Es ist zwar noch lange nicht Weihnachten; in meinem 50tägigen Countdown zum 50. Jubiläum der ersten Mondlandung geht es aber heute trotzdem um den 24. Dezember. Und zwar um den des Jahres 1968. Das Apollo-Programm der NASA war in vollem Gange und am heiligen Abend waren die Astronauten Frank Borman, William Anders und James Lovell gerade mit Apollo 8 unterwegs um den Mond zu umrunden. Es war das erste Mal, das Menschen zum Mond geflogen sind und ihn umkreist haben. Und es war der Flug, bei dem eines der berühmtesten Bilder Raumfahrtgeschichte entstanden.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand aus der Leserschaft dieses Blogs dieses Bild noch nicht gesehen hat: “Earthrise”, den Aufgang der blauen Erde über der grauen und leblosen Oberfläche des Mondes. In unserer visuell übersättigten Internet-Medienwelt ist heute kaum noch nachvollziehbar, was für einen Eindruck ein einzelnes Bild damals machen konnte. Wir sind außerdem daran gewöhnt den ganzen Weltraum in bunten und hochauflösenden Bildern präsentiert zu bekommen; wir können uns 360-Grad-Panoramabilder vom Mars ansehen und Fotos die auf der Oberfläche ferner Kometen und Asteroiden gemacht werden. Aber damals gab es kein Internet wo man live von überall an der Erforschung des Universums teilhaben konnte. Es gab keine digitalen Bilder des Universums. Es gab kein Google-Earth und keine Satellitenbilder der Erde die stündlich auf allen Fernsehsendern im Wetterbericht zu sehen waren. Der Anblick der Erde vom All aus war neu und ungewohnt und der Anblick der Erde vom Mond aus erst Recht.

“Earthrise” hat die Menschen damals also extrem beeindruckt. Obwohl es sich dabei eigentlich nicht um einen “Erdaufgang” handelt. Und das Originalbild so aussieht:

Während Apollo 8 den Mond umrundete, tauchte die Erde von links im Blickfeld der Astronauten auf. Eigentlich waren alle drei darauf konzentriert den Mond zu beobachten, auch das Raumschiff war entsprechend ausgerichtet. Man wollte ja wissen wie es dort aussieht, um dort in Zukunft vielleicht landen zu können. Aber als Apollo 8 die Orientierung veränderte sah William Anders auf einmal die Erde im Seitenfenster.

“Oh, mein Gott! Seht euch dieses Bild da an! Hier geht die Erde auf. Mann, ist das schön!”

rief er spontan aus. Und griff zur Kamera um ein Bild von diesem beeindruckenden Anblick zu machen. Sein Kollege Bormann rief ihm noch zu, er solle das lassen, weil ein Bild der Erde nicht im Plan vorgesehen war. Man darf nicht vergessen: Es waren keine Digitalkameras sondern analoge Geräte, in die man einen realen Film einlegen musste und auf dem nur eine sehr begrenzte Anzahl an Bildern Platz hatte. Aber der Einwand war ziemlich sicher nicht ganz ernst gemeint; allen Astronauten war klar, dass es sich um ein einmaliges Fotomotiv handelte. Anders machte zuerst eine schwarz-weiß-Aufnahme:

Bild: NASA

Danach wechselte er zum Farbfilm und schoß das Bild, das bis heute jeder kennt. Obwohl es lange Zeit eine kleine Kontroverse über die Urheberschaft gab. Frank Borman selbst erzählte immer wieder, er hätte die Kamera von Anders genommen, weil es der war, der die nicht geplante Aufnahme nicht machen wollte. Aber eine genaue Analyse der Tonaufzeichnungen der Gespräche an Bord zusammen mit einer ebenso genauen Analyse der Flugbahn und den Zeiten wann die Erde wie durch welche Fenster zu sehen war hat mittlerweile klar gemacht, dass William Anders das Bild gemacht hat (ebenso wie das schwarz-weiß-Bild, das auch immer noch manchmal Borman zugeschrieben wird). Die Geschichte über die Urheberschaft kann man hier im Detail nachlesen und auch Borman war schließlich überzeugt dass er sich falsch an die Sache erinnert hatte.

Anders hat das Bild vom Erdaufgang gemacht, bei dem die Erde nicht aufgegangen ist. Man kann auf dem Mond zwar viele spektakuläre Dinge sehen, der Aufgang der Erde gehört allerdings nicht dazu. Der Mond zeigt immer die selbe Seite zur Erde und vom Mond aus sehen wir die Erde daher immer an der selben Stelle des Himmels stehen. Auf der Rückseite des Mondes ist die Erde selbstverständlich nicht zusehen; auf der Vorderseite immer und je nachdem wo man sich befindet steht sie unterschiedlich hoch über dem Horizont. Will man sie “aufgehen” muss man sich auf der Mondoberfläche von der Rückseite zur Vorderseite bewegen oder eben den Mond in einem Raumschiff umrunden, wie es die drei Astronauten getan haben.

Man kann es den Menschen aber kaum verdenken, dass sie den Namen “Earthrise” gewählt haben um das zu beschreiben, was sie da gesehen haben. Und dass das Bild so gut wie immer in eine Position gedreht wird, die die Erde auch bei einem “Aufgang” zu zeigen scheint. Der Flug zum Mond war nicht nur Wissenschaft sondern auch ein Symbol für eine komplett neue Ära in der Geschichte der Menschheit. Ein Symbol, dass ich kaum besser darstellen lässt als durch den Aufgang der alten Welt über der neuen.

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Der komplette Countdown: 50 | 49 | 48 | 47 | 46 | 45 | 44 | 43 | 42 | 41 | 40 | 39 | 38 | 37 | 36 | 35 | 34 | 33 | 32 | 31 | 30 | 29 | 28 | 27 | 26 | 25 | 24 | 23 | 22 | 21 | 20 |19 | 18 | 17 | 16 | 15 | 14 | 13 | 12 | 11 | 10 | 09 | 08 | 07 | 06 | 05 | 04 | 03 | 02 | 01 | 0

Kommentare (4)

  1. #1 UMa
    5. Juni 2019

    @Florian:

    Man kann auf dem Mond zwar viele spektakuläre Dinge sehen, der Aufgang der Erde gehört allerdings nicht dazu.

    Durch die Libration sollte man in einigen Gegenden des Mondes die Erde doch auf und untergehen sehen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Libration

  2. #2 Ben
    5. Juni 2019

    Das Bild finde ich nach wie vor beeindruckend und faszinierend. So weit weg von all dem Elend, das dort vor allem in Vietnam grade war. Und obwohl (oder gerade weil) dieses Bild im galaktischen Maßstab nur ein unbedeutender Ausschnitt ist, bedeutet er für die Menschheit doch alles. Ich werde ehrfürchtig, wenn ich mir das Bild anschaue… auch heute noch.

  3. #3 Lercherl
    5. Juni 2019

    Der Flug zum Mond war nicht nur Wissenschaft sondern auch ein Symbol für eine komplett neue Ära in der Geschichte der Menschheit.

    Also das halte ich für reichlich übertrieben. Bis jetzt waren die Folgen der bemannten Raumfahrt im Allgemeinen und der Mondflüge im Speziellen für die Menschheit noch ziemlich überschaubar. Und meiner bescheidenen Meinung nach werden sie das noch längere Zeit so bleiben.

    Ganz anders als die unbemannte Raumfahrt, die uns wesentliche neue Erkenntnisse über das Weltall und vor allem auch über unsere Erde gebracht hat, und die in unserem täglichen Leben unverzichtbar ist, sei es Satellitennavigation, Wettervorhersage, Telekommunikation und Vieles andere.

    Aber anscheinend ist es eine zutiefst menschliche Eigenschaft, dass uns die erfolgreichste und nützlichste Roboter-Mission weniger interessiert als jede beliebige menschliche “Eroberung des Weltalls”.

  4. #4 Florian Freistetter
    6. Juni 2019

    @Lercherl: “lso das halte ich für reichlich übertrieben. “

    Ich hab ja nicht gesagt dass sich dadurch die Welt von einem Moment auf den anderen verändert hat und wir alle mit dem Flugtaxi zum Mondf fliegen…. Aber es ist ein fundamentaler Unterschied ob man einer Spezies angehört die in der Lage ist einen anderen Himmelskörper im All zu erreichen oder nicht. Und diese Grenz haben wir damals überschritten.