Vergewaltigungsdrogen sind Substanzen, die die (Neben)Wirkung haben und auch zu diesem Zweck eingesetzt werden, ein Opfer, dem sie (heimlich) verabreicht werden, gefügig, widerstandslos und steuerbar zu machen, um sexuelle Übergriffe zu erleichtern und womöglich die Entstehung von Erinnerungen an die Tat einzuschränken.
Leider häufen sich in letzter Zeit, auch in der forensischen Fachliteratur, die Berichte zum Einsatz solcher Substanzen, so daß fachsprachlich bereits die Abkürzung „DFSA“ (drug-facilitated sexual assault, dt: substanzunterstützter sexueller Mißbrauch) geführt wird und eine lange Liste von Drogen, Medikamenten und anderen Chemikalien, die bereits für DSFA eingesetzt wurden, bekannt ist. Es soll übrigens nicht unerwähnt bleiben, daß auch das sogenannte „Abfüllen“ mit handelsüblichen Alkoholika vor dem sexuellen Mißbrauch als DFSA gewertet wird!
In einem Artikel in Forensic Science International wurde der Mißbrauch von Tetrahydrozolin (THZ) (im Zusammenhang mit Alkohol) zur Begehung von DSFA an den Fallberichten zweier junger Frauen beschrieben [1].
THZ ist ein Imidazolderivat, das seit den 50er Jahren sowohl als Nasenspray (auf Rezept) als auch als Augentropfen (frei verkäuflich) unter zahlreichen Handelsnamen erhältlich ist. Es wirkt gefäßverengend und abschwellend und lokal angewendet bindet THZ an die Alpha-1-Adrenozeptoren, wird gegen verstopfte Nase, allergische Rhinitis und Augenreizungen und –rötungen eingesetzt und hat keine oder kaum merkliche Wirkung auf das zentrale Nervensystem.
Wenn THZ allerdings oral aufgenommen wird, wird es sehr rasch gastrointestinal resorbiert und ist seine Wirkung vor allem durch Bindung an zentrale Imidazol- und Alpha-2-Adrenozeptoren charakterisiert und daher durchaus dramatisch: es kommt zu Blutdrucksenkung und Herzverlangsamung, Hypothermie, Sedierung und allgemein einer deutlichen zentralnervösen Dämpfung wobei die Wirkung auf den Herzkreislauf sogar gefährlich werden kann.
Im ersten Fall war das Opfer eine 16 Jahre alte, 48 kg schwere US-amerikanische Jugendliche, die sich 7 Stunden nach dem Mißbrauch in der Notaufnahme vorstellte. Im Nachhinein konnte sogar durch Augenzeugenberichte rekonstruiert werden, daß auf einer Party der Täter heimlich Flüssigkeit aus einer Augentropfenflasche der Marke Visine® in ihr Glas gegeben hatte. Das Opfer wurde als „schwer angetrunken“ beschrieben und habe sich übergeben müssen. Das Opfer selbst konnte sich später diffus an die Tat erinnern und noch einige Details aus kurzen bewußten Episoden schildern, war zum Zeitpunkt der Untersuchung aber wach, alert und orientiert, zeigte keine Anzeichen von Herzverlangsamung oder niedrigem Blutdruck und auch neurologisch waren keine Auffälligkeiten feststellbar. Das Drogenscreening war negativ, allerdings fanden sich im Urin 0,15 g/dl Ethanol und 1,481 ng/ml THZ.
Das Opfer im zweiten Fall war eine indianisch-stämmige US-Amerikanerin von 19 Jahren und 52 kg Körpergewicht, die sich 23 Stunden nach der Tat in der Notaufnahme vorstellte. Nachforschungen ergaben, daß sie zuvor der Einladung eines männlichen Bekannten zum Cocktailtrinken gefolgt war. Sie hatte zuerst ein Gemisch aus Wodka, Eis und Cranberry-Saft aus einem Styroporbecher getrunken, wonach sie sich bereits „bedröhnt“ gefühlt habe. Aus demselben Becher habe sie dann auch den zweiten Drink, der ihr als „Spezialmischung“ angekündigt wurde, eingenommen. Schon während sie trank habe sie sich „komisch“ und „schwummerig“ gefühlt. Auch sie hatte Erinnerungen an die Tat und konnte noch Details während klarer Momente rekonstruieren. Das letzte, woran sie sich erinnerte, war, wie sie sich in eine Mülltonne übergab, nachdem sie von ihrem Mobiltelephon geweckt worden war. Am Morgen nach der Tat mußte sie sich erneut übergeben, klagte über Schwindel und fühlte sich als „stehe sie neben sich“. Vitalzeichen lagen den Autoren nicht zur Begutachtung vor, aber auch hier war das Drogenscreening negativ bis auf THZ (108 ng/ml) (aber kein Ethanol) im Urin.
In beiden hier geschilderten Fällen wurde THZ zusammen mit Alkohol eingenommen und führte zu Lethargie, zentralnervöser Dämpfung und Bewußtlosigkeit. Nach 24 Stunden waren die meisten Symptome, die klinisch denen einer Opiat-Überdosis ähneln, verschwunden. Erbrechen trat zwar in beiden Fällen auf, kann aber mitbedingt durch die Alkoholaufnahme gewesen sein. Um die Dosis von THZ, die den Opfern verabreicht worden war, zu ermitteln, verglichen die Autoren die beiden beschriebenen mit anderen in der Literatur berichteten Fällen. Da die THZ-Konzentration im Urin des zweiten Opfers ungewöhnlich hoch war, muß ihr eine erhebliche Menge der Substanz verabreicht worden sein.
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