“Being is a constant. This life is nothing short of a redefining quantum shift of endless choice.”
(Ü: Sein ist eine Konstante. Dieses Leben ist nichts weniger als eine umdefinierende Quantenverschiebung endloser Wahlmöglichkeiten.)
Dieser Satz ist Bullshit und zwar intellektuell klingender, pseudo-tiefsinniger Bullshit (PTB), also eine scheinbar eindrucksvolle Erklärung, die als wahr und bedeutungsschwer präsentiert wird, in Wirklichkeit aber hohl und nichtssagend ist. Bullshit unterscheidet sich überdies von Nonsens, indem ersterer eine Bedeutung zwar impliziert aber nicht besitzt.
So definierten es Pennycook und Kollegen in ihrer mehrere Studien zusammenfassenden Arbeit „Zur Rezeption und Entlarvung pseudo-tiefsinnigen Bullshits“, die vor einem Jahr in der Fachzeitschrift Judgment and Decision Making erschien [1] und ja, sie schreiben wirklich „bullshit“ darin, mehr als 100 mal 🙂
Die Autoren setzten mehreren hundert Probanden mit verschiedenen Generatoren (auch mein Einleitungsbeispiel stammt dorther) erzeugte PTB-Sätze vor, z.B. „hidden meaning transforms unparalleled abstract beauty“ (Ü: eine versteckte Bedeutung transformiert beispiellose, abstrakte Schönheit). Das ist natürlich nichts weiter als eine Ansammlung inhaltlich unverbundener Schlagwörter, die mehr oder weniger zufällig in einen syntaktisch korrekten Satz gewürfelt wurden.
Die Probanden sollten die Tiefsinnigkeit und Bedeutungsschwere der ihnen vorgelegten Sätze auf einer Skala von 1 bis 5 bewerten. Der resultierende Mittelwert lag bei 2,6, d.h. die Sätze wurden durchschnittlich als zwischen „etwas tiefsinnig“ (engl. somewhat profound) und „recht tiefsinnig“ (engl. fairly profound) eingestuft. Mehr als ein Viertel der Teilnehmer vergab jedoch durchschnittliche Wertungen von 3 und höher, fand die Sätze demnach „recht profund“ oder sogar „sehr profund“.
Im zweiten Teil der Studie wurde den Probanden dann parallel echter PTB aus der freien Wildbahn vorgelegt, wofür sich als Quelle natürlich niemand besser eignet, als Deepak Chopra und seine Nachrichten bei Twitter, und zusätzlich PTB aus dem Generator (s.o.). Die Ergebnisse waren recht ähnlich: vielen Teilnehmern gelang es nicht, den PTB zu entlarven.
Sicherheitshalber führten die Autoren auch eine Art Kalibrierung der Probanden durch, indem sie ihnen Allerweltssätze wie „Neugeborene benötigen dauernd Aufmerksamkeit“ und bekannte, tatsächlich „tiefsinnige“ Aussagen wie „ Wer naß ist, fürchtet den Regen nicht“ vorlegten. Damit sollte kontrolliert werden, ob die Probanden nicht sowieso alles als tiefsinnig einordnen würden und erwartungsgemäß wurden die Allerweltssätze niedrig, die bekanntermaßen tiefsinnigen Aussagen deutlich höher auf der Skala bewertet.
Die Ergebnisse der Tests wurden dann mit zuvor bei den Probanden erhobenen Persönlichkeitsmerkmalen korreliert, darunter Intelligenz und Neigung zu analytischem Denken, religiöser Glaube, CRT-Rating, rechnerische Fähigkeiten und Anfälligkeit für ontologische Verwirrung (so umschreiben die Autoren die Neigung, Kategorienfehler nicht zu erkennen).
Die Originaldaten können bei Interesse in der Publikation selbst nachgelesen werden, ich gebe hier nur eine Zusammenfassung der Ergebnisse:
Es ergaben sich gute Belege dafür, daß Individuen sich in konzeptionell interpretierbarer Weise in ihrer Neigung unterscheiden, PTB-Aussagen Bedeutung zuzumessen. Diese Neigung bezeichnen die Autoren als „Bullshit-Empfänglichkeit“. Empfänglichere Personen waren demnach weniger reflektiert, verfügten über geringer ausgeprägte kognitive Fähigkeiten (z.B. verbale und fluide Intelligenz, rechnerische Fähigkeiten), neigten stärker zu ontologischer Verwirrung und Verschwörungsdenken und –vorstellungen, unterhielten eher religiöse und paranormale Glaubensvorstellungen und befürworteten in höherem Maße alternative (also Pseudo-)Medizin.
Die Autoren führten noch einen weiteren Terminus ein, ein Maß für PTB-Sensitivität. Die Ausprägung dieser Fähigkeit, PTB-Sätze zu erkennen und von tatsächlich tiefsinnigen Aussagen zu unterscheiden, wurde durch die Differenz der Skalenwerte für PTB-Sätze und wirklich bedeutsamen Aussagen berechnet und korrelierte mit der Neigung zu analytischem Denken und einer skeptischen Haltung gegenüber paranormalen Behauptungen.
Die Autoren sagen dazu: “unsere Befunde sind konsistent mit der Idee, daß die Tendenz, vage, bedeutungslose Aussagen als tiefsinnig zu bewerten, ein legitimes psychologisches Phänomen ist, das durchgängig mit zumindest einigen Variablen von theoretischen Interesse korreliert ist.“
Ich kann nicht sagen, daß mich die Ergebnisse der Studie stark erstaunt haben (über die Bestätigung eines nicht völlig unähnlichen Zusammenhangs schrieb ich ja kürzlich erst), sie helfen aber, zu verstehen, warum solche Gestalten wie Herr Chopra durch das beständige Produzieren wirklich fabelhaften Bullshits unanständig reich werden, statt, wie es richtig wäre, mit riesigen Schuhen auf einem winzigen Fahrrad in einer Manege im Kreis zu fahren. Willkommen im postfaktischen Zeitalter.
“Die Vorstellung ist im Inneren von exponentiellen Raum-Zeit-Ereignissen”
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