ich rede allgemein). Wenn was zur Wahl steht, muss man mit allen Alternativen nach der Wahl leben koennen oder es nicht zur Wahl stellen (da hoehere allgemeine Werte etc et betroffen sind).

  25. #25 Michael Hermann
    Dezember 3, 2009

    Unsere sozialgeographische Forschung zeigt, dass die Kontakthypothese, von der du ausgehst, nur die halbe Wahrheit ist (die Kontakthypothese besagt, dass räumliches Zusammenleben verschiedener ethnischer Gruppen zur gegenseitigen Toleranz führt).

    Neben der Kontakthypothese gibt es auch die Konflikthypothese, die besagt, dass räumliches Zusammenleben Konflikte und Gegensätze verstärkt. Welche Hypothese zutrifft, ist stark vom geographischen Kontext abhängig. Vergleicht man insgesamt den ländlichen Raum mit dem urbanen Raum, so trifft die Kontakthypothese zu. Innerhalb der Agglomerationsgemeinden stimmt dagegen die Konflikthypothese. Arbeitergemeinden mit einem hohen Anteil an Migranten haben der Initiative viel stärker zugestimmt als reiche Vorortgemeinden mit einem tiefen Anteil an unterschichtender „kulturfremden“ Migration.

    Da je nach Kontext die Kontakt- oder die Konflikthypothese zutrifft, gibt es bei Abstimmungen, die das Migrationsthema betreffen, meist keinen statistischen Zusammenhang zwischen Ausländeranteil und Toleranz gegenüber Migration. Die heute veröffentlichte Auswertung des statistischen Amts des Kantons Zürich zeigt, dass der Muslimanteil geringfügig positiv mit dem Ja-Stimmenanteil korreliert (im Kanton Zürich).

    Doch zurück zu Basel: Das Stimmverhalten der Stadt weicht ganz klar von jenem der Vergleichsregionen ab (was wirklich aussergewöhnlich ist, da zumindest die Deutschweizer Grossstädte in der Regel ähnlich stimmen). Wir wissen, dass innerhalb urbaner Räume vor allem die Konflikt- und nicht die Kontakthypothese zutrifft, deshalb ist es von mir aus gesehen, naheliegend, dass die atypische Stimmverhalten etwas mit der konkreten Migrationstruktur zu tun hat (und nicht mit dem FCB, zu dem man weiss Gott keinen stringenten Zusammenhang herstellen kann).

  26. #26 Michael Hermann
    Dezember 3, 2009

    @Ali

    Und wenn wir schon beim Argumentieren sind: Bei den Kommentaren zum Interview in der NZZ Online hat ja vor allem meine Aussage zum Bildungsniveau zu heftigen Reaktionen geführt. Und auch du hast diese Aussage kritisiert. Klar gibt es jetzt noch keine Individualdaten-Analyse. Das räumliche Muster der Zustimmung zeigt jedoch eine starke negative Korrelation zwischen Anteil an tertiär Gebildeten in einer Gemeinde und dem Ja-Stimmenanteil. Ausserdem haben wir einen sehr grossen Gegensatz zwischen der Zustimmung im Parlament zu Initiative (27,8% Ja-Stimmen im NR) und der Zustimmung in der Bevölkerung (57,8%). Wir haben eine sehr lange Tradition an Volksabstimmungen in der Schweiz und immer wenn es diese beiden Muster gibt, dann liegt ein starker Bildungsgraben vor (was natürlich nicht heisst, dass nicht auch viele tertiär Gebildete Ja gestimmt hätten). Da ich die Abstimmungen in der Schweiz seit 12 Jahren untersuche, masse ich mir an, diesen Zusammenhang herzustellen (insbesondere weil mich der Interviewer dazu befragt hat) und ich habe im Interview auch darauf verwiesen, dass die Vox-Analyse genaueres zeigen wird.

    Ich denke, dass ich auch ziemlich nüchtern dargelegt habe, warum es diesen Zusammenhang gibt. Viele Leute fühlen sich von dem hergestellten Zusammenhang jedoch extrem angegriffen. Die Bildungsfrage ist eben fast so heikel und emotionsgeladen wie die Religionsfrage….

  27. #27 ali
    Dezember 3, 2009

    @Michael Hermann

    Danke für die ausführliche Begründung. Ich komme heute nicht mehr zum Antworten, möchte aber gerne die Diskussion weiterführen (eine sachliche Diskussion macht mir mehr wesentlich mehr Spass, als mich im anderen Thread beschimpfen zu lassen).

    Grundsätzlich möchte ich für den Moment festhalten, dass ich nicht in Abrede stelle, dass diese Zusammenhänge existieren könnten, einige (z.B. die Bildungsfrage halte ich sogar für sehr plausibel). Meine Kritik ist mehr, dass der Eindruck entsteht dies sein empirisch belegt (und trotz deines Disclaimers am Anfang des Interviews kolportiert die NZZ die Statements nun fleissig).

    Eine ausführlichere inhaltliche Antwort folgt morgen.

    Und noch eine Randbemerkung: Vielleicht bestätigt die emotionale Reaktion auf die Bildungsthese, gerade diese, da sich wohl vor allem ‘Ja’ stimmende betroffen fühlen (daher auch interessant, dass sie hier im Blog [noch] keine hohen Wellen geworfen hat).

  28. #28 itz
    Dezember 3, 2009

    Grüezi @Michael Hermann
    “Die Bildungsfrage ist eben fast so heikel und emotionsgeladen wie die Religionsfrage….”
    A propos…
    Gibt es auch Daten über das Abstimmungsverhalten der verschiedenen Konfessionen?
    So viel ich weiß waren die Kirchen gegen die Initiative.
    Waren nur die geistlichen Führer dagegen, während das gläubige Fußvolk dafür stimmte?
    Spielte Religion und Religiosität überhaupt eine Rolle?
    MfG

  29. #29 Julius Cäsar
    Dezember 4, 2009

    @Ali
    “… und ausserdem über weite Strecken faktisch falsch.”
    Den Beitrag haben Sie leider gelöscht. Nun können wir nicht mehr diskutieren, ob er falsch oder richtig ist. Wenn ich ihn richtig in Erinnerung habe, hat der Kommentator keine Sachaussagen gemacht, sondern in erster Linie seine Befindlichkeit zu Protokoll gegeben.

    “Grüsse übrigens deine Mitbewohner Politwissenschaftler, Jim, Zoltan und Schweizerdemokrat mit denen du die IP teilst!”
    Von der Technik, mit der das Internet läuft, verstehe ich nicht viel. Aber ich verstehe mehr als Sie. Denn mit Politikwissenschaftler, Jim, Zoltan und Schweizerdemokrat hab ich nichts zu tun. Aber das werden Sie mir vermutlich nicht glauben. Sie befinden sich auf dem besten Weg zu einer Verschwörungstheorie. Schade!

  30. #30 ali
    Dezember 4, 2009

    @Julius Cäsar

    Seufz. Der Beitrag wurde zweimal eingestellt und hier war er off-topic. Ich bin relativ grosszügig was ich stehen lasse (die meisten meiner Kollegen hätten den diffamierenden Stumpfsinn einfach gelöscht), ich lass mir in der Regel auch überdurchschnittlich viel gefallen hier. Ich habe den Kommentar von Karl Martell sogar verlinkt. Wenn du also darüber weiterdiskutieren möchtest, klicke einfach auf die blauen Buchstaben die sagen “Doppelkommentar hier” und es führt dich direkt (!) zum Text (du musst ihn nicht einmal suchen). Darunter findest du auch meine Antwort. Wenn du alles so genau liest bevor du Schlüsse ziehst überrascht mich gar nichts mehr.

    Zur Technik: Nein, ich bin kein IT Spezialist. Ich weiss, dass die meisten privaten keine fixe IP haben. Ich weiss auch dass es Anonymisierungs-Sites gibt, etc.

    Ich habe festgestellt, dass sich mehrere gegenseitige applaudierende Kommentare die gleiche IP benutzten, vermutlich keine echte e-mail Adresse angegeben haben und unter Pseudonymen veröffentlicht wurden (die IP gehört übrigens einem grossen Schweizer Internetprovider). Ich hab genug Diskussionen im Internet gesehen um zu wissen, dass man nicht an Verfolgungswahn leiden muss um Sockpuppets zu finden.

    Von Verschwörung kann übrigens keine Rede sein (wer würde sich den hier verschwören und was wäre der Plan?).

    Ich kann natürlich nicht zu 100% sicher sein und bin es mir auch nicht. Ich und einige der Kommentatoren führen die Diskussion hier unter ihrem Namen. Anonyme Kommentare sind erlaubt und das ist gut so. Wenn aber der Verdacht besteht, dass jemand dies ausnutzt, sollten dies die anderen Mitdiskutierenden wissen.

  31. #31 ali
    Dezember 4, 2009

    @Michael Hermann

    Nun habe ich Zeit gefunden etwas mehr im Detail zu antworten.

    Um es gleich vorwegzunehmen: Die Konflikthypothese ist mir von Studien her nicht bekannt (ist aber auch nicht mein Spezialisierung und es gibt bestimmt viel Literatur die ich nicht kenne). Sie ist mir vor allem aus dem politischen Diskurs bekannt. Eine entsprechende Quelle zu einer (oder mehreren Studien) würde mich interessieren, damit ich mich damit auseinandersetzen kann.

    Vergleicht man insgesamt den ländlichen Raum mit dem urbanen Raum, so trifft die Kontakthypothese zu. Innerhalb der Agglomerationsgemeinden stimmt dagegen die Konflikthypothese (…) Wir wissen, dass innerhalb urbaner Räume vor allem die Konflikt- und nicht die Kontakthypothese zutrifft

    Ist dies auch noch korrekt wenn man auf Einkommen (oder noch besser Sozialstatus) kontrolliert (was wohl ebenfalls mit dem Wohnort korreliert)? Unterscheidet ihr zwischen Agglomeration und urbanen Gebiet, weil das ist in den zitierten Aussagen etwas verwirrlich (das wäre wohl sehr wichtig für Basel, dessen Agglomaration zu grossen Teilen im Kanton Baselland liegt).

    Mal abgesehen davon, dass wir über Basel spekulieren, die (nota bene zur Zeit des Interviews noch nicht bekannten) Daten der Stadt Zürich scheinen mir nur beschränkt die Aussagen zu belegen (ich beziehe mich auf die Grafik auf Seite 6). Die Verfasser des Berichts scheinen diese Meinung zu teilen:

    Ins Modell ebenfalls aufgenommen haben wir den Anteil der muslimischen Bevölkerung, um zu testen, ob der Kontakt mit dieser Bevölkerungsgruppe einen Einfluss auf die Zustimmung zur Minarettinitiative hat. Der Parameter ist zwar positiv und knapp signifikant, hat aber einen sehr geringe Effektgrösse, er erklärt nur etwa 3% der Gesamtvarianz. Mit anderen Worten: Ein höherer Muslimanteil scheint mit einer sehr geringfügig erhöhten Zustimmung zur Minarettinitiative ceteris paribus einherzugehen [meine Betonung].

    Nun ebenfalls zurück nach Basel:

    Wir wissen, dass innerhalb urbaner Räume vor allem die Konflikt- und nicht die Kontakthypothese zutrifft, deshalb ist es von mir aus gesehen, naheliegend, dass die atypische Stimmverhalten etwas mit der konkreten Migrationstruktur zu tun hat

    Ist es das? Der FCB und der Messeturm waren natürlich bewusst gewählte Beispiele zur Überspitzung. Aber warum ist es naheliegend, dass es die Migrationsstruktur sein muss? Könnte es nicht auch naheliegend sein, dass in Basel zuerst die Plakate verboten werden sollten und dadurch die SVP besser mobilisierte? Könnte es sein, dass diese Abstimmung einfach nicht mit Integrationsabstimmungen vergleichbar ist und darum Basel mit der Deutschschweiz gestimmt hat? Von anderen weniger beachteten Faktoren ganz zu schweigen.

    Wie ich schon im Post schon geschrieben habe, denke ich zudem nicht, dass die Anzahl türkischstämmiger ein guter Proxy sind für den Islam (und somit für die Konflikthypothese), da zum Beispiel in Genf der Islam viel sichtbarer in Erscheinung tritt als in Basel (ich gestehe: persönlicher Eindruck von jemandem der in beiden Regionen gelebt hat, keine Daten). Aber es ist doch noch eine zusätzliche Annahme die getroffen werden muss.

    Ich konnte auf die Schnelle die Zahlen für die Stadt Genf nicht finden (bei Basel war es einfacher, da der Kanton mehr oder weniger der Gemeinde entspricht). Du hast diese bestimmt griffbereit. Im kantonalen Vergleich liegt Genf etwas tiefer (ca. 2%) was die muslimische Bevölkerung betrifft, ich nehme aber an, dass dieser Wert für die Stadt Genf anders ist und sich dem von Basel annähert. Oder wohnen die Muslime in Genf tatsächlich gleichmässig über den ganzen Kanton verteilt?

    Wie auch immer, es kann durchaus sein dass du Recht hast. Es war gar nie mein primäres Ziel über die Korrektheit von Spekulationen zu spekulieren. Das Problem liegt woanders und du bist dir gemäss dem Eingangszitat dessen sehr bewusst: Wir haben keine Daten. Das muss den Medien klar gemacht werden. Inzwischen hausiert die NZZ mit zum Beispiel dieser Frage an Reimann: “Es scheint, dass sich in der Tendenz Menschen für ein Ja entschieden haben, die in direktem Kontakt mit den problematischen Seiten des Islam stehen – eher jüngere Wähler, eher Frauen.” Die TAZ schreibt: “Frauen stimmten gegen Minarette – Ausschlaggebend für die Mehrheit gegen Minarette in der Schweiz war laut Forschern die Zustimmung von linksgerichteten Frauen. Sie wollten ein Zeichen gegen eine autoritäre Kultur setzen.” oder man findet solches in den Medien: “Die Frauen natürlich – Für das Schweizer Minarett-Verbot haben nicht nur die reaktionärsten Kräfte gestimmt, sondern auch die progressivsten”. Auf die Schlagzeile: “Wir können nur Spekulieren ohne empirische Daten! – Keine Analyse” warte ich noch.

    Ich bin mir sicher, dies Vermutung wird von einigen Medienerzeugnissen in den VOX Analyse hineingelesen werden. Es wird auch als “allgemeines Wissen” in den politischen Diskurs eingehen. Egal was die Zahlen anschliessend zeigen werden. Da haben Experten eine gewisse Verantwortung. Ausserdem kämpft man dann in den Politikwissenschaften mit der Tatsache, dass die Öffentlichkeit informiertes Spekulieren mit der wissenschaftlichen Arbeit die wir leisten verwechselt. Wie man in den US sieht, kann dies gefährliche Konsequenzen haben für das Fach.

    Die Medien evaluieren nicht die Plausibilität der Konflikthypothese oder was auch immer. Sie nehmen die Expertenmeinung als wissenschaftliches Resultat. Da müssen wir vorsichtig sein. Das ist meine Hauptkritik.

  32. #32 ali
    Dezember 5, 2009

    Claude Longchamp scheint ebenfalls diese Lesart des Zürcher Ergebnisses zu bevorzugen.

  33. #33 Webbaer
    Dezember 6, 2009

    Zur Technik: Nein, ich bin kein IT Spezialist. Ich weiss, dass die meisten privaten keine fixe IP haben. Ich weiss auch dass es Anonymisierungs-Sites gibt, etc.

    Richtig, auch die Anmerkungen in der Folge…
    Zensur im Web funktioniert nicht so ohne weiteres, eigentlich gar nicht.
    MFG, WB

  34. #34 Giorgio Girardet
    Dezember 8, 2009

    Per google-Alert habe ich nachricht von der grossen Watsche bekommen, die mir hier der grosse Ali verabreicht hat. Wenn ein angehender Poltitologe, das was einer der grössten Dichter der Schweiz drei Jahre nach der Gründung des Bundesstaates aufgeschrieben hat, weder als relevant betrachtet, noch es irgendwie diskursiv einordnen kann, dann sehe ich für die Zukunft tatsächlich sehr schwarz. Viel Spass beim theoretischen Erbsenzählen, Zeitungsmilimeter-Ausmessen und Voten und Klick-counten, vertieft euch weiter in eure schwurbeligen Theorien: Das “Ja” war voraussehbar. Für alle die in der Realität leben und nicht in virtuellen Parallelwelten. Wenigstens habe ich gelernt, dass ich zu den 26% mit “höchster Bildung” gehörte, die “Ja” gestimmt haben. In diesem Blog wohl ein grenzenloser Tabubruch. Darum ja nicht mit mir in Diskurs treten, sondern weiterschwurbeln. Macht weiter so!

  35. #35 ali
    Dezember 8, 2009

    @Giorgio Girardet

    Hör mal: Du hast ungefragt gemeint mir Tipps erteilen zu müssen, wie ich meine Dissertation zu schreiben habe. Du hast gegen eine Aussage von mir betreffend Calvin argumentiert, dass ich “als Teutone Calvin nur in der Hass-Version des verzweifelten deutschen Kulturjuden Stefan Zweig” kennen würde (was schon wegen meinem langjährigen Wohnsitzes in Genf faktisch völlig falsch ist, selbst wenn es als Argument relevant wäre, was es natürlich nicht ist), dann stellst du die These in den Raum, dass ein Rechtsstaat Christlich sein müsse und deine Beweisführung für diese doch sehr weitreichende Behauptung, ist ein einziges Gotthelf Zitat (welches sogar, wenn man wollte zur Rechtfertigung einer Theokratie beigezogen werden könnte). Soll die Schweiz im 21. Jahrhundert Politik und Institutionen auf der Basis von Jeremias Gotthelf gestalten? Muss ich nun Goethes Diwan hervorkramen um Gegen-Argumente machen zu dürfen (oder geht das nicht, weil er kein Schweizer war)?

    Auf die Überheblichkeit und den Argumentationsmangel hingewiesen greifst du tief in die populistische Mottenkiste und machst dich über mein Fach lustig und bist zutiefst beleidigt. If you can’t stand the heat, get out of the kitchen!

    Auf Argumente oder eine inhaltliche Auseinandersetzung wartet man natürlich vergeblich.

    Du wirst auch von keinem Google-Ego-Alert hierhergezwungen, wenn du nicht mehr deine Meinung hier postest. Tust du es doch, musst du damit rechnen dass man dir widerspricht. Für Name-Dropping wird dir hier nicht auf die Schulter geklopft.

  36. #36 Giorgio Girardet
    Dezember 8, 2009

    Per google-Alert habe ich nachricht von der grossen Watsche bekommen, die mir hier der grosse Ali verabreicht hat. Wenn ein angehender Poltitologe, das was einer der grössten Dichter der Schweiz drei Jahre nach der Gründung des Bundesstaates aufgeschrieben hat, weder als relevant betrachtet, noch es irgendwie diskursiv einordnen kann, dann sehe ich für die Zukunft tatsächlich sehr schwarz. Viel Spass beim theoretischen Erbsenzählen, Zeitungsmilimeter-Ausmessen und Voten und Klick-counten, vertieft euch weiter in eure schwurbeligen Theorien: Das “Ja” war voraussehbar. Für alle die in der Realität leben und nicht in virtuellen Parallelwelten. Wenigstens habe ich gelernt, dass ich zu den 26% mit “höchster Bildung” gehörte, die “Ja” gestimmt haben. In diesem Blog wohl ein grenzenloser Tabubruch. Darum ja nicht mit mir in Diskurs treten, sondern weiterschwurbeln. Macht weiter so!

  37. #37 ali
    Dezember 8, 2009

    Echo?

  38. #38 Michael Hermann
    Dezember 14, 2009

    @ ali from Echo

    als Unternehmerwissenschaftler muss man manchmal auch noch für Geld arbeiten 😉
    Ich möchte vor allem noch auf deinen Hauptvorwurf eingehen: Du sagst, es gäbe keine empirischen Daten und deshalb sollte man als Wissenschaftler keine Aussagen machen.
    Es ist nun jedoch nicht so, dass es keine empirische Daten gibt, es gibt bloss noch keine Exit-Poll-Umfrage. Was zur Zeit des fraglichen Interviews bereits vorlag, sind die Ja-Stimmenanteile in den 2600 Gemeinden der Schweiz und dies sind (wie langjährige Erfahrungen zeigen) sehr wertvolle empirische Datenquellen. Diese Aggregatdaten haben im Vergleich zu Meinungsumfragen sowohl Stärken als auch Schwächen. Aus den Gemeinderesultaten können nur Aussagen abgeleitet werden über Merkmale, die klare räumliche Muster aufweisen (z.B. Landessprachen, Urbanität, sozialer Status, Bildungsgrad, Säkularisierungsgrad) nicht jedoch über relativ homogen im Raum verteilte Merkmale wie Alter und Geschlecht. Der grosse Vorteil der Gemeindedaten ist, dass es sich um reale Daten handelt, die den tatsächlichen Abstimmungsentscheid abbilden. Wie wir gerade im Fall der Minarett-Vorlage gesehen haben, können Meinungsumfragen stark von der Realität abweichen, insbesondere bei heiklen Themen wie diesem (wobei ich davon ausgehe, dass die Exit-Poll-Befragung bessere Ergebnisse liefern wird).

    Der Nachteil von Aggregatdaten ist, dass damit nur indirekt auf individuelles Handeln geschlossen werden kann und insbesondere ist keine direkte Erfragung von Motiven möglich. Wobei gerade bei der Motivfrage die Vox-Befragungen alles andere als unproblematisch sind, da hier die Gefahr gross ist, dass nicht die echten, tiefliegenden Motive sichtbar werden, sondern vor allem ex-post-Rationalisierungen des Stimmentscheids – man wird nach einem Motiv befragt und nennt ein naheliegendes und allgemein akzeptiertes (einzig mit qualitativen Tiefeninterviews könnte man den echten Motiven wirklich auf die Spur kommen).

    Die einzige Aussage, die nicht auf empirischen Daten basierte im Interview, ist jene mit dem „weiblichen Ja“ (und das habe ich dort explizit gesagt). Diese Aussage darf man zurecht kritisieren. Ich liefere aber noch eine Antwort nach, warum ich diese Aussage gemacht habe.

  39. #39 ali
    Dezember 14, 2009

    @Michael Hermann

    Das ‘Echo’ bezog sich auf Giorgio Girardet, der sein Statement nochmals gepostet hat und nicht auf dich.

    Trotzdem freue ich mich natürlich über das Wiederauftauchen und bin gespannt auf die weiteren Ausführungen.

  40. #40 Pia
    Dezember 18, 2009

    Hallo zusammen, will dazu etwas schreiben:

    “Die Behauptung dass Bildung ein gewichtiger Faktor war ist nicht nur ein Bauchgefuehl
    https://tagesschau.sf.tv/hintergrund/abstimmungen/abstimmung_vom_29_november_2009/volksinitiative_gegen_den_bau_von_minaretten/anti_minarett_initiative_ja_lager_legt_leicht_zu
    Hohes Bildungsniveau: 69%Nein 24%Ja
    Mittel: 39%Nein 49%Ja
    Niedrig: 37%Nein 53%Ja” – Spaceman Spiff· 02.12.09 · 11:10 Uhr

    Ich weiss nicht, inwiefern Prozentzahlen da noch weiterhelfen. Mörgeli, Onken, Blocher etc. gelten darin doch wohl auch als “gebildet”, aufgrund der Ausbildung und ihres Einkommens. Interessanter für mich ist eher, wie diese Leute gegenüber ihrem Klientel argumentieren. Zu Julia Onken habe ich eine kleine “Analyse” verfasst, sicher, da ich nicht wie Herr Hermann der totalen Neutralität verpflichtet bin, ist meine Analyse eher ein Kommentar, eine Antwort auf das Tun und Wirken von Julia Onken, ein totales Hinterfragen ihres Tuns im Zusammenhang mit dieser Abstimmung (Sie selbst will zu meinem Vorwurf des Populismus null Stellung nehmen und blockt alles ab, was ich ihr per Mail und unter Angabe von Passnamen etc. mitteilte, nanu, dann halt. Öffentliche Personen müssen sich auf öffentliche Kritik gefasst machen, ev. auch in Blogs, aber selbstverständlich können sie auch schweigen dazu.). Mich haben ihre Bücher nie interessiert, auch deshalb, weil es darin oft gar etwas wild zu und her geht punkto Deuterei, was m.E. in den Abstimmungskampf von Frau Onken einfloss.
    Hier mein Beitrag:

    Julia Onkens gedanklichen Irrwege

    Ich kann nicht verstehen, dass ausgerechnet eine Psychotherapeutin der Nation eine falsche Strategie empfiehlt, um soziale Probleme zu lösen. Finde das ziemlich unverantwortlich, sie hat schliesslich in den Augen ihrer Anhängerinnen einen wichtigen Status. Und mich dünkt es populistisch, wenn sie dann noch mit dieser falschen Strategieempfehlung öffentlich hausieren geht, in Fernsehsendungen und vielen Interviews. Und wenn sie jetzt behauptet, dass sei ein Stopp-Signal gewesen, dieses Ja zum Minarettverbot, dann kommt sie mir vor wie die weibliche Platzhirschin der Nation. Den tapferen und demokratischen Muslimas, die auch öffentlich (sei es im Club oder der Arena) auftraten, die dem Land feine Identifikationsmöglichkeiten für Mädchen schenken, will sie also tatsächlich vorschreiben, wie sie ein Minarett zu deuten haben? Wie kommt ausgerechnet Onken auf die Idee, diese Frauen zu bevormunden? Was geht das Onken überhaupt an, was ein Minarett für diese Frauen bedeutet? Das historische Pendant zum Kirchturm deutet Onken so, wie es ihr gerade so in den Kram passt und belagert es mit ihren patriarchalen Mitstreitern gedanklich wie in einem Krieg. Bei ihrer wilden Deuterei könnte man ja fast meinen, sie sehe gar in jedem Wanderweg-Wegweiser einen Phallus. Und was wären dann all die grossen, breiten und flachen Plätze vor den Kirchen, aber z.B. auch Regierungsgebäuden, ein weibl. Symbol? Dann sollte Onken besser nicht den Bundesplatz betreten, denn sie würde bloss auf den Frauen rumtrampeln. Und wie ist es mit den Dächern, haben christliche Kirchen ein Ellbogen-Dach? Moscheen einen Bauch? Meine ja nur, schliesslich besteht der Mensch ja medizinisch gesehen nicht bloss aus einem Körperteil. Was Onken der Nation vorgeführt hat, ist nichts anderes, was es auch woanders gibt: die Macht der Frauen. Denn auch bei Zwangsehen mischeln Frauen mit, als Mütter, Grossmütter, Schwiegermütter. Sie verzwangsheiraten auch Söhne. Wenn auch diese Frauen nicht mithelfen, aus diesen unsäglichen Teufelskreisen auszusteigen, wird es sehr, sehr schwierig.

    Und was mich in den ganzen Diskussionen auch störte, was total unterging:

    „Denn in der Schweiz sind Angehörige verschiedener Glaubensrichtungen betroffen: hinduistische Tamilinnen und Tamilen, christlich-orthodoxe Assyrerinnen und Aramäer, muslimische oder katholische Kosovarinnen, orthodoxe jüdische Personen, sunnitische Türkinnen und alevitische Kurden. Zwangsheirat hat also viel mehr mit traditionellen, patriarchalen und familialistischen Vorstellungen zu tun. So versucht man arrangierte Eheanbahnungen auch unter Zwang durchzusetzen. Allerdings werden Traditionen oft auch von streng religiösen Menschen, Familien und Gesellschafen hoch gehalten. Die Religion wird dann als letzte und oberste Argumentationsinstanz missbraucht.“
    https://www.zwangsheirat.ch/zwangsheirat/10faq.php#was_hat_religion

    Und was ist mit ihm hier? Hat Onken den auch total vergessen?
    https://www.zwangsheirat.ch/zwangsansichtskarte/zwa_postkarte_8.html
    (auf Bild klicken, um zwischen Text und Foto zu wechseln)

    Onken kratzt bloss etwas an der Oberfläche rum und nennt das bereits „Feminismus“. Ein Feminismus aber, der sich nicht konsequent an Gleichbehandlung und Gleichstellung vor dem Gesetz orientiert, ist kein Feminismus, sondern Willkür. Wer z.B. den drei monotheistischen Kindern nicht mit Gerechtigkeit begegnet, ist ein Rabenvater oder eine Rabenmutter. Das heisst nicht, dass diese drei Kinder identisch sein oder werden müssen, aber sie haben das Recht auf einigermassen faire Umstände und Spielregeln. Das nennt man unter anderem auch: Demokratie.

  41. #41 ali
    Dezember 18, 2009

    @Pia

    Ich kannte Julia Onken vorher nicht und bereue es gerade ihren Blog ergoogelt zu haben (ich kann mich deshalb nicht wirklich für den Hinweis bedanken 😉 ).

    Wie sie es mit ihrem Feminismus vereinbaren kann, die Partei zu unterstützen, die dagegen stimmte, Gewalt in der Ehe zum Offizialdelikt zu machen, kaum Frauen in gewählten Ämtern hat und deren weiblichen Jungstars sich mit «Das Rollenbild, das wir vertreten, leben wir auch.» mit 31 aus der Politik verabschieden, ist mir völlig unverständlich. Das ganze nicht einmal für eine griffige Vorlage zugunsten der Frauen, sondern für eine diskriminierende Bauvorschrift zu religiösen Bauten in der Verfassung! Das muss ein akuter Fall von selektiver Wahrnehmung sein.

  42. #42 Pia
    Dezember 19, 2009

    “Ich kannte Julia Onken vorher nicht und bereue es gerade ihren Blog ergoogelt zu haben (ich kann mich deshalb nicht wirklich für den Hinweis bedanken 😉 ).” – Ali

    Tut mir Leid, dass ich das dir angetan habe. 🙂
    Diese Altfeministin hat wie die SVP populistische Züge, daher passen sie prima zusammen.
    Übrigens einen coolen Blog, den du hier hast, habe ihn durch deinen Link im Blog von Bundesrat Leuenberger entdeckt. Aber du musst mir nicht dort antworten. 🙂