Dies ist eine Rezension eines Kapitels aus dem Buch “Der große Entwurf” von Stephen Hawking und Leonard Mlodinow. Die Rezensionen der anderen Kapitel können hier gefunden werden.
Im letzten Kapitel” haben Hawking und Mlodinow erklärt, dass wir uns von der Vorstellung, die grundlegenden Eigenschaften wären logisch aus einer einzigen Theorie ableitbar, verabschieden müssen. Es gibt viele verschiedene möglichen Universen und wir leben nur in einem von ihnen das eben nunmal genau die Eigenschaften hat, die es hat. Aber ist es nicht trotzdem irgendwie unwahrscheinlich, dass unser Universum so extrem auf die Existenz von Leben optimiert zu sein scheint?
Hawking und Mlodinow beginnen das siebte Kapitel mit ein wenig Himmelsmechanik. Das freut mich natürlich sehr – besonders da sie sich auch mit Exoplaneten in Doppelsternen beschäftigen; ein Gebiet, auf dem ich selbst schon wissenschaftlich gearbeitet habe. Die Bahnen von möglichen Planeten in Doppelsternen sind viel komplizierter als die um einen normalen Stern. Dort ist es viel leichter, stabile Planetenbahnen zu finden. Wir haben also Glück, dass unsere Sonne – vermutlich – keinen Begleiter hat. Wir haben außerdem Glück, dass die Bahn der Erde annähernd kreisförmig ist und unser Klima deswegen nicht so stark schwankt – und wir haben überhaupt Glück, dass die Erde weder zu nah an der Sonne noch zu weit entfernt liegt. Da wo wir sind ist es genau richtig; die Temperatur passt, um flüssiges Wasser auf der Erdoberfläche möglich zu machen – und damit auch das Leben.
Ist das nicht alles äußerst unwahrscheinlich? Scheint das nicht darauf hinzudeuten, dass irgendein “höheres Wesen” das alles genauso passend für uns eingerichtet hat? Die Vorstellung, dass die gesamte Schöpfung zum Wohle der Menschheit da ist und von einem Gott geplant und erzeugt wurde, war lange überall vorherrschend. Aber man benötigt sie nicht wirklich. Heute wissen wir, dass es im Universum jede Menge Planeten gibt. Diese Planeten kommen in allen Größen und sie bewegen sich auf vielen verschiedenen Bahnen um viele verschiedene Sterne. Auf den meisten von ihnen ist kein Leben möglich. Aber auf manchen – zumindest auf einem – schon. Und da wir ja nunmal existieren, leben wir eben auf genau so einem Planeten. Hawking und Mlodinow sagen:
“Das heißt, unser Vorhandensein begrenzt die möglichen Merkmale der Umwelt, in der wir uns befinden. Das ist das “schwache” anthropische Prinzip.”
Mit diesem anthropischen Prinzip kann man interessante Vorhersagen treffen. Damit es beispielsweise uns Menschen überhaupt geben kann, braucht es Kohlenstoff. Der entsteht aber erst im Inneren von Sternen wo leichtere Elemente verschmolzen werden. Danach muss der Kohlenstoff bei einer Supernova-Explosion wieder ins All geschleudert werden und sich verteilen. Dann kann ein neuer Stern mit neuen Planeten entstehen die nun auch Kohlenstoff enthalten. Robert Dicke schätze 1961, dass dieser Prozess mindestens 10 Milliaren Jahre dauert. Wenn es uns Menschen als gibt, dann muss das Universum mindestens 10 Milliarden Jahre alt sein. Es kann aber auch nicht dramatisch viel älter sein, weil sonst die Sterne keinen Brennstoff mehr hätten und Sterne sehen wir ja auch. Das Alter des Universums liegt also größenordnungsmäßig bei 10 Milliarden Jahre – und das stimmt auch einigermassen, wie wir heute wissen!
Ok, dass wir uns bei der großen Anzahl an Planeten, die im Universum existieren genau auf einem befinden, der wie “geschaffen” für die Existenz von Leben aussieht, ist nicht also nicht weiter verwunderlich. Aber wie sieht es mit dem Universum selbst aus? Auch das scheint nämlich extrem fein auf die Hervorbringung von Leben abgestimmt zu sein. Das Beispiel von den Sternen, die den Kohlenstoff aus dem wir alle bestehen produziert haben, habe ich ja gerade erzählt. Aber damit überhaupt Sterne entstehen können, müssen die Naturkonstanten ganz bestimmte Werte haben. Wenn zum Beispiel die starke Kernkraft nur ein halbes Prozent stärker wäre als jetzt, dann könnte im Universum kein Leben existieren. Hawking und Mlodinow plädieren hier für das starke anthropische Prinzip:
“Das starke anthropische Prinzip besagt, dass die Tatsache unserer Existenz neben unserer Umwelt auch den möglichen Formen und Inhalten der Naturgesetze Einschränkungen auferlegt. Es scheinen nämlich nicht nur die besondern Merkmale unseres Sonnensystems der Entwicklung unseres Lebens eigentümlich förderlich zu sein, sondern auch die Merkmale unseres Universums als Ganzes und das ist weit schwieriger zu erklären.”
Die Physik muss nicht nur erklären, warum zum Beispiel die Stärken der Grundkräfte genauso sind, wie sie sind oder warum die Elementarteilchen genau die Werte haben, die sie haben. Wir müssen auch erklären, warum der Raum z.B. drei große Dimensionen hat. Stabile elliptische Planetenbahnen gibt es nämlich nur in drei Dimensionen; bei mehr sind sie instabil. Und es gibt noch jede Menge anderer “Zufälle”, die die Existenz des Leben begünstigen bzw. erst möglich machen. Für viele Menschen sind diese “Zufälle” ein Beweis für die Existenz Gottes. Wenn alles so aussieht, als wäre es speziell für uns gemacht, dann ist es auch speziell für uns gemacht worden und zwar von Gott (diese These vertritt zum Beispiel der österreichische Kardinal Christoph Schönborn).
Hawking und Mlodinow allerdings sagen, dass diese Zufälle gar keine Zufälle sind. Die aus Feynmans Pfadintegral-Beschreibung gefolgerte Multiversums-Theorie reduziert das starke anthropische Prinzip auf das schwache. Genauso wie es unzähliche Planeten gibt, gibt es auch unzählige Universen. Viele davon sind lebensfeindlich – aber manche nicht. Und in genau so einem Leben wir natürlich; anders wäre es nicht möglich. Damit beantwortet sich die “große” Frage, warum unser Universum genau so ist, wie es ist, ganz von selbst. Bleibt noch die letzte Frage: warum gibt es das Universum überhaupt?
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