Taurus, der Stier
Westlich oberhalb des Orion findet sich das Sternbild des Stieres, lat. Taurus, durch das die Ekliptik verläuft; es gehört also zu den Tierkreissternbildern. Zwei Asterismen sind sehr auffällig: der V-förmige Kopf des Stieres um den hellen Stern Aldebaran, der auch als Hyaden oder Regengestirn bekannt ist und die Katalognummern Melotte 25 und Collinder 50 trägt, sowie weiter westlich der wunderschöne Sternhaufen der Plejaden, auch als Siebengestirn oder Messier 45 bekannt. Bei beiden handelt es sich um offene Sternhaufen, d.h. Gruppen von Sternen, die zusammen aus dem Kollaps einer Gas- und Staubwolke entstanden sind. Ein kurioser Zufall wollte es, dass hier zwei der größten und nächsten Sternhaufen so nahe beieinander am Himmel stehen, obwohl sie nichts miteinander zu tun haben [1]. Die Ekliptik läuft mitten zwischen beiden Sternhaufen hindurch; man spricht auch vom “goldenen Tor der Ekliptik”. Der Mond weicht auf seiner Bahn mal mehr nördlich, mal mehr südlich von der Ekliptik ab und kann dann entweder die Plejaden oder die Hyaden durchqueren. Dieses Jahr werden die Hyaden jeden Monat vom Mond durchkreuzt und auch Aldebaran wird gelegentlich verdeckt, was allerdings außer bei einer sehr schmalen Mondsichel wegen des hellen Lichts des Mondes nur im Teleskop gut zu beobachten ist.
Offene Sternhaufen sind locker gebunden, bestehen aus mehreren Dutzend oder Hundert Sternen, die üblicherweise nicht sehr alt sind. Solche lockeren Ansammlungen von Sternen werden nämlich durch die Gezeitenkräfte der Milchstraße und wechselseitige Begegnungen meist nach ein paar zehn bis hundert Millionen Jahren zerstreut. Nur sehr wenige offene Sternhaufen werden eine Milliarde Jahre alt [2].
Aldebaran
Der hellste Stern im Stier, Aldebaran, ist ein orangeroter Riesenstern (Spektraltyp K5 III) von 1,1-facher Sonnenmasse und 500-facher Sonnenleuchtkraft. Aldebaran liegt in den Hyaden und bildet das “linke Auge” des Stierkopfes, gehört aber überhaupt nicht zum mehr als doppelt so weit entfernten Hyaden-Sternhaufen. Er ist nur 65 Lichtjahre entfernt, im Vergleich zu den Sternen des Orion also quasi um die Ecke. Da er so nahe ist und gelegentlich vom Mond bedeckt wird, war er einer der ersten Sterne, deren Winkeldurchmesser und mit der Entfernung folglich auch wahrer Durchmesser bestimmt werden konnte. Denn ein ausgedehntes Objekt verschwindet nicht abrupt, wenn der Mond es “überfährt”, sondern dimmt mehr oder weniger schnell herunter, während der Mond sich davor schiebt. Bei Aldebaran dauert dies um die 1-2 tausendstel Sekunden (je nachdem, ob der Mond den Stern mittig oder eher am Rand der Mondscheibe überfährt). Das ergab einen Durchmesser von ca. 20 tausendstel Bogensekunden – angesichts des Auflösungsvermögens eines Teleskops von 1″ bis bestenfalls 0,1″ durch die Turbulenz der Atmosphäre ein ausgezeichnet genaues Ergebnis.
Umgerechnet auf die Entfernung ist Aldebaran auf rund 40 Sonnendurchmesser (ca. 55 Millionen km) angeschwollen und auf dem Weg zum Roten Riesen am Ende seines Lebens. Im Kern ist der Wasserstoff für die Fusion zu Helium aufgebraucht und die Wasserstofffusion hat sich in eine nach außen wandernde Schale um den Kern des Sterns verlagert, dessen Atmosphäre sich dadurch aufgebläht hat. Der Stern ist tief konvektiv und spült damit schwere Elemente aus der Fusionszone an die Oberfläche, wo er große Mengen an Gas durch Sternwinde verliert (ca. eine Erdmasse in 300.000 Jahren) und somit das interstellare Gas mit Elementen wie Kohlenstoff, Sauerstoff und Stickstoff anreichert. Eines Tages wird nur noch ein wasserstoffarmer Kern in Form eines Weißen Zwerges übrig geblieben sein, umgeben von einer Wolke des ausgestoßenen Gases, einem planetarischen Nebel (so genannt, weil einige von diesen im Teleskop wie kleine, flächige Planetenscheibchen erscheinen) – ein ähnliches Schicksal wird die Sonne dereinst ereilen.
Da seine Oberfläche mit knapp 4000 K relativ kühl ist, erscheint er in einem kräftigen Orange. In seiner äußeren Atmosphäre ist er sogar nur 1000-2000 K kühl. Dort konnten einfache Moleküle wie Kohlenmonoxid, Titanoxid und Wasser nachgewiesen werden, die bei höheren Temperaturen in ihre Atombestandteile zerbrechen.
Aldebaran rotiert überraschend langsam. Während unsere Sonne sich in ca. einem Monat einmal um sich selbst dreht (25,6 Tage am Äquator, 33,5 an den Polen), benötigt Aldebaran 643 Tage – beinahe 2 Jahre – für eine einzige Umdrehung. Das macht ihn im Vergleich zur Sonne magnetisch sehr inaktiv; er hat nicht einmal eine Korona wie die Sonne, deren Aktivität durch das Verdrillen ihrer Magnetfelder alle ungefähr 11 Jahre in einem Maximum mit anschließender Umpolung und Neuaufbau des Magnetfelds gipfelt.
Aldebaran ist mit 48 km/s relativ zur Sonne recht flott am Himmel unterwegs; unter den ca. 300 Sternen heller als 3. Größenklasse ist er der viertschnellste, was die Bewegung von uns fort betrifft. Vor 320.000 Jahren war er uns wesentlich näher, nämlich nur 21,5 Lichtjahre, und damals heller als heute unser hellster Fixstern Sirius.
Unklar ist, ob Aldebaran Begleiter hat. Es gibt einen roten Zwergstern Stern 13. Größenklasse und mit 15% der Sonnenmasse, der eine ähnliche Geschwindigkeit am Himmel hat und sich in nur 32 Bogensekunden Entfernung von Aldebaran befindet (etwa 2/3 des scheinbaren Durchmessers der Jupiterscheibe am Himmel, was recht eng ist), aber es konnte noch nicht belegt werden, dass er um Aldebaran kreist, weil genaue Positionsmessungen eines so schwachen Sterns in der Nähe des hellen Aldebarans schwierig sind.
Was mögliche Planeten betrifft, wurde bereits 1993 aus periodischen Schwankungen der gemessenen Radialgeschwindigkeit von Aldebaran geschlossen, dass er einen planetaren Begleiter haben müsste. Jedoch war lange unklar, ob diese Schwankungen nicht etwa in Wahrheit Pulsationen des geringfügig variablen Sterns sein könnten, oder ein Beobachtungseffekt einer differentiellen Rotation (wie bei der Sonne, die am Äquator schneller als an den Polen rotiert; bei Aldebaran spricht dessen geringe magnetische Aktivität aber gegen dieses Szenario). Eine neuere Arbeit legt aber nahe, dass Aldebaran tatsächlich einen Begleiter Aldebaran b haben könnte, der auf mindestens 6,5 Jupitermassen geschätzt wird und den Stern in einem mittleren Abstand von 1,5-facher Erd-Sonnenentfernung in 629 Tagen umkreisen soll, was bei uns ungefähr der Marsbahn entspricht. Ein eindeutiger Nachweis steht jedoch noch aus.
Möglicherweise handelt es sich aber auch um einen braunen Zwerg – eine mit der Radialgeschwindigkeitsmethode bestimmte Masse ist stets mit der Ungenauigkeit behaftet, dass man nicht weiß, ob man die Umlaufbahn des Planeten von der Kante, schräg oder fast von der Drehachse aus besehen vor sich hat – nur bei Kantenstellung (Winkel zwischen Bahnachse und Sichtlinie = 90°) gilt die genannte Mindestmasse, bei allen anderen Winkeln i (wie Inklination) ist die Masse des Begleiters um 1/sin(i) größer; da kann durchaus der doppelte Wert für die Masse dahinter stecken, was dann die Masse eines braunen Zwerges wäre.
Die Hyaden, das Regengestirn
Die (echten) Hyaden sind mit rund 150 Lichtjahren Entfernung der nähere und mit 625 Millionen Jahren der deutlich ältere der beiden Sternhaufen. Sie durchmessen am Himmel weit mehr als den “Stierkopf”, dessen V-Seiten ca. 4,5° (9 Vollmonddurchmesser) lang sind, was etwa 10 Lichtjahren im absoluten Durchmesser entspricht. Der Hyadenhaufen durchmisst insgesamt mehr als 10° am Himmel, entsprechend 27 Lichtjahren absoluten Durchmessers. Der Sternhaufen enthält einige hundert Sterne mit insgesamt rund 400 Sonnenmassen.
Da die Sterne des Haufens alle ziemlich gleich weit entfernt sind, kann man ihre Leuchtkräfte direkt miteinander vergleichen und feststellen, dass diese vom Spektraltyp (= Farbe = Oberflächentemperatur) abhängen. Bei den Zwergsternen, die noch Wasserstoff im Kern verbrennen, ergibt sich eine charakteristische Linie, die Hauptreihe, wenn man die Helligkeit über der Farbe aufträgt (hier als Farbindex B-V codiert; wir werden in einem späteren Artikel lernen, was diese Größe genau bedeutet, aber hier sind die Sterne links blauer und heißer, in der Mitte weiß und mittelheiß, und rechts röter und kühler). Wenn man diesen Zusammenhang anhand von Sternhaufen ermittelt und bei bekannter Entfernung mit der absoluten Leuchtkraft der Sterne kalibriert hat, kann man aus der Kenntnis des Spektraltyps + Leuchtkraftklasse auf die ungefähre absolute Leuchtkraft und somit Entfernung beliebiger Einzelsterne schließen.
Die vier hellsten Hyadensterne, die mit Aldebaran den Stierkopf bilden, sind wie dieser Riesensterne auf dem Weg zum Roten Riesen am Ende ihres Lebens. Mit ihrer Hilfe lässt sich das Alter des Sternhaufens abschätzen, denn der Zeitpunkt, zu dem ein Stern vom Wasserstoffbrennen im Kern zum Schalenbrennen mit einhergehender Ausdehnung übergeht, hängt von der Masse des Sterns ab und lässt sich in der Theorie gut berechnen, denn der Stern konsumiert mit konstanter Rate Wasserstoff in einem aus dem hydrostatischen Gleichgewicht aus Gas-Gewichtsdruck und Strahlungsdruck bestimmbaren Volumen, so dass berechnet werden kann, wie lange der Wasserstoff in diesem Volumen reicht. Umgekehrt kann man folglich bei bekannter Masse derjenigen Sterne, die sich gerade in dieser Entwicklungsphase befinden, auf ihr Alter und damit das Alter des gesamten Sternhaufens schließen. Bei den Hyaden liegt der Punkt, an dem die Zwergsterne beginnen zu Riesen zu mutieren und von der Hauptreihe nach rechts abzubiegen (der sogenannte turn-off point), bei etwa 2,5 Sonnenmassen.
Die Sternstromparallaxe
Dazu müsste man allerdings die Entfernung zunächst einmal kennen. Die Hyaden sind vor allem dadurch bekannt geworden, dass man bei ihnen Anfang des 20. Jahrhunderts eine Methode zur Entfernungsbestimmung angewendet hat, die weiter reicht als die gewöhnliche Methode der “jährlichen Parallaxe”. Bei der jährlichen Parallaxe misst man die Verschiebung eines Sterns vor weit entfernten Hintergrundsternen aufgrund der jährlichen Bewegung der Erde um die Sonne. Aus dem Winkel, den sich der Stern in einem halben Jahr verschiebt, weil die Erde auf die gegenüber liegende Seite der Sonne gewandert ist, lässt sich die Entfernung bestimmen. Vor dem Hubble-Weltraumteleskop und den Astrometrie-Satelliten HIPPARCOS und GAIA konnte man aufgrund der atmosphärischen Unruhe und der beschränkten Teleskopauflösung von der Erde aus Parallaxen nur auf ca. 0,03″ (Bogensekunden) genau messen und damit Sterne bis ungefähr 100 Lichtjahre Entfernung zuverlässig triangulieren.
Wenn man die Eigenbewegung der Hyadensterne (d.i. die scheinbare Seitwärtsbewegung auf der gedachten Himmelskugel, also tangential zum Beobachter, ohne den Anteil auf uns zu oder von uns weg, dem radialen Anteil) für die letzten 100.000 Jahre extrapoliert, erhält man folgendes Bild:
Man sieht sehr schön, dass die Hyaden sich alle in der ungefähr gleichen Richtung bewegen (ganz im Gegensatz zu Aldebaran) und man sieht auch, welche Sterne aufgrund ihrer Bewegungsrichtung und -strecke offenbar zu den Hyaden gehören. Man nennt den Hyadensternhaufen deswegen auch einen Bewegungshaufen. Verfolgt man aber die Bewegungsrichtungen vor allem der äußerst nördlichen und südlichen Vertreter genauer, dann bemerkt man, dass sie aufeinander zu laufen und sich irgendwo in der Nähe von Beteigeuze im Orion treffen würden: dort liegt der als Vertex bezeichnete perspektivische Fluchtpunkt der eigentlich parallelen Bewegungsrichtungen der Sterne. Diesen Effekt kann man zur Bestimmung der Entfernung eines Sterns in den Hyaden verwenden.
Im Bild unten links ist die Situation aus Sicht des irdischen Beobachters dargestellt: die grünen Pfeile der Eigenbewegungen µ der Sterne laufen scheinbar in einem Fluchtpunkt (Vertex) zusammen. Der Vertex befindet sich in einem Winkelabstand α von einem betrachteten Haufenstern.
Unten rechts das Bild aus einer Perspektive im 90°-Winkel zur wahren Bewegung der Sterne. In Wahrheit sind die Bewegungen der Sterne bzw. der Sonne parallele Pfeile (rot). Die Sonne bewegt sich in Richtung des roten Pfeils nach rechts vom Vertex weg oder die Sterne mit der entsprechenden Geschwindigkeit v nach links. Da parallele Linien vom Beobachter weg perspektivisch zusammenlaufen, treffen sie sich scheinbar in Gegenrichtung des roten Pfeils durch die Sonne. Der Winkel zwischen einem betrachteten Hyadenstern und dem Vertex ist α wie unten rechts bei der Sonne im Bild eingezeichnet.
Der beobachtende Astronom kann v nicht direkt messen. Was er hingegen direkt messen kann, ist die radiale Geschwindigkeitskomponente vr anhand der Rotverschiebung der Spektrallinien, sowie die tangentiale Eigenbewegung µ als pro Zeiteinheit zurückgelegter Sichtwinkel (typischerweise in Bogensekunden pro Jahrhundert angegeben). Wenn man die Entfernung d kennen würde, wäre die Tangentialgeschwindigkeit ganz einfach vt =µ·d (mit µ im Bogenmaß), oder andersrum µ = vt / d. d ist aber (noch) unbekannt. Da sich v aus den beiden senkrecht zueinander stehenden Komponenten Radialgeschwindigkeit vr und Tangentialgeschwindigkeit vt zusammensetzt und der Winkel α hier zwischen der radialen Richtung zum Beobachter und der Bewegungsrichtung der Sterne zwischen vr und v wieder auftaucht, kann man beide Geschwindigkeitskomponenten wie im rechten Bild zu sehen per Sinus bzw. Kosinus-Funktionen über α mit der wahren Geschwindigkeit im Raum v in Beziehung setzen und daraus folgern, dass vt über den Tangens von α mit vr in Beziehung steht. Setzt man nun für vt den gleichwertigen Term vr · tan α in µ = vt / d ein, dann erhält man eine Beziehung (blaue Schrift), die außer d nur bekannte Größen enthält, so dass d isoliert und berechnet werden kann.
Der Vorteil dieser Methode gegenüber der jährlichen Parallaxe ist, dass man hier eine Parallaxenverschiebung über viele Jahre aufbauen kann, nicht nur über 6 Monate wie bei der jährlichen Parallaxe. Deswegen ist diese Methode genauer und reicht weiter. Aber es braucht einen Bewegungssternhaufen wie die Hyaden, die Plejaden oder Praesepe im Sternbild Krebs. Anhand dieser Methode konnten die Entfernungen zu den nächsten als Standardkerzen verwendbaren Sternen gemessen werden. Das sind Sterne, deren Leuchtkraft aus ihrem Typ abgeleitet werden kann, siehe oben bei der Farb-Leuchtkraftbeziehung der Hauptreihensterne, aber vor allem bei bestimmten veränderlichen Sternen, deren Leuchtkraft sich periodisch ändert und bei denen die Periodendauer mit der Leuchtkraft in fester Beziehung steht. Diese können dann wiederum bis in die nächsten Galaxien beobachtet werden, wo sich die nächst helleren Standardkerzen finden usw. So haben die Hyaden eine wichtige Rolle bei der Kalibrierung der kosmischen Entfernungsleiter gespielt.
Die Plejaden, das Siebengestirn
Die Plejaden sind mit nur rund 100 Millionen Jahren ein deutlich jüngerer Sternhaufen in 440 Lichtjahren Entfernung. Tatsächlich enthält er nicht nur 7, sondern mindestens 1000 Sterne (zahlreiche davon mehrfach), unter denen die “sieben Schwestern” die hellsten sind. In dem Staub zwischen ihnen reflektiert sich ihr Licht, was allerdings nur auf langbelichteten Fotos wunderschön sichtbar wird.
Das blaue Leuchten geht vor allem auf die sogenannte Rayleigh-Streuung zurück, die bei Teilchen auftritt, die in der Größenordnung der Lichtwellenlänge ausgedehnt sind. Diese streuen blaues Licht stärker zur Seite und damit seitlich des Sterns auch zum Beobachter hin, als andere Lichtfarben, so dass die Plejaden-Nebel blau erscheinen – aus dem gleichen Grund, aus dem der sonnige Himmel auf Erden blau erscheint. Oder der Hexenkopfnebel im Orion, den wir das letzte Mal kennengelernt haben. Früher dachte man, der Staub rühre noch von der Entstehungsphase des Sternhaufens her, doch nach 100 Millionen Jahren hätte er längst von den Sternen fortgeblasen sein müssen. Heute nimmt man an, dass die Sterne rein zufällig gerade durch eine Staubwolke hindurch ziehen und sie zum Leuchten bringen.
Die Sieben Schwestern – der griechischen Mythologie gemäß Alcyone, Asterope, Celeano, Electra, Maja, Merope, und Taygeta genannt – sind in den Plejaden zu neunt, denn sie werden von ihren Eltern Atlas und Pleione begleitet. Die mit bloßem Auge sichtbaren Plejadensterne sind von 3,5ter bis 5,5ter Größenklasse. Man sieht oft nur 6 Sterne, unter günstigen Bedingungen und bei guten Augen 8 bis 9. Asterope besteht in Wahrheit aus zwei Sternen, die ein Doppelsternsystem bilden und Alcyone ist vierfach. Es handelt sich bei allen um heiße B-Sterne der Spektralklassen B6-B8 und der Leuchtkraftklassen V bis III (also Zwerge, Unterriesen und normale Riesen – nicht ganz die Liga der entfernteren und trotzdem viel helleren Orion-Hauptsterne) von 3,5 bis 5 Sonnenmassen und 3 bis 10 Sonnendurchmessern.
Pleione ist berühmt, weil sie in nur 6 Stunden rotiert – so schnell, dass sie deutlich abgeflacht ist, beinahe auseinander fliegt und Material in einer Art “Dekretionsscheibe” [3] ansammelt, aus der es vom Sternenwind nach außen geblasen wird. Das um den Stern kreisende Gas verrät sich im Spektrum des Sterns dadurch, dass es helle Emissions-Spektrallinien neben den üblichen dunklen Absorptionslinien verursacht – die dunklen erscheinen in der Durchsicht auf den Stern, weil das Gas einen Teil des Sternenlichts verschluckt, den es in anderen Richtungen wieder mit der gleichen Farbe abstrahlt. Um den Stern herum wird das Licht von der Scheibe auch in unsere Richtung abgestrahlt, und da die Scheibe rotiert, wird die Wellenlänge durch den Dopplereffekt verschoben (zum Roten hin auf der Seite der Scheibe, die sich von uns entfernt und zum Blauen hin auf der Seite, die sich uns nähert). Die dunklen Absorptionslinien erhalten auf diese Weise Doppler-verschobene “Emissionskanten”. Die Spektralklasse solcher Sterne wird mit dem Zusatz “e” wie Emissionslinien kenntlich gemacht. Pleione ist vom Typ B8 IVe (oder B8 IVpe mit p wie “peculiar” = besonders). Alcyone, Electra, Merope und Asterope A zeigen gleichfalls Emissionslinien in ihren Spektren. Man nennt diese Klasse von Sternen Be-Sterne.
Die Entfernung zu den Plejaden war überraschenderweise bis vor kurzem noch recht umstritten. Zwar ergaben mehrere konventionelle Methoden wie die Sternstromparallaxe übereinstimmend eine Entfernung von 440 Lichtjahren für die Mitte des Haufens, aber ausgerechnet der Astrometriesatellit HIPPARCOS, der die Entfernung mit direkter Triangulation viel besser hätte bestimmen können sollen, lieferte mit 120 pc = 390 Lichtjahren einen Wert, der außerhalb der Fehlergrenzen irdischer Messungen und solcher des Hubble-Weltraumteleskops lag. Nachdem seit 2016 die ersten Messungen des neuen GAIA-Astrometriesatelliten vorliegen, scheint sich der ursprüngliche Wert jedoch zu bestätigen (GAIA maß 136 pc = 443 LJ) und die HIPPARCOS-Messungen einem systematischen Fehler zu unterliegen.
Es wird erwartet, dass der Haufen, der sich in Richtung der Fußsterne des Orions bewegt, in den nächsten 250 Millionen Jahren zerfallen wird.
Der Krebsnebel
Verlängert man den Stierkopf um seine “Hörner” bis zu den Spitzen, so findet man an der westlichen (rechten) Hornspitze, den Stern Elnath (zweithellster Stern im Stier, daher auch Beta Tauri genannt), ein B7-Riese von 5 Sonnenmassen und 700 Sonnenleuchtkräften. Er gehört noch zum Stier, wird aber von den Sternbildlinien her üblicherweise auch mit den Sternen des Fuhrmanns verbunden.
Gegenüber in der Nähe des östlichen Hornspitzen-Sterns findet sich im Amateurteleskop ein kleines Nebelwölkchen, der Rest der Supernova des Jahres 1054, die von den alten Chinesen und Japanern überliefert ist. Historische europäische Überlieferungen sind nicht bekannt und vermutlich verloren gegangen. Heute ist der Supernovarest als Krebsnebel oder Messier 1 bekannt. Er wurde zuerst 1731 vom englischen Astronomen John Bevis entdeckt und 1758 von Charles Messier unabhängig davon wieder gefunden, der ihn als ersten Eintrag in seinem Katalog kometenähnlicher Objekte vermerkte, damit er beim Suchen nach Kometen nicht auf die bereits bekannten “Nebel” herein fiel – im Teleskop erscheint der Krebsnebel visuell genau wie ein Kometenkopf nur als farb- und konturloses Wölkchen. William Parsons, der 3. Earl of Rosse, gab ihm 1844 den Namen “Krebsnebel” oder besser “Krabbennebel” (Crab Nebula), weil eine seiner Zeichnungen des Nebels ihn an eine Krabbe erinnerten.
Der Krebsnebel befindet sich 6500 Lichtjahre von uns entfernt und durchmisst mit seiner länglichen Form etwa 7×11 Lichtjahre. Er enthält in seinem Inneren einen Pulsar, den verbliebenen Kern des explodierten Sterns, der 30,2 mal pro Sekunde aufleuchtet und ungefähr 30 km durchmisst. Der Pulsar wurde im Jahre 1968 entdeckt. Die farbigen Filamente des Nebels sind die ionisierten, leuchtenden Reste der Sternenhülle, vor allem Wasserstoff, Helium, Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel, Neon und Eisen. Bereits 1953 war vermutet worden, dass das blaue diffuse Licht aus dem Zentrum des Nebels Synchrotronstrahlung sei, die von Elektronen immer dann abgestrahlt wird, wenn sie in einem Magnetfeld stark abgelenkt werden – dem des Pulsars, wie sich dies später korrekterweise erwies. Dieses Licht hat eine enorme Leuchtkraft, ungefähr 75.000 Sonnenleuchtkräfte, die aus dem Magnetfeld des Pulsars stammen, das diesen wiederum allmählich in seiner Rotation bremst.
Dass der Krebsnebel ein Überrest der Supernova von 1054 ist, hat zuerst Edwin Hubble 1928 vorgeschlagen, nachdem frühere Messungen ergeben hatten, dass der Nebel sich mit 1500 km/s ausdehnt und etwa 900 Jahre zuvor entstanden sein muss. M1 war der erste Supernovaüberrest, der mit einer konkreten Supernova in Verbindung gebracht werden konnte und ein wichtiger Beleg dafür, dass Pulsare bei Supernova-Explosionen entstehen.
Die Expansion des Nebels kann man sogar mit Amateurmitteln über die Jahre verfolgen, wie in diesem wunderbaren Video von Detlef Hartmann aus Österreich zu sehen ist.
Damit sind die Highlights des Sternbild Stieres beschrieben. Als nächstes werden wir uns dem Fuhrmann widmen, der sich gleich nördlich an den Stier anschließt.
[1] Der größte und nächste offene Sternhaufen ist übrigens die Ursa-Major-Gruppe, zu der alle bis auf zwei der Sterne im Großen Wagen und einige in deren Umgebung gehören.
[2] Ganz im Gegensatz zu den sogenannten Kugelsternhaufen, die aus hunderttausenden dicht gepackten Sternen bestehen, dadurch die Form eine Kugel annehmen, und die mit 11 Milliarden Jahren alle so alt wie die Milchstraße sind – aber die lernen wir ein anderes Mal kennen.
[3] Von schwarzen Löchern und entstehenden Sternen und Planeten ist Euch vielleicht der Begriff Akkretionsscheibe vertraut, eine Scheibe, die sich aus auf diese Objekte einfallendem Material bildet, weil die Materie wegen der Impuls- und Energieerhaltung zuerst ihre Geschwindigkeit durch Reibung und Strahlung abbauen muss, bevor sie weiter nach innen fallen kann.
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