Langsam neigt sich meine Serie zur Asteroidenabwehr dem Ende zu. Ich habe schon über die Wahrscheinlichkeit eines Asteroidentreffers gesprochen; darüber was man im Fall des Falles tun soll und was nicht und ich habe erklärt, dass es enorm wichtig ist, den Himmel immer im Blick zu haben.
Asteroideneinschläge sind aber auch ein beliebtes Thema in der Presse. Über den bevorstehenden Weltuntergang kann man sich so richtig schon gruseln und fette Schlagzeilen drucken. Mein Lieblingsbeispiel aus der BILD-Zeitung habe ich ja hier schon oft gezeigt:
Diese Schlazeile stammt aus dem August 2005 und war wohl ein typisches Sommerloch-Thema. Denn der Asteroid, um den es hier ging – Apophis – war schon seit Dezember 2004 bekannt und man wusste auch seitdem, dass er der Erde zwar nahe kommt, aber keine Kollision stattfinden wird. Aber eine gute Story kann man immer wieder bringen – und deswegen gab es auch diese Woche wieder eine Apophis-Story in der BILD-Zeitung (obwohl der eigentlich Anlaß – die Aussagen des Roskosmos-Chef – auch schon wieder 2 Monate her ist).
Aber glücklicherweise muss niemand den Horrorstories aus der Sensationspresse blind glauben. Es gibt nämlich gute Möglichkeiten, sich selbst über die Asteroiden aus dem All zu informieren.
Wenn man ganz allgemein an den Eigenschaften eines Asteroiden interessiert ist, dann ist das Minor Planet Center (MPC) der Internationalen Astronomischen Union (IAU) der Ort, an dem man nachsehen sollte. Dort findet man alle Daten aller bisherhigen Beobachtungen für ein bestimmtes Objekt. Aber das MPC ist nicht wirklich für Laien ausgerichtet und wer wenig Ahnung von Astronomie hat, findet das dort alles vermutlich etwas verwirrend.
Außerdem gibt es zwei Projekte, die sich direkt mit der Kollisionswahrscheinlichkeit von Asteroiden beschäftigen. Denn irgendwer muss die ja auch ausrechnen. Das MPC verwaltet und veröffentlicht die von den Beobachtern übermittelten Daten ja nur.
NEODyS ist ein Service, der von der Universität Pisa betrieben wird. Dort werden die Daten aus dem MPC benutzt, um Bahnen für alle Asteroiden zu berechnen. Man berechnet außerdem die Wahrscheinlichkeit einer Kollision.
Wenn man sich bei NEODyS beispielsweise die Daten des Asteroiden Apophis anzeigen lässt, dann erscheint dort gleich der Hinweis “WARNING: This object is currently included in the Risk list”. Auf dieser Risk List findet man dann alle Objekte, die aus dem einen oder anderen Grund unter genauerer Beobachtung stehen (zum Beispiel, weil man sie zwar einmal kurz beobachtet hat, sie nach der Entdeckung aber nicht wiederfinden konnte und deswegen auch ihre Bahn nicht genau kennt).
Interessant in dieser Liste sind die Spalten mit den Bezeichnungen “PSMAX” und “TSMAX“. Dort findet man die Werte des Asteroiden auf der Palermo-Skala und der Turiner-Skala. Das sind zwei verschiedene Systeme, mit denen Astronomen angeben, wie groß das Risiko eines Einschlags ist.
Der Asteroid Apophis – aufgenommen von der Sormano-Sternwarte (GFDL)
Die Bewertung des Risikos eines Einschlags auf der Palermoskala hängt von der Kollisionswahrscheinlichkeit und der erwarteten Einschlagsenergie ab. Ein Wert von 0 entspricht dem “Hintergrundrisiko” (d.h. dem durchschnittlichen Einschlagsrisiko eines Objekts vergleichbarer Größe). Ein positiver Wert gibt also ein Risiko an, dass größer ist als das Hintergrundrisiko (die Skala läuft logarithmisch. P=1 entspricht also dem 10fachen Risko, P=2 dem 100fachen, usw). Ein negativer Wert zeigt ein geringeres Risko an (P=-2 entspricht einem Risiko von 1% des Hintergrundwertes). Im Allgemeinen werden alle Asteroiden mit Werten größer als P=-2 genauer beobachtet.
Die Palermo-Skala ist eher technisch und für den “internen” Gebrauch der Wissenschaftler gedacht. Etwas intuitiver ist die Turiner-Skala, die für das Risiko eines Einschlags eine ganze Zahl zwischen 0 und 10 angibt:
Das Risiko hängt hier also einerseits von der reinen Kollisionswahrscheinlichkeit ab (x-Achse) und andererseits von der Größe des Asteroiden (y-Achse) und der damit zu erwartenden Einschlagsenergie. Die einzelnen Werte auf der Turiner Skala haben folgende Bedeutung:
Ereignisse, die höchstwahrscheinlich keine Konsequenzen haben | 0 | Die Kollisionswahrscheinlichkeit ist Null oder deutlich geringer als die Wahrscheinlichkeit, dass ein beliebiges Objekt vergleichbarer Größe die Erde in den nächsten Jahrzehnten trifft. Diese Einstufung gilt gleichfalls für jedes kleine Objekt, das im |
Ereignisse, die sehr unwahrscheinlich sind | 1 | Die Kollisionswahrscheinlichkeit ist sehr gering und vergleichbar damit, dass ein beliebiges Objekt vergleichbarer Größe die Erde in den nächsten Jahrzehnten trifft |
Ereignisse, die eine genaue Beobachtung von Astronomen erfordern |
2 | Eine nahe, aber keine ungewöhnliche Annäherung. Eine Kollision ist sehr unwahrscheinlich. |
3 | Eine Annäherung, für die die Kollisionswahrscheinlichkeit über 1% liegt. Die Kollision würde lokale Zerstörung verursachen. |
|
4 | Eine Annäherung, für die die Kollisionswahrscheinlichkeit über 1% liegt. Die Kollision würde regionale Zerstörung verursachen. |
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bedrohliche Ereignisse | 5 | Eine große Annäherung mit einer großen Kollisionswahrscheinlichkeit, die regionale Zerstörungen verursachen kann. |
6 | Eine große Annäherung mit einer großen Kollisionswahrscheinlichkeit, die globale Zerstörungen verursachen kann. |
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7 | Eine große Annäherung mit einer sehr großen Kollisionswahrscheinlichkeit, die globale Zerstörungen verursachen kann. |
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sichere Kollisionen | 8 | Eine Kollision, die lokale Zerstörung verursacht. Solche Ereignisse finden alle 50 bis 1000 Jahre statt. |
9 | Eine Kollision, die regionale Zerstörung verursacht. Solche Ereignisse finden alle 1000 bis 100.000 Jahre statt. |
|
10 | Eine Kollision, die globale Zerstörung verursacht. Solche Ereignisse finden alle 100.000 Jahre oder seltener statt. |
Apophis hat bei NEODyS einen Wert auf der Palermo-Skala von -3,08 und einen Wert von 0 auf der Turiner-Skala. Man braucht sich also über ihn keine Sorgen machen. Auf der “Risk List” von NEODyS sind momentan sowieso nur 2 Objekte, die einen T-Wert haben, der größer als null ist. Für die Asteroiden 2000SG344 und 2007VK184 wurde ein Wert von 1 auf der Turiner-Skala notiert – was aber auch kein Grund zu großer Sorge ist. Und Objekte mit positiven Werten auf der Palermo-Skala kennt NEODyS zur Zeit gar nicht.
Aber wenns um wichtige Dinge geht, soll man ja immer eine zweite Meinung einholen. Die NASA betreibt das JPL Sentry System. Dort macht man im Prinzip das gleiche wie bei NEODyS – nur sind die Infos meiner Meinung nach etwas besser und verständlicher präsentiert.
Auch Apophis ist dort natürlich vertreten. Man bekommt bei Sentry auch gleich die Informationen, wie oft das Objekt schon beobachtet wurde und wann die nächsten nahen Begegnungen mit der Erde bevorstehen. Bei Apophis ist das schon im Jahr 2036 der Fall, und danach in den Jahren 2068, 2076 und 2103. Aber keine dieser Begegnungen hat einen positiven P-Wert und bei allen ist der T-Wert gleich Null.
2007 VK184 wird auch bei Sentry mit einem Wert von 1 auf der Turiner Skala geführt; die nahe Begegnung wird im Jahr 2048 stattfinden und eine Kollision ist sehr unwahrscheinlich – die Kollisionswahrscheinlichkeit beträgt nur 0,03 Prozent. Klickt man bei Sentry auf einen Wahrscheinlichkeitswert, dann bekommt man ihn gleich ausführlich erklärt und in verständliche Einheiten umgerechnet. Ein nettes Extra – vor allem wenn man bedenkt, wie schwer sich manche Medien mit solchen Zahlen tun.
2000 SG344 wird übrigens bei Sentry mit einem T-Wert von 0 geführt – manchmal unterscheiden sich die beiden Datenbanken ein wenig.
Es ist also ganz einfach, sich selbst über die Gefahren zu informieren, die uns von Himmel drohen. Wenn wieder mal eine fette Schlagzeile den Weltuntergang heraufbeschwört, dann empfiehlt es sich, entweder zu Sentry oder NEODyS zu schauen und sich dort mal die Werte auf der Palermo- und der Turiner-Skala anzusehen.
Meistens kann man dann wieder beruhigt zur Tagesordnung übergehen 😉
Was aber nicht heissen muss, dass das immer so sein wird! Es gab schon einmal einen Fall, bei dem ein Objekt einen T-Wert von 4 bekommen hatte. Das war im Dezember 2004, kurz nachdem der Asteroid Apophis entdeckt worden ist. Das Asteroiden kurz nach ihrer Entdeckung eine höhere Kollisionswahrscheinlichkeit haben, ist nicht ungewöhnlich. Normalerweise sinkt sie aber auf Null, sobald die Bahn besser bekannt ist.
Bei Apophis war das aber nicht der Fall – hier stieg sie, als mehr Beobachtungen bekannt wurden. Schlußendlich zeigte sich dann doch, dass der Asteroid ungefährlich ist. Aber damals sah es wirklich für kurze Zeit so aus, als würde uns ein Impakt bevorstehen (die ganze Geschichte ist recht spannend; die heb ich mir mal für nen Extra-Artikel auf).
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