Eine der größten Blockaden bei der Verringerung des Lichtsmogs ist die Angst vieler Menschen, dass eine Reduktion der Beleuchtung unweigerlich mit einem Anstieg an Verbrechen verbunden ist. Ein aktuelles Beispiel aus Illinois illustriert dieses Problem.

Im Grunde ist eine Reduktion der Lichtverschmutzung ja ein Gewinn für alle: Man spart Energie und schont damit Klima und Geldbeutel, schützt zahlreiche nachtaktive Tierarten, schont die menschliche Gesundheit und ermöglicht eine bessere Sicht auf die Schönheiten des nächtlichen Himmels. Trotz alledem finden Maßnahmen zur Minimierung des Lichtsmogs in der Öffentlichkeit häufig wenig Anklang. Einer der wesentlichen Gründe dafür ist die Befürchtung, dass weniger Licht in der Nacht auch weniger Sicherheit bedeutet.

“Maybe the village will issue night vision goggles”

Wie tief diese Ängste bei manchen sitzen, illustriert ein Beispiel aus Barrington Hills im US-Bundesstaat Illinois. Der Ortschaftsrat versucht dort gegenwärtig in Zusammenarbeit mit der IDA – der International Dark Sky Association – Barrington Hills als Dark Sky Community zu zertifizieren. Der 4.000-Seelen-Ort wäre damit nach Flagstaff in Arizona und Borrego Springs in Kalifornien die dritte Dark Sky Community in den Vereinigten Staaten (über ein recht ähnliches Projekt der Stadt Tekapo in Neuseeland hatte ich hier schon mal berichtet).

Barrington Hills-Lokalpolitiker Robert Kosin macht sich Gedanken über Lichtsmog

Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die Regeln für die individuelle Außenbeleuchtung von Wohngebäuden verschärft werden. Im Vorfeld einer Entscheidung des Ortschaftsrats von Barrington Hills über eine neue Beleuchtungsordnung, wurde auch auf der Webseite des Daily Herald heftig diskutiert. Wer die Diskussionsbeiträge überfliegt, lernt vor allem zweierlei. Erstens: Weniger Licht bedeutet mehr Verbrechen. Und zweitens: Die meisten Lichtsmog-Gegner sind vollkommen übergeschnappte Öko-Kommunisten.

Beispiele gefällig?

“The IDA is a fanatical organization that writes such articles to serve its own purpose. Stay in Arizona and gaze to your hearts delight”.

“Go out to the country to see the stars if that is so important. Maybe down to Cuba – that is dark.”

“This reminds me of that North Korea at night from space picture.”

“If our trustees want to sit in their backyards in their tinfoil hats and greet aliens from outer space, God bless’em. I’d rather they do that than be a part of village government. They have brought ridicule and embarrassement to every resident of our village.

Wie sieht es aber mit der Angst vor Verbrechen aus?

“Turn off all the lights and watch the thugs and robbers come out…”

“Maybe the reason crime is so low at night is because many of us have security lighting of some kind, and we live far enough from our neighbors that if someone ‘mistakenly’ trespasses into our home, we’ll take the appropriate course of action.”

“Maybe the village will issue night vision goggles to the residents to that they can see what they’re shooting at when an intruder approaches their house.”

“Don’t you wonder who’s licking their chops at the thought of homes with little or no exterior lighting in the near future?”

“I have no problems with this. Not worried about the threat of increased crime. I’ll just sit on my garage balcony with my 30.30 with night vision scope and pick’em off one by one.”

“Well, now they can scope out the neighborhood during the day when they can see all they need to see to come back in the dark of night and do their dastardly deeds.”

“Hopefully criminals take notice and prey on these fools who want to be ignorant and trendy.”

Sind solche Ängste tatsächlich begründet?

Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst einmal festzustellen, dass bei vielen Maßnahmen, die der Reduktion der Lichtverschmutzung dienen, überhaupt keine negativen Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit vorstellbar sind. Schirmt man beispielsweise Lampen nach oben ab bzw. verzichtet auf die sogenannten “Kugelleuchten”, verändert sich das Beleuchtungsniveau auf Bürgersteig und Straße zunächst einmal in keinster Weise.

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Effiziente und ineffiziente Beleuchtung – Illustration von Florian Schweidler

Auch der Verzicht auf unnütze Bodenleuchten oder das Nicht-Beleuchten von menschenleeren Parkplätzen kann sich auf die Sicherheitslage kaum auswirken – ebenso wie auch der Einsatz energieeffizienter Beleuchtungssysteme wie beispielsweise LED-Straßenlampen.

Die (begrenzten) Erfahrungen mit diesem Thema, die ich bislang im Rahmen unseres AuLED-Projekts sammeln konnte, zeigen sogar, dass insbesondere das Licht von weißen LEDs im Vergleich zum Licht von Natriumdampflampen selbst dann als heller wahrgenommen wird, wenn das gemessene Beleuchtungsniveau tatsächlich niedriger ist – d.h. subjektiv erhöhtes Sicherheitsempfinden bei objektiv reduzierter Beleuchtungsdichte.

Da es thematisch passt, ausnahmsweise mal ein wenig Eigenwerbung: MDR-Bericht vom vergangenen Jahr über die Entwicklung von LED-Straßenlampen an der Hochschule Harz

Aber was passiert, wenn man beispielsweise jede zweite Straßenlampe abschaltet oder aber das Beleuchtungsniveau über eine zeitgebundene Dimmung reduziert? Ist es nicht sinnvoll anzunehmen, dass potenzielle Straftäter sich im Dunkeln sicherer fühlen? Zu dieser Frage gibt es mit London und Rheine zwei spannende Präzendenzfälle (mit zugehörigen Studien), die ich nachfolgend kurz betrachten möchte.

Wie sieht die Studienlage aus?

Quintessenz beider Untersuchungen ist, dass der Effekt, der von einer Reduzierung der Straßenbeleuchtung ausgeht, in erster Linie ein psychologischer ist. Da wir unsere Umwelt primär über visuelle Reize wahrnehmen, löst schlechte Sicht bei vielen Menschen unmittelbar Gefühle von Unsicherheit und mangelnder Orientierung aus, in einigen Fällen auch von Angst und Bedrohung. Dabei bestimmen insbesondere demographische Faktoren wie Alter und Geschlecht, als wie gefährlich eine dunkle Straßenszene empfunden wird.

Die Realität jedoch sieht anders aus. So wirkte sich beispielsweise die Installation von 3.500 besonders hellen Straßenlampen im Londonder Stadtteil Wandsworth über den untersuchten Zeitraum von einem Jahr nicht signifikant auf die Anzahl der gemeldeten Straftaten aus – dennoch stieg das subjektive Sicherheitsempfinden der Anwohner merklich an, wie im Rahmen einer Studie des britischen Home Office festgestellt werden konnte [1].

No evidence could be found to support the hypothesis that improved street lighting reduces reported crime. Although some areas and some crime types did show
reductions in night-time crime relative to the daylight control, the dominant overall
pattern, from which this study draws its authority, was of no significant change.

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Kommentare (8)

  1. #1 miesepeter3
    1. Februar 2010

    Das hat man schon vor 40 Jahren festgestellt: Autodiebe knacken nachts am liebsten Autos, die direkt unter einer Laterne geparkt sind. Da können sie viel besser sehen, was sie tun müssen.

  2. #2 YeRainbow
    2. Februar 2010

    Sicherheitsgefühl und Angst vor Viktimisierung sind “meanings”, die sich durch harte Daten nicht unbedingt stützen lassen.
    Das Paradox ist recht gut bekannt, daß vor allem die sich fürchten, die vergleichsweise in geringer Gefahr sind.
    Angst ist auch eine Angelegenheit, die “ganzheitlich” im Menschen wirkt. Hat man schon Ängste (vor Arbeitslosigkeit etwa, nur mal als Beispiel), ist der Angstlevel insgesamt höher (und die Personen äußern zu fast jedem Bereich mehr Ängste).
    Hab da mal ne Arbeit dazu geschrieben, wens interessiert, ich geb sie zum Lesen weiter. (leider haben solche Arbeiten es an sich, ziemich langweilig zu sein…)

  3. #3 Sabine
    2. Februar 2010

    Auf dem letzten Bild sieht man doch aber ganz deutlich, was passiert, wenn man die Lichter abschaltet: Außerirdische schleichen sich hinter Bergen hervor! Mehr Licht!

  4. #4 Lioman
    2. Februar 2010

    Das Problem mit der gefühlten Sicherheit ist, dass sie im allgemeinen als reale Sicherheit angesehen wird. Die Politik unterstützt das meistens auch noch. Motto: Wir tun was! – Wählt uns wieder! Das viele Sicherheitsvorkehrung als wirkungslos zerbröseln, wenn man sie näher beleuchtet ist dabei egal. Dabei gibt es genug Bereiche in einer Stadt, wo man abschalten könnte, ohne dass es überhaupt einer merkt. Man könnte aauch Bewegungsmelder montieren, selbst das würde schon einiges helfen. Eine Großstadt müsste mal so mutig sein, die gewonnenen Daten würden vielleicht auch andere ermutigen.

  5. #5 Ilona
    2. Februar 2010

    Meiner Meinung nach ist die realistische Sicherheit für das Wohlbefinden desjenigen, der sich durch die Straße bewegt völlig irrelevant. Das Problem ist ja, dass logisches Argumentieren beim Beängstigten einfach nicht ankommt. Geht mir ganz genau so, wenn mir ne Straße zu dunkel ist, dann nehm ich nen andern Weg. Ich bin mir sicher, dass ich da nicht die einzige bin.
    Ich hab in der letzten Adventszeit jedoch zum ersten Mal bewusst wahr genommen, dass die Festbeleuchtung in der Heidelberger Fußgängerzone sowie die meisten Schaufensterbeleuchtungen nachts ausgeschalten waren. Fand ich auf den ersten Blick ein wenig unweihnachtlich, bis mir dann wieder einfiel, wieviel Strom dabei gespart wird. Und hell wars trotzdem noch.

  6. #6 JA
    2. Februar 2010

    Zu der unterschiedlichen Wahrnehmung des weißen Lichts der LED-Lampen und dem gelbem Licht der Na-Dampf Lampen:
    Kann es sein, dass der visuelle Eindruck im dunklem Umfeld stattfand und die Messung der Beleuchtung mit einem Standardmessgerät gemacht wurde?
    Dann würde Ich nämlich darauf tippen dass es am Purkinje-Effekt liegt (Verschiebung der Empfindlichkeit des Auges hin zum kurzwelligem Bereich beim Nachtsehen).
    Mit einem Messgerät welches einen der V’ Lambda (V-Strich) statt der V Lambda Kurve angepassten Filter verwendet, sollten dann dem visuellen Eindruck entsprechende Messwerte rauskommen.

  7. #7 Redfox
    10. Februar 2010

    “Turn off all the lights and watch the thugs and robbers come out…”

    Ich wette die wenn man ihn fragen würde ob Waffen Verbrecher machen würde er das wütent verneinen. Aber Dunkelheit veursacht natürlich verbrechen…

  8. #8 Clara
    23. Februar 2010

    @ Ilona: “Das Problem ist ja, dass logisches Argumentieren beim Beängstigten einfach nicht ankommt.”
    Muß nicht immer stimmen: Während des Studiums bin ich im Winter mit dem Fahrrad zur Uni gefahren, mind. 3 km durch den dunklen Wald. Einige guckten mich schokiert an, im Sinne von “Du? Als Frau? Das würde ich niiiiie machen!” Ich erklärte dann, daß die gefährlichste Stelle die beleuchtete Brücke war: Jeder im dunklen Wald konnte mich in dem Moment sehen und erkennen, daß ich “nur” eine Frau bin und kein 2-Meter-Mann mit einem 1 m breiten Kreuz. Auf dem Rest der Strecke bewegte ich mich “im Schutz der Dunkelheit”. Die Erklärung kam bei allen an. (Stehengeblieben wäre aber auch ich nicht 😉 )