Da kann man noch so viel interessante und spannende Forschung machen: Erwähnt man einmal in einem Interview das Wort “Aliens”, dann ignorieren die Medien alles andere und konzentrieren sich nur auf die Außerirdischen… Genau so ging es auch Tabetha Boyajian, einer Astronomin von der Universität Yale. Gemeinsam mit ihren Kollegen hat sie den Stern KIC 8462852 untersucht. Der zeigt ein paar sehr interessante Eigenschaften für die es eine Vielzahl ebenso interessante Erklärungen geben könnte. Die Erklärung, die Boyajian und ihre Kollegen als die wahrscheinlichste identifiziert haben ist spannend und vielversprechend. Mit Aliens hat sie allerdings nichts zu tun. Die hat die Wissenschaftlerin nur in einem Interview zum Thema erwähnt – und seitdem schaukeln sich die Gerüchte auf und in den einschlägigen Medien wird der Eindruck erweckt, der erste Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation stünde kurz bevor.
Die Realität ist allerdings nicht minder interessant. Es geht um den Stern KIC 8462852. Der befindet sich knapp 1450 Lichtjahre von der Erde entfernt und gehört zu den Sternen, die das Weltraumteleskop Kepler bei seiner Suche nach extrasolaren Planeten beobachtet hat. Diese Suche hat in den letzten Jahren bei sehr vielen Sternen stattgefunden; so viele, dass immer noch nicht alle Daten ausgewertet sind. Im Rahmen des “Planet Hunters”-Projekt kann die Öffentlichkeit den Wissenschaftlern bei dieser Auswertung helfen und die sogenannten Lichtkurven der Sterne bewerten. Die Lichtkurve zeigt, wie viel Licht uns von einem Stern erreicht. Wird der Stern von einem Planeten umkreist, dann kann der in regelmäßigen Abständen ein bisschen des Sternenlichts blockieren. Das zeigt sich in der Lichtkurve und so kann man diese Planeten auch nachweisen. Manchmal aber findet man etwas, das nicht in das erwartete Schema passt und das war bei KIC 8462852 der Fall.
Die Freizeit-Astronomen von “Planet Hunters” fanden dort ein sehr seltsames Verhalten. Anstatt regelmäßiger Verdunkelungen zeigte der Stern unregelmäßige Schwankungen in der Lichtkurve, die man im rechten Teil dieses Diagramms sehen kann:
Das alleine wäre noch keine große Entdeckung. Es gibt viele Möglichkeiten, warum ein Stern seine Helligkeit verändert. Es kann sich um einen veränderlichen Stern handeln oder um einen Stern der viele Sternenflecke entwickelt. Gerade bei kleinen Sternen ist die Sternaktivität viel höher und man findet dort deutlich mehr dunkle Flecken als auf unserer Sonne. Es kann sich aber auch um einen jungen Stern handeln, der noch von Staub- und Gaswolken umgeben ist die aus der Zeit seiner Entstehung übrig geblieben sind. Dieses Material kann ebenfalls für eine teilweise Verdunkelung sorgen. Und so weiter – es gibt eine Vielzahl an möglichen Erklärungen und Boyajian und ihre Kollegen haben sie genau unter die Lupe genommen (“Planet Hunters X. KIC 8462852 – Where’s the flux?”).
Frühere Untersuchungen haben schon nahe gelegt, dass der Stern einen Begleiter hat. Keinen Planeten, sondern einen Begleitstern. KIC 8462852 könnte also Teil eines Doppelsternsystems sein und neue Daten scheinen dazu zu bestätigen. Dieses Bild wurde mit dem UKIRT-Teleskop im Infrarotlicht gemacht:
KIC 8462852 ist darin markiert und der Begleitstern zeigt sich als kleine Asymmetrie; als die Ausbuchtung an der linken Seite des Sterns. Der kleinere Begleiter ist etwa 1000 Mal weiter von seinem Stern entfernt als die Erde von unserer Sonne. Die Beobachtungen von KIC 8462852 zeigen auch, dass er ein Stern vom F-Typ ist, in seinen Eigenschaften also unserer Sonne ähnlich ist. Das bedeutet aber auch, dass er schon älter sein muss. Dass er von Planeten umkreist wird, lässt sich größtenteils ausschließen; zumindest von großen Gasplaneten, denn die hätte man in den Daten schon gefunden.
Was aber erzeugt nun diese unregelmäßigen Veränderungen in der Helligkeit? Boyajian und ihre Kollegen haben in ihrer Arbeit diverse Möglichkeiten geprüft. Der Begleitstern hat nichts damit zu tun, der ist zu weit weg. Auch Staub aus der Entstehungszeit kann nicht mehr verantwortlich sein, dafür ist der Stern zu alt. Ein veränderlicher Stern ist er wohl auch nicht, denn die beobachteten Helligkeitsschwankungen passen nicht zu den Eigenschaften der in Frage kommenden Arten von veränderlichen Sternen. Beobachtungsfehler oder falsche Datenauswertung konnten ebenfalls ausgeschlossen werden. Es gibt aber ein paar Möglichkeiten, die eine Erklärung bieten könnte. Wenn dort zum Beispiel ein Asteroidengürtel existiert, dann könnten dort Asteroiden miteinander kollidiert sein und so Staub erzeugt haben, der den Stern verdunkelt. Bei der Kollision von Asteroiden in einem Asteroidengürtel würde aber eine charakteristische Größenverteilung der Bruchstücke und Staubteilchen entstehen, die sich im Infrarotlicht auf eine ebenso charakteristische Art und Weise bemerkbar machen würde. Was hier allerdings nicht der Fall ist.
Es könnte auch sein, dass dort etwas ähnliches passiert ist wie in unserem Sonnensystem, als der Mond entstand. Damals kollidierte die Erde mit einem anderen Planeten von der Größe des Mars. Dieses Szenario kommt ohne Asteroidengürtel aus und wenn es auch nicht unmöglich ist, so ist es doch sehr unwahrscheinlich. Man müsste schon enorm großes Glück gehabt haben, dass dieses Ereignis exakt dann stattfand, als Kepler gerade diesen Stern beobachtete. Denn häufig können solche planetaren Kollisionen nicht sein; ansonsten hätte man bei anderen Sternen ähnliche Verdunkelungen gesehen. Hat man aber nicht – Boyajian und ihre Kollegen haben das natürlich auch überprüft.
Als weitere Möglichkeit wurden größere Asteroiden in Betracht gezogen. Ein paar hundert bis tausend Kilometer groß; vergleichbar mit Ceres oder Pluto in unserem Sonnensystem. Die könnten vielleicht von vielen kleineren “Monden” oder Staubhüllen umgeben sein und auf ihren Bahnen am Stern vorüber ziehen. Der ganze Staub würde für eine Verdunkelung sorgen – aber auch hier passen die Beobachtungen nicht ganz zur Ausgangslage. Wenn die Lichtkurve von KIC 8462852 wirklich durch Staubwolken verursacht wird, dann scheinen die sich alle in der gleichen Ebene zu bewegen. Das wäre für eine Gruppe von Asteroiden aber sehr ungewöhnlich.
Die wahrscheinlichste Erklärung auf die Boyajian und ihre Kollegen gekommen sind, beruht auf Kometen. Planeten, Asteroiden, Staubwolken, etc würden sich höchstwahrscheinlich auf annähernd kreisförmigen Bahnen um den Stern bewegen und das macht es schwer zu erklären, warum die beobachteten Verdunkelungen sich nicht regelmäßig wiederholen. Kometen können aber bekanntlich sehr exzentrischen, also sehr langgestreckte Bahnen haben. Bahnen, auf denen sie ihrem Stern extrem nahe kommen. Das passiert auch in unserem Sonnensystem immer wieder und sehr oft überlebt der Komet diese Annäherung nicht. Strahlung und Gravitation des Sterns reißen ihn auseinander. Genau das könnte auch bei KIC 8462852 passiert sein. Ein Komet bzw. eine Gruppe von Kometen hat sich dem Stern genähert, wurde zerstört und zerfiel in unterschiedliche große Klumpen, die unterschiedlich große Staubwolken bildeten die sich dann entlang der exzentrischen Kometenbahnen verteilt haben.
Hier könnte dann der Begleitstern vielleicht doch noch eine wichtige Rolle gespielt haben. Er könnte mit seinem gravitativen Einfluss dafür gesorgt haben, dass die Kometen sich überhaupt erst auf den Weg in die Nähe von KIC 8462852 gemacht haben.
Im Gegensatz zu all den anderen Szenarien gibt es bei den Kometen auf jeden Fall nichts, was unmittelbar dagegen sprechen würde. Und Spuren von extrasolaren Kometen hat man auch schon bei anderen Sternen entdeckt Natürlich braucht es aber noch mehr Beobachtungen, wenn man es ganz genau wissen will. Man muss zum Beispiel überhaupt erst mal bestätigen, dass es sich bei dem Begleitsstern um einen echten Begleiter handelt und nicht einfach um irgendeinen anderen Stern, der zufällig neben KIC 8462852 am Himmel zu sehen ist. Bessere Infrarotbeobachtungen sind nötig um herauszufinden, ob es sich wirklich um Staubwolken handelt und längere Beobachtungen der Helligkeit des Sterns können zeigen, ob und wann sich die Verdunkelungen wiederholen. Eine genau Analyse neuer Daten könnte auch zeigen, ob sich in dem System die verschiedenen Gase finden lassen, die Kometen neben dem Staub ja ebenfalls ins Weltall abgeben.
Von Außerirdischen ist in der ganzen Arbeit jedenfalls nicht die Rede. Das Fazit von Boyajian und ihren Kollegen lautet:
“By considering the observational constraints on dust clumps orbiting a normal main-sequence star, we conclude that the scenario most consistent with the data in hand is the passage of a family of exocomet fragments, all of which are associated with a single previous breakup event.”
Das wahrscheinlichste Szenario zur Erklärung der Beobachtungen ist also das Auseinanderbrechen eines extrasolaren Kometen.
Natürlich: Das wahrscheinlichste Szenario muss nicht unbedingt auch immer korrekt sein. Und es ist völlig legitim, daneben auch über unwahrscheinliche Szenarien zu spekulieren. Laut dem anfangs erwähnten Interview plant Boyajian gemeinsam mit Jason Wright und anderen Wissenschaftlern vom SETI-Projekt den Stern auch auf Radio-Signale hin zu untersuchen, die von etwaigen außerirdischen Zivilisationen stammen. Denn rein prinzipiell wäre es ja auch möglich, dass die Verdunkelung nicht durch von Kometen stammende Staubwolken passiert, sondern von irgendwelchen großen, künstlichen Strukturen verursacht wird: Raumstationen, Dyson-Sphären oder etwas in der Art. Aber, und das sagt auch Jason Wright:
“Aliens should always be the very last hypothesis you consider.”
Ich weiß, Außerirdische sind enorm faszinierend. Ich finde das Thema genau so spannend wie alle anderen. Aber es ist eben nicht das einzige was das Universum zu bieten hat! Und wenn man sich bei der Berichterstattung über die astronomische Forschung immer nur auf das Alien-Thema konzentriert, verpasst man so viele andere spannende Dinge!
Es ist noch keine 20 Jahre her, als der erste extrasolare Planet entdeckt worden ist. Vor 1995 wusste niemand, ob andere Sterne ebenfalls von Planeten umkreist werden so wie die Sonne. Von Himmelskörpern wie Asteroiden und Kometen bei anderen Sternen war da noch gar keine Rede. Und heute kennen wir nicht nur tausende Planeten und wissen, dass die Planeten überall sind. Wir sind sogar in der Lage, die Auswirkungen vom Auseinanderbrechen extrasolarer Kometen zu beobachten! So wie in unserem Sonnensystem sind die Kometen auch bei anderen Sterne die wichtigste Quelle wenn man die Entstehungsgeschichte des ganzen Systems verstehen will. Unsere eigenen Kometen untersuchen wir, weil wir herausfinden wollen, wie Sonne, Erde und die anderen Planeten entstanden sind und sich entwickelt haben. Und vielleicht sind wir bald in der Lage, das auch bei anderen Sternen zu tun. Dann werden wir ein viel kompletteres Bild über die Entwicklung der Sterne und ihrer Planetensysteme haben. Unser Verständnis der Ursprünge wird nicht mehr lokal sein, sondern universal werden! Vielleicht entdecken wir unterwegs dann ja auch tatsächlich außerirdisches Leben. Und wenn nicht, dann ist es auch nicht tragisch. Denn wir haben auf jeden Fall mehr über den Kosmos gelernt, in dem wir leben!
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