(…)
Nach dieser Auffassung bildete sich das Universum spontan und entwickelte sich auf alle möglichen Weisen. Die entsprachen meistens anderen Universen. Ein paar dieser Universen ähnelten dem unseren, doch die meisten waren ganz anders.
(…)
Einige Menschen machen ein großes Geheimnis aus dieser Hypothese – die manchmal als Multiversums-Konzept bezeichnet wird – , dabei handelt es sich einfach um einen anderen Ausdruck für Feynmans Summe über alle Geschichten.”
Dieses Konzept ändert auch die Art und Weise, wie man kosmologische Forschung betreiben sollte, meinen Hawking und Mlodinow. Damit man kosmologische Vorhersagen machen kann, muss man berechnen, wie wahrscheinlich verschiedene Zustände des Universums zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind. Das widerspricht dem “bottom-up”-Ansatz, bei dem man davon ausgeht, dass das Universum nur eine einzige eindeutige Geschichte hat und man ausgehend von einem bestimmten Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass ein bestimmter Zustand zu einem anderen Zeitpunkt eintritt. Im neuen “top-down” Ansatz muss man – analog zu Feynmans Pfadintegral – die Beiträge aller möglichen Geschichten aufsummieren. Hawking und Mlodinow sagen:
“Die Geschichten, die zur Feynman-Summe beitragen, haben keine unabhängige Existenz, sondern sind durch das bedingt, was gemessen wird. Nicht die Geschichte macht uns, sondern wir machen Geschichte durch unsere Beobachtung.”
(…)
Eine bedeutsame Konsequenz des Top-Down-Ansatzes ist, dass die in unserem Universum nachgewiesenen Naturgesetze von der Geschichte des Universums abhängen. Viele Forscher glauben, es gibt eine einzige Theorie, die nicht nur diese Gesetze erkläre, sondern auch die physikalischen Naturkonstanten – die Masse des Elektrons zum Beispiel oder die Dimensionalität der Raumzeit. Doch die Top-Down-Kosmologie verlangt, dass die Naturgesetze, die sich in einem Universum manifestieren, verschieden für verschiedenen Geschichten sind.”
Viele Forscher wünschen sich zum Beispiel eine Theorie, aus der klar hervorgeht, warum in unserem Universum genau drei Raumdimensionen groß sind und die anderen klein und nicht wahrnehmbar. Hawking und Mlodinow sagen nun, dass das eben nicht so ist. Es gibt kein physikalisches Prinzip, dass die Zahl der Dimensionen auf diese Art festlegt. In der Feynman-Summe tauchen alle Geschichten auf; auch die von Universen mit 4, 5 oder 9 ausgedehnten Raumdimensionen. Da wir aber beobachten, dass unser Universum nur drei ausgedehnte Dimensionen hat, wird dadurch eben die Unterklasse aller Geschichten ausgewählt, die die beobachtete Eigenschaft hat. Es mag sein, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Universum z.B. 5 große Dimension hat, größer ist. Das spielt aber keine Rolle, weil wir nur drei beobachten. Hawking und Mlodinow bringen ein Beispiel, dass das erläutern soll: Fragt man nach der Wahrscheinlichkeit, dass der aktuelle Papst Chinese ist, dann ist diese Frage irrelevant weil wir wissen (beobachten) das der Papst Deutscher ist. Ohne Zusatzinformation wäre die Wahrscheinlichkeit für einen chinesischen Papst vielleicht größer als die für einen deutschen Papst – immerhin gibt es mehr Chinesen als Deutsche. Aber unsere Beobachtung sagt uns, dass wir bei der Summe über alle Geschichten nicht an den Chinesen (bzw. Universen mit mehr als drei großen Dimensionen) nicht interessiert zu sein brauchen. Genauso gibt es keine Theorie, die uns die Masse des Elektrons vorhersagen wird oder die Stärke der Gravitationskraft oder irgendeine andere Naturkonstante. Das Multiversum lässt alle Möglichkeiten zu – aber unsere Beobachtungen wählen die Geschichten aus, die zur Feynman-Summe beitragen. Hawking und Mlodinow schreiben zum Abschluss des Kapitels:
“Wir scheinen an einem entscheidenden Punkt der Wissenschaftsgeschichte zu stehen, an dem wir unsere Ziele und das, was eine physikalische Theorie ausmacht, neu definieren müssen. Offenbar werden dio fundamentalen Zahlen und sogar die Form der in unserem Kosmos nachweisbaren Naturgesetze nicht von der Logik oder von physikalischen Prinzipien verlangt.
(…)
Das mag unbefriedigend für unser menschliches Verlangen sein, etwas Besonderes zu sein oder alle Gesetze der Physik in einem säuberlichen Paket serviert zu bekommen, aber so hält es die Physik nun einmal.”
Noch mehr Buchrezensionen auf ScienceBlogs:
Kommentare (25)