Ich hab kürzlich bei Twitter darüber gemeckert, dass in gewissen Kreisen im Internet Nikola Tesla so extrem gehypt und als der beste und wichtigste und coolste Wissenschaftler aller Zeiten dargestellt wird. Tesla hat sicherlich ein paar sehr wichtige Entdeckungen gemacht und seine Biografie ist schillernd und interessant. Aber sieht man von dem Underdog-Image ab und betrachtet sein Werk rational und ohne Internet-Hysterie, dann gibt es eigentlich nichts was ihn irgendwo in die Nähe der wirklich großen Forscher bringt (Ich hab kürzlich sogar ein T-Shirt-Design gesehen wo Tesla als Nr. 1 aller Wissenschaftler gelistet war und Steve Jobs (!!) auf Platz 3). Bei Twitter wurde ich dann gefragt, wie denn meine Top-10 der Naturwissenschaftler aussehen würde.
Diese Frage stellt mich vor ein gewisses Problem. Gut, der erste Platz ist relativ klar. Dafür kommen nur zwei Namen in Frage: Isaac Newton und Albert Einstein. Beide haben im Alleingang die Naturwissenschaft revolutioniert und eine Welt hinterlassen die nicht mehr so war wie zuvor. Beide haben nicht nur eine Entdeckung auf einem Gebiet gemacht sondern auf vielen komplett unterschiedlichen Gebieten grandiose Leistungen geliefert. Ich hätte große Schwierigkeiten einen über den anderen zu stellen – aber da ich mich so ausführlich mit Newton beschäftigt habe, würde ich ihn auf Platz 0,99999999…. klassifizieren und Albert Einstein auf Platz 1. 0,999999… ist ja identisch mit 1, taucht in einer numerischen Liste aber trotzdem vor der 1 auf 😉
Aber wie geht es dann weiter? In den Top-10 wären noch acht Plätze frei und Kandidatinnen und Kandidaten gäbe es genug. Aber es fehlen die Namen die wirklich so eindeutig und so klar über allen anderen stehen. Es gibt Unmengen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die große Leistungen erbracht haben; in den meisten Fällen waren es aber singuläre Entdeckungen und es fällt mir schwer sie zu klassifizieren.
Was ist zum Beispiel mit den ganzen Quantenmechanikern: Wolfgang Pauli, Erwin Schrödinger, Niels Bohr, Werner Heisenberg, Paul Dirac, etc. Alle haben enorm wichtige Arbeit geleistet und die Quantenmechanik zu der allumfassenden und für unsere moderne Welt so fundamental wichtigen Disziplin gemacht. Aber war Schrödinger jetzt wichtiger als Heisenberg? Und wo reiht man die Leute aus der jüngeren Vergangenheit ein? Das Standardmodell der Teilchenphysik ist eine grandiose wissenschaftliche Leistung. Aber es hat keinen einzelnen Entdecker und wollte man alle nennen die dazu beigetragen haben, braucht man weit mehr als die Top-10.
Was ist mit den ganzen Astronomen? Fred Hoyle, Edwin Hubble, Stephen Hawking, und so weiter. Hubbles Entdeckung der Expansion des Universums und der Tatsache das unsere Galaxie nur eine von vielen ist, gehört mit Sicherheit zu den großen Erkenntnissen der Menschheit. Aber er hat sie ja nicht alleine gemacht; da waren zum Beispiel auch noch seine Kollegen Vesto Slipher und Milton Humason maßgeblich beteiligt. Aber Slipher und Humason würde ich sicher nicht in die Top-10 einreihen – und sollte das wohl daher auch nicht mit Hubble tun. Und was ist mit Georges Lemaître, der als erster die Idee eines “Urknalls” hatte? Was mit Robert Dicke, George Gamow, Ralph Alpher, Robert Hermann, Arno Penzias, Robert Wilson, George Smoot, etc die alle wichtige Beiträge zur Bestätigung des Urknallmodells geliefert haben? Was ist mit Cecilia Payne-Gaposchkin, die die Zusammensetzung der Sterne entdeckte; mit Friedrich Wilhelm Bessel der als erster herausfand wie weit die Sterne entfernt sind? Alles enorm wichtige Leistungen für unser Verständnis des Universums und Teil der Grundlage der modernen Naturwissenschaft. Aber wichtig genug für die Top-10? Wichtiger als all die anderen singulären Leistungen?
Wo bringt man die ganzen Forscher aus der Vergangenheit unter? Galileo Galilei, Nikolaus Kopernikus, Johannes Kepler, René Descartes? Oder warum nicht noch weiter zurück gehen: Wo stehen Aristoteles und Euklid – deren Logik und Mathematik bilden heute noch die Grundlage der naturwissenschaftlichen Methodik.
Und bis jetzt hab ich nur von der Physik und der Astronomie gesprochen! In der Naturwissenschaft gibt es ja auch noch Chemie, Biologie, Geologie, und so weiter. Was ist mit Charles Lyell, der gezeigt hat dass die geologische Geschichte der Erde viel weiter zurück reicht als es die Bibel behauptet? Was mit den Entdeckern der DNA? Oder, etwas moderner, was ist mit Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna (bzw. Feng Zhang, je nachdem wo man im Entdeckerstreit steht), den Entdeckern der CRISPR/Cas-Methode die in der Rückschau vermutlich noch viel dramatischer und wichtiger erscheinen wird als sie es heute tut. Was ist mit Alan Turing und all den anderen die bei der Entwicklung von Computern beteiligt waren; was mit Wernher von Braun, Hermann Oberth und Konstantin Tsiolokovsky, den Pionieren der Raumfahrt?
Ich könnte jetzt noch seitenweise weitere Namen aufzählen: Marie Curie, Wilhelm Herschel, Erathostenes, Ludwig Boltzmann, Max Planck, Alhazen, Emmy Noether, Vera Rubin, Maria Goeppert-Mayer, Rosalind Franklin, … Aber näher an mein Ziel die Top-10 zu identifizieren bringt es mich auch nicht.
Nach langem Nachdenken habe ich zumindest drei weitere Namen identifiziert die auf meine Liste kommen sollten: Charles Darwin (darüber muss man kaum streiten; man kann aber darüber streiten was man in dem Fall mit Alfred Russell Wallace anstellen soll). James Clerk Maxwell, weil seine Vereinheitlichung des Elektromagnetismus die Physik bis heute beeinflusst und ein ziemlich unerwartetes und überraschendes Stück Wissenschaft war (und Maxwell auch noch auf anderen Gebieten sehr gute – wenn auch nicht revolutionäre – Ergebnisse fand). Und Carl Friedrich Gauß. Den würde ich vielleicht sogar auf Platz 3 meiner Liste einreihen. Gauß hat jetzt zwar nirgendwo die gewaltigen, die Welt verändernden Entdeckungen gemacht wie Newton und Einstein. Aber Gauß hat überall wo er arbeitete große Entdeckungen gemacht und das waren wirklich viele unterschiedliche Gebiete: Geometrie, Mathematik, Astronomie, Physik, Geodäsie, etc. Solch umfassende Fähigkeiten bzw. die Fähigkeiten auf so vielen Gebieten so viele wirklich wichtige Entdeckungen beizutragen findet man nicht oft.
Meine Liste sieht also derzeit so aus:
- Platz 0,999… : Isaac Newton
- Platz 1: Albert Einstein
- Platz 3: Carl Friedrich Gauss
- Platz 4: Charles Darwin
- Platz 4: James Clerk Maxwell
- Platz 6:
- Platz 7:
- Platz 8:
- Platz 9:
- Platz 10:
Oder sollte doch noch ein Quantenmechaniker irgendwo dazwischen – aber andererseits hat Einstein ja selbst so viel zur Quantenmechanik beigetragen… Müsste Dirac da nicht noch irgendwo stehen, der immerhin die Quantenmechanik mit der speziellen Relativitätstheorie vereint hat?
Wie gesagt – es ist ein fast unmögliches Problem. Aber einerseits macht es Spaß darüber nachzudenken. Und andererseits zeigt es uns zwei sehr wichtige Dinge. Erstens einmal das absolute Genie von Albert Einstein und Isaac Newton. Menschen wie diese beiden gibt es nicht oft und ich bin gespannt ob es irgendwann mal wieder jemanden gibt der den beiden nahe kommt. Und noch viel wichtiger, zweitens: Wissenschaft ist Teamarbeit! Jeder und jede trägt ein kleines bisschen neues Wissen bei. Manche mehr und manche weniger. Aber aus all dem Stückwerk bauen wir uns ein immer besseres Bild der Welt zusammen. Alle bauen auf dem auf was die Leute davor herausgefunden haben. Es ist fast unmöglich, eines dieser Stückchen herauszugreifen und zu behaupten: Das ist jetzt aber viel wichtiger als alle andere Bausteine! Es sie denn man hat es mit Genies wie Einstein und Newton zu tun, die nicht nur neue Bausteine schaffen sondern gleich auch noch einen Schwung neuer Baustellen aufmachen und im Alleingang dort völlig neue Gebäude der Erkenntnis errichten. Aber das hat man eben sehr selten…
Trotzdem will ich jetzt natürlich auch die Leserschaft fragen: Wer muss auf eure Liste? Habt ihr vielleicht sogar weniger Probleme als ich eine Top-10 der Naturwissenschaft zu erstellen? Wenn ja, warum? Ich bin schon gespannt!
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