Die neuen Bachelor-Studiengänge haben an Universitäten und Fachhochschulen (FH) bislang nicht zu niedrigeren Abbrecherquoten geführt. “In den MINT-Fächern liegt die Quote im Durchschnitt bei 30 Prozent. In den Ingenieurswissenschaften brechen teilweise über 40 Prozent ihr Studium ab“, sagte der Präsident des Stifterverbandes, Arend Oetker.

Weitere Informationen zu der Entwicklung der Studienabbrecher-Zahlen seit Einführung der Bachelor-Studiengänge gibt es hier, hier, hier und hier.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich habe durchaus Verständnis für die Ziele des DIHK und gegen mehr Praxisbezug sowie Kooperationen mit Unternehmen überhaupt nichts einzuwenden. Bei alledem muss eine Hochschule aber auch mehr bleiben, als nur ein “Absolventenzulieferer” für die Wirtschaft.

Schon das Geschrei nach immer jüngeren Absolventen war meines Erachtens nach unverantwortlich – ich habe nie verstanden, warum man als Unternehmen unbedingt 23jährige Informatiker braucht und 25jährige schon zu alt sein sollen. Ich habe auch nie begriffen, warum von frischgebackenen Akademikern erwartet wird, jahrelang zu Praktikantengehältern zu arbeiten, für die frischgebacken Absolventen einer Berufsausbildung morgens (zu Recht) nicht einmal aufstehen würden.

Wenn es nun aber auch noch darum geht, die Freiheit von Forschung und Lehre und die akademischen Inhalte des Curriculums ganz den Anforderungsprofilen von Industrie und Wirtschaft anzupassen, dann müssen die Hochschulen über kurz oder lang gegensteuern, wenn sie noch “echte” Hochschulen bleiben wollen…

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Kommentare (9)

  1. #1 florian
    18. September 2008

    Guter Artikel! Ich halte die zunehmende Orientierung an der Wirtschaft auch – langfristig gesehen – für absolut schädlich. Wir haben dann vielleicht haufenweise “Akademiker” die perfekt in irgendwelchen Firmen arbeiten können – aber niemanden mehr, der fähig ist zu forschen! Und ohne neue Forschung wird die Wirtschaft auch irgendwann mal Probleme bekommen.

    Man müsste Frau Pankow mal fragen, was sie von Astronomen hält. Emplayability-mäßig sind wir ja jetzt nicht so gut aufgestellt 😉 (Der Rektor der Uni Wien hat mal bei ner Veranstaltung an der Unisternwarte was ähnliches gesagt: Astronomie sei zwar eine tolle und interessante Sache und sicher gut geeignet als Zweitstudium oder Nebenbeschäftigung. Aber das Hauptaugenmerk sollte doch auf Studien liegen, die von der Wirtschaft gebraucht werden….)

  2. #2 ScienceBlogs Redaktion
    18. September 2008

    Sehr, sehr guter Artikel! 🙂

    Genau dieser teilweise vorauseilende Gehorsam der Universitäten und Hochschulpolitik, die sich den vermeintlichen Anforderungen der Wirtschaft unterwerfen, ist etwas, was sich mir schon lange nicht mehr erschließen will. Dabei verstehe ich übrigens gar nicht, weshalb man seitens der Hochschulpolitik unterstellt, die Wirtschaft wüßte tatsächlich, welche Mitarbeiter, mit welchen Fähigkeiten sie in 5, 10 oder 15 Jahren benötigt.

    Denn woher weiß die Wirtschaft das so genau? Wäre es stattdessen nicht viel erfolgversprechender und krisensicherer, wenn die Wissenschaft weiterhin maximal “eigensinnig” agierte? Eine Anpassung auf kurzfristige Erfordernisse und Kompetenzprofile (á la Employabilität) kann auf jeden Fall nicht die Lösung sein.

  3. #3 Zapp
    18. September 2008

    Ich schliese mich meinen Vorrednern an, ein guter Artikel und sehr treffend.

    Es ist anscheinend kein gesellschaftlicher Konsens mehr, dass Wissenschaft und insbesondere Grundlagenforschung einen Wert an sich darstellt. Das äussert sich dann in Fragen wie “Was hätte man mit dem Geld für den LHC nicht alles vernünftiges machen können” bis zum Hinweis, dass Planetarien überflüssig sind (*).
    Mal schauen wie lange es noch dauert, bis man als Uni-Wissenschaftler nur noch als jemand angesehen wird, der dem Staat auf der Tasche liegt.

    Zum Thema Bachelor und Studiendauer: Gerade gestern habe ich mich mit meiner Chefin darüber unterhalten, dass die Zahl der Auslandsaufenthalte der Studierenden seit der Einführung des Bachelor/Master-Systems abgenommen hat und sie davon ausgeht, dass das Auswirkungen auf das Erasmus-Programm haben wird. Während des stark verschulten Studiums können die Studenten es sich einfach nicht leisten, ein Semester zu verlieren und wegen der oft sehr speziellen Ausrichtung ist die gegenseitige Anerkennung von Studienleistungen ziemlich schwierig. Der Horizont, den eine universitäre Ausbildung bieten kann, wird immer enger…

    *) https://blogs.discovermagazine.com/badastronomy/2008/09/15/john-mccain-literally-antiscience/

  4. #4 Martin Hedler
    19. September 2008

    Kann es sein, dass deutsche Wissenschaftler ein sehr gefiltertes Sichtfeld haben?
    Wieso wird zwar völlig berechtigt die Einflussnahme “der Wirtschaft” (was oder wer immer das auch ist) auf die Forschung und Bildung kritisiert, nicht aber die des Staates?

  5. #5 Zwerg
    19. September 2008

    Sehr guter Artikel. Bei allem Verständnis für die Bedürfnisse der Wirtschaft – die sich ja auch mit den Wünschen von vielen Studierenden treffen, möglichst schnell in einem guten Beruf mit Aufstiegschancen zu kommen – sollte die Wissenschaft nicht vernachlässigt werden. Beruhigt schaue ich mir dann an, wieviele Seniorstudenten es gibt und weiß, daß wissenschaftliches Arbeiten mehr als nur ein wirtschaftliches Interesse ist, sondern offenbar ein grundsätzliches Bedürfnis des Menschen.

  6. #6 Christian
    19. September 2008

    @Martin Hedler: Eigentlich nicht – ich denke, wir kritisieren die Politik oft genug, wenn sie wieder einmal die Rahmenbedingungen für gute Forschung vermurkst und Gelder für Kultur und Wissenschaft als erstes zusammengestrichen werden. Hier geht es doch aber um einen negativen inhaltlichen Einfluss auf die Lehre – den sehe ich bei der Politik momentan eher weniger, vielleicht abgesehen davon, dass manche Politiker auf der Employability-Welle mitreiten…

  7. #7 Christian
    19. September 2008

    @Zwerg: Der Tag ist vermutlich leider nicht mehr fern, an dem jemand argumentiert, dass Senioren mit einer Employability von Null wieder aus den Hochschulen verschwinden sollen. Oder nicht? In dem Moment, in dem Employability als ultimatives Ziel von Hochschulbildung allgemein akzeptiert wird, ist das doch der nächste logische Gedankenschritt…

  8. #8 Ludmila
    25. September 2008

    Hatten wir nicht eigentlich für die Bedürfnisse der Wirtschaft Fachhochschulen? War das nicht genau der Sinn und Zweck des Ganzen und ein bewusster Gegenentwurf zur Hochschule, um die Freiheit der Forschung auch und insbesondere von der Wirtschaft zu gewährleisten?

    Und so schlimm kann das mit den “alten” Hochschulen nicht gewesen sein, sonst wären deutsche Hochschulabsolventen nicht so hoch angesehen im Ausland.

  9. #9 Nathalie
    24. April 2013

    Endlich mal jemand, der die Wahrheit ausspricht. Aber nicht nur im akademischen Curriculum hat die Wirtschaft ihre Griffel im Spiel, sondern bereits im schulischen Curriculum werden Kinder für diese Anforderungen vorbereitet. Net-Working für Babys – McKinsey lässt grüßen! Daumen hoch von einer Lehramtsstudentin