[Das hier ist eine Rezension eines Kapitels des Buches “Der Drache in meiner Garage” von Carl Sagan. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel finden sich hier.]
In Kapitel 6 beschäftigt sich Sagan mit den Geschichten über Außerirdische, die Menschen entführen und mit Halluzinationen. Er erzählt von den Leuten, die ihm Briefe schreiben und die angeblich in telepathischen Kontakt mit Außerirdischen stehen (die gibt es übrigens auch hier in meinem Blog 😉 ). Sagan wird dann oft aufgefordert, den Aliens eine beliebige Frage zu stellen:
And so, over the years I’ve prepared a little list of questions. The extraterrestrials are very advanced, remember. So I ask things like, “Please provide a short proof of Fermat’s Last Theorem.” Or the Goldbach Conjecture. And then I have to explain, what these are, because extraterrestrials will not call it Fermat’s Last Theorem. So I write out the simple equation with the exponents. I never geht an answer. On the other hand, if I ask something like “Should we be good?” I almost alwas get an answer. Anything vague, especially involving conventional moral judgments, these aliens are extremely happy to respond on. But on anything specific, where there is a chance to find out if they actually know anything beyond what most humans know, there is only silence. Something can be deduced from this differential ability to answer questions.
Allerdings! Aus der Tatsache, dass diese “Aliens” konkrete Fragen nach den meisten Menschen bisher unbekannten Dingen nie beantworten; vage Fragen nach unspezifischen moralischen Regeln allerdings immer, lässt sich tatsächlich etwas schließen. Es ist schon seltsam, dass diese hoch entwickelten Außerirdischen nie klüger zu sein scheinen, als die Menschen, die angeblich deren telepathischen Signale empfangen…
Interessant sind auch die Botschaften, die die Aliens für die Menschheit bereit haben. In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Menschen vor einem Atomkrieg gewarnt. Heute sind die Aliens besorgt über Umweltverschmutzung oder AIDS. Sagan fragt sich zu recht, warum die Aliens nicht z.B. in den fünfziger Jahren vor dem Ozonloch gewarnt haben? Das hätte uns wirklich weiterhelfen können. Warum gab es kein Warnung vor dem HIV-Virus in den Siebzigern? Warum bekommen wir jetzt keine Warnungen vor uns noch unbekannten Gefahren? Warum wissen die Aliens nur über das Bescheid, was auch ihr menschlicher Kontakt weiß? Und: wenn die Aliens wirklich so freundlich sind und uns warnen – warum machen sie das nicht auf eine Art und Weise, die ihnen mehr Zuhörer bringt? In unsere Kommunikationsmedien (Fernsehen,…) einzudringen mÜsste für so eine fortgeschrittene Rasse eigentlich leicht sein…
Menschen sind leicht zu beeinflussen. Niemand ist davor sicher – jeder kann sich Dinge einbilden, die nicht passiert sind oder Erinnerungen an Ereignisse erzeugen, die man nie selbst erlebt hat. Sagan beschreibt den Fall von Betty und Barney Hill die angeblich 1961 von Außerirdischen entführt worden sind. Alle Erinnerungen an diese Ereignisse wurden gelöscht und erst später, unter Hypnose, erinnerten sich die beiden daran.
Hypnose ist denkbar ungeeignet, um “verlorene Erinnerungen” wieder zu finden. Menschen unter Hypnose sind äußerst empfänglich für (unabsichtlich) suggestive Fragen des Hypnotiseurs und schaffen es leicht, sich aus verschiedenen Bruchstücken eine überzeugende falsche Erinnerung zusammenzu basteln.
So stammten viele Motive der Hillschen Entführung beispielsweise aus dem Film “Invaders from Mars“, der 1953 in den Kinos war bzw. aus einer Folge der Serie “The Outer Limits”.
Solche Entführungsgeschichten gibt es mittlerweile zuhauf. Wenn es nicht tatsächlich Aliens gibt, die Menschen kidnappen, was könnte dann der Grund für diese Geschichten sein? Diese Frage bringt Sagan zum Thema Halluzinationen.
Halluzinationen können alle Menschen betreffen. Das bedeutet nicht, dass man verrückt ist oder wird. Sagan beschreibt, wie er selbst nach dem Tod seiner Eltern immer wieder ihre Stimme gehört hat:
I miss them so much that it doesn’t seem at all strange, that my brain will occasionally retriev a lucid recollection of their voices.
Such hallucinations may occur to perfectly normal people under perfectly ordinary circumstances. Hallucinations can also be elicited: by a campfire at night, or under emotional stress, or during epileptic seizures or migraine headaches or high fever or prolonged fasting or sleeplessness or sensory deprivation (for example, in solitary confinement) or through hallucinogenes (…) or hashish.
“Halluzinationen” sehen wir auch oft bei kleinen Kindern. Jeder, der Kinder hat, kennt ihre Geschichten über Ereignisse, die sie keinesfalls in Wirklichkeit erlebt haben können:
When a child tells a fabulous story – a witch was grimacing in the darkened room; a tiger is lurking under the bed; the vase was broken by a multicolored bird that flew in the window and not because, contrary to family rules, a soccer ball was being kicked inside the house – is he or she consciously lying? Surely parents often act as if the child cannot fully distinguish between fantasy and reality.
Eltern gehen mit diesen kindlichen Fantasien unterschiedlich um. Manche fördern die Fantasie der Kinder; manche suchen sie zu unterdrücken; manche lassen den Dingen ihren Lauf und manche lassen sich sogar ernsthaft auf die Fantasien des Kindes ein. Je nachdem ist die Fähigkeit, auf diese Art zu fantasieren bei den Erwachsenen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt.
Auch die “Entführungsopfer” erzählen, dass sie schon als Kinder Aliens gesehen haben. Aber kleine Kinder sehen alle möglichen Arten von nicht realen Wesen: Monster, Elfen, Hexen, imaginäre Freunde, etc. Sagan merkt an, das es sehr seltsam wäre, von zwei verschiedenen Gruppen von Kindern auszugehen: einerseits die, die eingebildete Fabelwesen sehen und andererseits die, die echte Außerirdische sehen. Logischer wäre es, davon auszugehen, dass beide Gruppe das gleiche sehen bzw. sich einbilden.
Sagan hat noch mehr interessante Gedanken über Kinder:
Part of the reason that children are afraid of the dark may be that in our entire evolutionary history up until just a moment ago, they never slept alone. Instead, they nestled safely, protected by an adult – usually Mom. In the enlightened West we stick them alone in a dark room, say goodnight, and have difficulty understanding why they’re sometimes upset.
Da kann ich Sagan nur recht geben. Ich halte auch absolut nichts davon, Kinder in ihr eigenes Zimmer zu stecken, wenn sie das nicht wollen. Irgendwann werden sie ganz von selbst keine Lust mehr haben – aber bis dahin ist es fast schon grausam, ihnen den “sicheren” Schlafplatz zu verwehren.
Sagan sieht einen weiteren Zusammenhang zwischen Schlaf, Angst vor der Dunkelheit und Aliens:
It makes good evolutionary sense for children to have fantasies of scary monsters. In a world stalked by lions and hyenas, such fantasies help prevent defenseless toddlers from wandering to far from their guardians. (…) But if we’re capable of conjuring up terrifying monsters in childhood, why shouldn’t some of us, at least on occasion, be able to fantasize something similar, something truly horrifying, a shared delusion, as adults?
It is telling that alien abductions occur mainly on falling asleep or waking up, or on long automobile drives where there is a well known danger of falling into some autohypnotic reverie. Abduction therapists are puzzled when their patients describe crying out in terror while their spouses sleep leadenly beside them. But isn’t this typical of dreams – our shouts for help unheard?
Dieser Effekt kann noch durch die Schlaflähmung verstärkt werden. Diese “Abschaltung” der Muskel sorgt dafür, dass wir die Bewegungen aus einem Traum nicht in der Realität ausführen. Normalerweise merken wir nicht von ihr. Manchmal kann es aber passieren, das man aufwacht, während die Lähmung noch intakt ist. Wir liegen dann wach im Bett und können uns nicht rühren! Dieses Erlebnis kann äußerst erschreckend sein und in diesem Zustand neigt man auch dazu, Traum und Realität zu vermischen.
Es scheint zumindest einiges dafür zu sprechen, das viele Fälle von angeblichen Entführungen durch Aliens auf Halluzinationen oder Träume oder beides zurückzuführen sind. Das Menschen oft halluzinieren – daran besteht kein Zweifel. Außerirdische, die uns regelmäßig besuchen und kidnappen sind allerdings sehr zweifelhaft. Wenn aber tatsächlich Halluzinationen für die Berichte von Entführungen durch Aliens verantwortlich sind – warum gibt es gerade in unserer Zeit so viele Berichte darüber? Darüber spricht Sagan im nächsten Kapitel.
Rezensionen der vorhergehenden Kapitel: Kapitel 1, Kapitel 2, Kapitel 3, Kapitel 4, Kapitel 5
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