Der Winter ist noch nicht ganz vorbei, und in den kommenden Wochen haben wir noch Gelegenheit, die wohl schönsten Sternbilder des Jahres gleich nach Einbruch der Dunkelheit im Süden und Südwesten zu sehen. Sie sind sehr auffällig, enthalten 7 der 20 hellsten Sterne des Himmels, und ich möchte Euch ermuntern, abends einmal nach ihnen Ausschau zu halten und sie Euch einzuprägen, wo Ihr eh schon gerade nach Venus und Merkur schaut. Sie erlauben eine solide Orientierung am Winterhimmel – falls es beispielsweise dort mal ein Ereignis zu sehen gibt.
Das Wintersechseck
Das Bild unten zeigt den derzeitigen Anblick des Südhimmels ca. 1,5h nach Sonnenuntergang, vom Südpunkt unten bis zum Zenit oben. Der Anblick sollte dem von einem dunklen Hinterhof oder Balkon innerhalb einer kleinen Stadt entsprechen. Man sieht Sterne der ersten (hellsten) bis etwa dritten Größenklasse. Der Mond ist derzeit aus dem Wege: Neumond ist am 17. März und bis zum 20./21. wird er nicht sehr hell sein, bevor er dann am 22. fulminant die Bühne betreten wird.
Genau im Süden steht unten im Bild der hellste Stern des Himmels, Sirius in Kulmination.
Vielen dürfte der Orion mit seinen drei markanten Gürtelsternen bekannt sein; am Himmel wirkt er größer als auf dieser Übersichtskarte. Die hellsten Sterne im Orion sind jedoch links oben der orangerote Beteigeuze und rechts unten der weißblaue Rigel. Rechts (westllich) oberhalb davon liegt leicht nach links geneigt das markante V des Stiers (der Sternhaufen der Hyaden) und oberhalb davon fast am rechten Bildrand findet man den Sternhaufen der Plejaden, der wie eine verkleinerte Kopie des Kleinen Wagens wirkt und gelegentlich mit diesem verwechselt wird, welcher jedoch den Polarstern enthält und damit ganzjährig im Norden steht.
Am oberen Bildrand rechts der Mitte leuchtet zenitnahe die helle Capella im Sternbild Fuhrmann, das eine fünfeckige Form hat, obwohl der südlichste Stern im Bild tatsächlich zum Stier gehört. Gegen den Uhrzeigersinn weiter nach links (Osten) finden wir zwei helle, benachbarte Sterne, das sind Castor und Pollux, die Zwillinge. An der Grenze zwischen den Zwillingen und dem Stier erreicht die Ekliptik ihre höchste Deklination, entsprechend dem Sommerpunkt, in dem die Sonne zum Sommeranfang ihre Sonnenwende vollführt und wieder nach Süden zu wandern beginnt. Man sieht im Winter die Sterne, die im Sommer von der Sonne überstrahlt werden und umgekehrt, weswegen Vollmonde im Winter sehr hoch und im Sommer entsprechend niedrig stehen.
Direkt unter den Zwillingen befindet sich der helle Stern Prokyon im Kleinen Hund, und der Kreis schließt sich wieder bei Sirius im Großen Hund.
Die hellsten Sterne im Bild formen ein markantes Sechseck mit Beteigeuze ein wenig abseits der Mitte. Dieses sogenannte Wintersechseck bietet eine gute Orientierung, um die Wintersternbilder wieder zu finden.
Zur besseren Orientierung das gleiche Bild noch einmal mit Sternbild- und Koordinatenlinien (gelb: Wintersechseck, grün: azimutale Koordinaten alle 10° in Azimut und Höhe, rot: Ekliptik, blau: Himmelsäquator, der knapp oberhalb des Gürtels des Orions verläuft).
Das Wintersechseck ist selbst also kein eigenes Sternbild, sondern wie auch der Gürtel des Orion oder der Große Wagen ein Asterismus, d.h. ein Sternenmuster, das kein Sternbild ist. Asterismen können Teile eines Sternbilds sein, oder auch Sterne mehrerer Sternbilder vereinigen.
Mythische Jagdszenen
Um Orion ranken sich viele verschiedene Mythen; es wird behauptet, dass sein Name ältere Wurzeln hat als die griechische Mythologie. Dort kennt man ihn als einen Riesen und Jäger, was ganz gut zu seiner Repräsentation durch die oben im Bild eingezeichneten Sternbildlinien (auch Sternzüge genannt) passt. Man kann sich vorstellen, dass er rechts einen Bogen hält und mit der anderen Hand gerade einen Pfeil aus einem Köcher auf seinem Rücken zieht. In manchen Abbildungen hält er links eine Keule. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Der helle Stern Beteigeuze bildet die linke Schulter, Bellatrix die rechte, der blaue Rigel den rechten Fuß, die drei markanten Sterne einen Gürtel, an dem ein Schwert hängt – was es mit diesem auf sich hat, erfahren wir im separaten Artikel zum Sternbild.
Als Jäger wird Orion begleitet von zwei Jagdhunden, dem Großen und dem Kleinen Hund (lat. Canis Major und Canis Minor). Wildbret gibt es auch, und zwar unterhalb des Orion das nur aus schwachen Sternen bestehende, aber dennoch recht markante Sternbild des Hasen (lat. Lepus). Sirius im Großen Hund zeigte mit seinem ersten Aufgang am Morgenhimmel kurz vor Sonnenaufgang den Ägyptern die anstehende Nilschwelle an, die das wichtigste Ereignis für die ägyptische Landwirtschaft war. Noch heute heißt dieser Zeitraum im Hochsommer nach dem Sternbild Großer Hund die Hundstage, die wir hierzulande eher mit den heißesten Tagen im August in Verbindung bringen.
Einer Sage nach rühmte sich Orion der größte Jäger der Welt zu sein, was Zeus’ Frau Hera derart erzürnte, das sie ihn durch einen Skorpion töten ließ. Daraufhin versetzte Zeus ihn und den Skorpion als Sternbilder an den Himmel, wobei der Skorpion fast genau gegenüber am Himmel steht und zu den Sommersternbildern gehört, die wir zu gegebener Zeit kennenlernen werden. Wenn Orion im Frühjahr abends im Westen untergeht, geht der Skorpion im Osten auf und im Herbst ist es umgekehrt. So hat Zeus dafür gesorgt, dass der Skorpion und Orion sich nie mehr in die Quere kommen.
Das Sternbild Stier (lat. Taurus) geht wohl schon auf die Sumerer im 3. Jahrtausend vor Christus zurück, es ist eines der ältesten Sternbilder. Ein Himmelsstier ist schon im Gilgamesch-Epos überliefert, wo Gilgamesch gegen ihn kämpfen musste. In Mesopotamien wurde Orion mit Gilgamesch assoziiert.
Bei den Griechen nahm Zeus die Gestalt eines Stieres an, der die schöne Europa auf seinem Rücken nach Kreta trug. In einer anderen Version sandte Zeus einen Stier mit Europa nach Kreta. Auf Kreta verliebte sich der Stier in die Königin Pasiphae. Aus der Verbindung entstand der sagenhafte Minotaurus, ein Ungeheuer, halb Stier, halb Mensch, für das König Minos das berühmte Labyrinth als Gefängnis bauen ließ, das aus der Geschichte von Theseus und Ariadne bekannt ist. Der Stier wurde von Poseidon für seine Tat bestraft und musste von nun an feuerspeiend auf Kreta umherlaufen. Herakles fing ihn schließlich ein und brachte in aufs Festland, wo er allerdings nur Verwüstung anrichtete, bis Theseus ihn bei Marathon tötete.
Im Sternbild Stier enthalten sind die beiden Sternhaufen Hyaden und Plejaden. Die Hyaden und Plejaden sind einer Sage nach 12 Töchter des Atlas (der mit seiner Frau Pleione selbst am Himmel unter den Plejaden weilt), die den Tod ihres Bruders Hyas durch einen Schlangenbiss nicht verwinden konnten und immerfort weinten (griechisch hyades: “die es regnen lassen”). Aus Mitleid wurden sie von Zeus an den Himmel versetzt.
Das Sternbild des Fuhrmanns (Auriga, lat. für Wagenlenker) ist ebenfalls sehr alt. Schon die Babylonier erkannten in ihm einen Fuhrmann. Der helle Hauptstern Capella (lat. für kleine Ziege) wird in der griechischen Mythologie mit einer Ziege assoziiert, mit der die Nymphe Amalthea den jungen Zeus auf Kreta nährte, der dorthin von seiner Mutter Rhea vor seinem Vater Kronos in Sicherheit gebracht worden war. Kronos war einst prophezeit worden, dass eines seiner Kinder ihn eines Tages entmachten würde, weswegen er alle seine Kinder nach der Geburt fraß. Nach der Geburt von Zeus mogelte ihm Rhea jedoch einen in Windeln verpackten Stein zum Verschlingen unter und so konnte sie Zeus retten und auf Kreta in die Obhut von Amalthea und ihrer Ziege geben (in manchen Versionen ist Amalthea auch selbst die Ziege, oder eine Chimäre, ein Mischwesen aus Mensch und Ziege). Aus Dank versetzte Zeus das Zicklein später an den Himmel.
Der Fuhrmann selbst wurde von den Griechen mit Erichthonios von Attika identifiziert, Sohn des Hephaistos und der Gaia und späterer König von Attika. Der Sage nach hatte er einen schlangenförmigen Unterkörper gehabt und soll deshalb das Rad für den ihn ziehenden Wagen erfunden haben. Einer anderen Sage nach erfand er die Quadriga, den Vierspänner. Nach seinem Tod durch Poseidon wurde auch er von Zeus an den Himmel versetzt.
Um das Tierkreissternbild der Zwillinge (lat. Gemini) schließlich dreht sich die Sage von Kastor und Polydeukes (lat. Pollux), unzertrennliches Zwillingspaar ihrer Mutter Leda, in der gleichen Nacht gezeugt, jedoch von verschiedenen Vätern. Vater des Kastor war ein Mensch, König Tyndareos von Sparta, und somit war Kastor sterblich, aber Polydeukes war der Sohn des Zeus, der sich Leda als Schwan genähert hatte, und Polydeukes war als Halbgott unsterblich. Die beiden schlossen sich Jason und den Argonauten auf der Suche nach dem goldenen Vlies an. Eines Tages fachte Kastor einen Streit mit seinem Cousin Idas an, welcher Kastor erschlug, woraufhin Polydeukes Idas’ Zwillingsbruder Lynkeus tötete. Zeus griff in den Streit ein und erschlug auch Idas mit einem Blitz. Polydeukes trauerte so sehr um seinen Bruder, dass er Zeus bat, seine Unsterblichkeit aufzuheben, um Kastor in den Hades, das Totenreich, folgen zu können. Gerührt von so viel Bruderliebe stellte Zeus ihn vor die Wahl, entweder ewig unter den Göttern auf dem Olymp zu leben, oder von nun an mit Kastor zusammen abwechselnd je einen Tag auf dem Olymp und einen im Hades zu verbringen, dabei zu altern und irgendwann zu sterben. Ohne zu zögern entschied sich Polydeukes für die zweite Möglichkeit und wurde später mit seinem Bruder an den Himmel versetzt.
Nachdem wir mit den obigen Karten die Sternbilder am Himmel aufspüren können und etwas über ihre Mythologe erfahren haben, schauen wir sie uns in den folgenden Artikeln genauer an.
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