In diesem Artikel trage ich zum “Hauptbeitrag” zur religiös-traditionellen Kinderverstümmelung kurz zwei Dinge nach:
den Offenen Brief eines von der Knabenbeschneidung Betroffenen und eine Kritik an der Einlassung der American Academy of Pediatrics.
Alexander Bachl ist ein von der Zwangsbeschneidung im Knabenalter Betroffener, der schwer unter der Verstümmelung gelitten hat und sich bis heute nicht damit abfinden will. Über seine Erinnerungen und heutigen Gedanken dazu schrieb er einen bewegenden aber auch erschütternden Ofenen Brief. Hier ein paar kurze Auszüge und die Bitte, den ganzen Brief zu lesen.
Die nächsten drei Wochen waren eine Qual. Ich weiß nicht, ob die Narben weh taten oder die vertrocknende freigelegte Eichel. Ich konnte keine Hose tragen. Ich konnte nicht laufen. Ich konnte mich im Bett nicht zudecken. Ich lag stundenlang im Bett auf dem Rücken mit angewinkelten Knien, damit die Decke meine Eichel nicht berührt. Tagelang. Ich weinte häufig. Das erste Mal, als ich aufs Klo ging, wusste ich nicht, was passieren würde. Ich hatte Angst, es könnte weh tun. Ich hatte Recht. Von nun an hielt ich es zurück, bis es nicht mehr ging. Der Druck war deshalb größer. Es war schlimmer. Aber ich hatte Angst.
[…]
Meine Beschneidung ist das Schlimmste, was man mir je angetan hat. Sie hat mein gesamtes Leben beeinflusst. Hat mich immer mit Scham erfüllt. Meiner Mutter tut es sehr leid. Sie sagt, sie würde es nie wieder tun. Das hilft seelisch, aber nicht körperlich. Meine Vorhaut ist weg und kommt nicht wieder.
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Außerdem wurde nun auch eine vernichtende Kritik zu den pro-Beschneidung-Einlassungen der “American Academy of Pediatrics (AAP)” veröffentlicht, die unbedingt lesenswert ist. Hier die Einleitung (in meiner Übersetzung):
Die endlose Suche nach einem medizinischen Nutzen der Beschneidung, von der Behandlung der Epilepsie, Reizbarkeit und Masturbation im späten 19. Jhdt bis zur Vermeidung sexuell übertragbarer Krankheiten, war immer schon suspekt.
Eine nähere Untersuchung ergibt, daß alle Aspekte dieser Praxis von psychologischen Faktoren beeinflusst werden, darunter die Auswahl derer, die Studien zur Beschneidung durchführen, welche Fragestellungen bearbeitet und welche ignoriert werden, welche Studien zur Veröffentlichung gelangen und welche nicht, welche Informationen zur Beschneidung an Eltern weitergegeben und welche ihnen vorenthalten werden, welche Empfehlungen von Ausschüssen/Komitees ausgesprochen und welche ignoriert werden und welche Erkenntnisse zur Beschneidung in den Medien berichtet und welche verschwiegen werden.Die wissenschaftlich-medizinische Literatur zur Beschneidung reflektiert die Voreingenommenheit der beschnittenen amerikanischer Forscher, die gezielt nach Vorteilen der Beschneidung suchen und mögliche Nachteile ignorieren und nicht erforschen. Die Antwort auf die Frage, die der Forschung gestellt wird, ist davon abhängig, welche Frage im Fokus der Forschung steht. Die Voreingenommenheit für Beschneidung in der amerikanischen Medizin reflektiert die Voreingenommenheit für Beschneidung in der amerikanischen Kultur: die USA sind das einzige Land der Welt, in dem viele männliche Säuglinge aus nicht religiösen Gründen beschnitten werden.
Die Kritik behandelt folgende Punkte:
1.) Die falsche Annahme, daß der einzige Weg, die Beschneidung zu beurteilen, die Durchführung medizinischer Studien sei
2.) Die dem AAP-Bericht zugrunde liegenden persönlichen, kulturellen, finanziellen und professionellen Interessenskonflikte
3.) Die Unvereinbarkeit des AAP-Berichts mit den Positionen anderer Länder, die einer Beschneidung entgegenstehen oder ihre gesetzliche Beschränkung diskutieren
4.) Die Zweifel, die an vielen der im AAP-Bericht zitierten Studen angemeldet wurden
5.) Die Tatsache, daß bei der Diskussion über den möglichen Nutzen der Beschneidung bei der Verhinderung der Übertragung von Krankheiten, mit keinem Wort Kondome erwähnt wurden
6.) Die übertriebene Darstellung des Nutzens der Beschneidung bei der Vermeidung von Peniskrebs
7.) Die übertriebene Darstellung des Nutzens der Beschneidung bei der Vermeidung von Harnwegsinfekten
8.) Die Tatsache, daß potentielle medizinische Vorteile keine tatsächlichen medizinischen Vorteile sind.
9.) Das Versäumnis, auf den Beschneidungsschmerz und seinen Einfluss auf das Verhalten des Kindes einzugehen
10.) Das Versäumnis, alle Risiken und ethischen Bedenken zur Beschneidung aufzuführen
11.) Das Versäumnis, die Nötigung von Ärzten und die Durchführung nicht autorisierter Beschneidungen aufzuführen
12.) Der Versuch, Hygiene als Vorteil der Beschneidung darzustellen
13.) Die Nichterwähnung der Funktionen der Vorhaut
14.) Das Versäumnis, den gut bekannten Zusammenhang zwischen Beschneidung und erektiler Dysfunktion zu untersuchen
15.) Die Nichterwähnung psychologischer Schäden, die durch die Beschneidung verursacht werden
16.) Die Unausgewogenheit des AAP-Berichts zugunsten des Nutzens der Beschneidung
17.) Die Voreingenommenheit bei der Empfehlung zukünftiger Forschungsansätze zur Entdeckung von Vorteilen statt Nachteilen der Beschneidung
18.) Die Nichtbeachtung von Schwierigkeiten bei der Erlangung eines “informierten Einverständnisses” des Patienten
19.) Der Versuch, die Verantwortlichkeit für die Beschneidung auf die Eltern zu schieben
20.) Die Nichtbeachtung ernster ethischer Bedenken angesichts der Entfernung eines wichtigen, gesunden und unersetzlichen Teils vom Körper eines Kindes ohne medizinische Notwendigkeit
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