“Der Mond explodierte ohne Warnung und ohne ersichtlichen Grund.” Ein Buch, das mit diesem Satz anfängt, verspricht interessant zu werden. Wenn es im weiteren Verlauf dann noch Raumfahrt, Asteroidenbergbau und Meteoriteneinschläge geht, dann ist es ein Buch, das ich auf jeden Fall lesen muss! Und genau das habe ich auch getan: Das Buch heißt “Seveneves”*, wurden von Neal Stephenson geschrieben und wird im November auf deutsch unter dem Titel “Amalthea”* erscheinen.
Wie der famose erste Satz nahelegt, beginnt die Geschichte mit einer Katastrophe. Plötzlich und ohne das jemand den Grund dafür kennt, bricht der Mond auseinander. Statt des üblichen Trabanten sind da auf einmal sieben große Stücke, die seinen Platz einnehmen. Das ist natürlich ein ziemlich außergewöhnliches Ereignis und die Menschen sind entsprechend schockiert und aufgeregt. Aber nicht unbedingt verängstigt. Denn die Bruchstücke sind immer noch gravitativ aneinander gebunden, kreisen immer noch an der gleichen Stelle um die Erde, an der auch der intakte Mond um die Erde kreiste und üben zusammen immer noch die gleiche Anziehungskraft auf unseren Planeten aus. Abgesehen vom veränderten Anblick des Nachthimmels und ein paar kleineren Meteoriteneinschläge hat sich auf der Erde nicht viel geändert.
Aber dann kollidieren zwei der großen Bruchstücke miteinander und aus sieben wurden acht. Dieses Ereignis lässt den Astronom Dubois Jerome Xavier Harris, eine der Hauptfiguren des Buches, nachdenklich werden. Harris ist besser als “Doc Dubois” bekannt, da er nicht nur Astronom sondern auch ein bekannter und beliebter Wissenschaftskommunikator ist (bei dem sich Stephenson offenbar Neil deGrasse Tyson als Vorbild genommen hat). Dubois stellt fest, dass vermutlich bald weitere Kollisionen unter den Mondbruchstücken stattfinden werden, bei denen weitere von ihnen auseinander brechen. Je mehr Bruchstücke es gibt, desto mehr Kollisionen wird es geben, bei denen weitere Bruchstücke entstehen was zu noch mehr Kollisionen führt, und so weiter. Irgendwann wird der Prozess exponentiell anwachsen und die Dynamik der Trümmerwolke chaotisch. Wenn das passiert, wird die Erde mit Meteoriten bombardiert. Es wird einen “harten Regen” geben, während dessen fast die gesamte ehemalige Masse des Mondes in Form kleiner Meteorite auf die Erde fallen wird. Das Dauerbombardement wird die Atmosphäre aufheizen und den Planeten im Wesentlichen sterilisieren. Und all das wird laut den Berechnungen der Astronomen nicht in ferner Zukunft passieren, sondern knapp zwei Jahre nach dem Auseinanderbrechen des Mondes.
Stephensons Buch ist also eine Geschichte vom Weltuntergang. Es ist allerdings eine sehr originelle Form des Weltuntergangs und eine äußerst gründliche. Die Menschen der Erde wissen, dass sie keine Chance haben, den “harten Regen” zu überleben. Die einzige Chance besteht darin, die Erde zu verlassen. In einem Science-Fiction-Roman – und “Seveneves” gehört definitiv zu diesem Genre – würde man sich jetzt vielleicht irgendeinen Deus ex machina erwarten. Vielleicht ein Genie, das plötzlich auftaucht und der Menschheit einen Warp-Antrieb präsentiert, mit dem der Planet evakuiert werden kann. Oder hilfreiche Aliens, die kommen um uns zu retten. In der Realität von Stephensons Romans gibt es allerdings nur die Raumstation ISS. Die ähnelt ihrem Vorbild aus der echten Welt; der einzige Unterschied ist der Asteroid Amalthea der dort Teil der Station ist. Es handelt sich um einen kleinen erdnahen Asteroiden aus Metall (der nichts mit dem realen Asteroid gleichen Namens zu tun hat) den eine private Weltraumfirma bei einem Vorbeiflug eingefangen und zur Raumstation gebracht hat, um dort zu testen, wie man seine Rohstoffe am besten nutzen kann. Auf der Station, die im Buch Izzy genannt wird, haben nur eine Handvoll Leute Platz – definitiv nicht genug, um die Menschheit zu evakuieren. Und es wird den Leuten auf Erde auch schnell klar, dass eine komplette Evakuierung nicht zur Debatte steht. Die Zeit reicht nicht aus, um irgendwelche riesigen Habitate im All zu bauen. Oder Methoden zu entwickeln, Milliarden Menschen in den Weltraum zu entwicklen. Die Führer der Nationen einigen sich darauf, eine “Cloud Ark” zu konstruieren. Also jede Menge massenproduzierte kleine Habitate für circa ein halbes Dutzend Menschen ins All zu bringen. Dieser Schwarm soll sich dort je nach Bedarf zu größeren Strukturen zusammenfinden können und die Raumstation soll als eine Art Zentrale für die “Wolkenarche” dienen. Die Länder der Erde werden ein paar wenige junge Menschen auswählen, die dort oben leben sollen. Und lange überleben müssen. Bis die Auswirkungen des harten Regens wieder so weit vergangen sind, das die Erde erneut besiedelt werden kann, müssen fünf- bis zehntausend Jahre vergehen…
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