Letzte Woche wurde ich wieder mal zum Thema “Verschwörungstheorien” interviewt. Eine der Standardfragen dazu ist “Wird der Glaube an Verschwörungstheorien immer mehr oder gab es sowas auch schon früher?” Meine Antwort darauf ist dann meistens, dass ich kein Historiker oder Soziologe bin – aber denke, dass es sowas immer schon gab. Das Internet hat aber einfach dazu geführt, dass dieser Unsinn viel sichtbarer ist, als früher. Nicht nur kann heute jeder der möchte alles im Internet veröffentlichen und wird zu jedem noch so absurden Thema Gleichgesinnte finden. Es werden auch immer mehr wissenschaftliche Daten frei verfügbar für alle im Internet veröffentlicht. Und die können dann von Leuten, die keine Ahnung von dieser Wissenschaft haben wunderbar benutzt werden, um Pseudofakten zu schaffen und “Beweise” für alles mögliche zu liefern.
Ich kriege zum Beispiel immer wieder Emails in denen ich gefragt werde, was ich denn von den UFOs halte, die man ja ganz eindeutig auf Bildern sehen kann, die vom Satellit SOHO gemacht wurden. Der beobachtet die Sonne und schickt seine ständig aktualisierten Bilder laufend zur Erde wo man sie quasi in Echtzeit im Internet ansehen kann. Jetzt haben die meisten Leute wenig Ahnung von Sonnenphysik und noch weniger Ahnung von astronomischer Bildbearbeitung. Und halten dann einen Kometen in Sonnennähe (SOHO hat schon über 2000 Kometen entdeckt) für ein UFO. Oder einen Planeten, der zufällig mit im Bild ist. Und ganz beliebt sind natürlich die diversen Bildfehler die so auftreten – Treffer von kosmischen Strahlen zum Beispiel die auf den CCD-Chips lustige Strukturen erzeugen können. Ich hab das hier schon einmal ausführlicher erklärt.
Aber natürlich findet man auch andere Daten frei verfügbar im Internet. Alle Bilder, die Raumsonden von den Planeten und Monden unseres Sonnensystems gemacht haben, zum Beispiel. Und die bieten ungeahnte Möglichkeiten für Verschwörungstheoretiker. Ab und zu habe ich schon darüber berichtet. Ganz früher war es das berühmte Marsgesicht; heute können sich die Leute dank moderner Bildbearbeitung über verpixelte Aufnahmen freuen und alles mögliche hinein interpretieren. Zum Beispiel Städte auf dem Saturnmond Titan oder abgehackte Köpfe auf dem Mond. Eine “Entdeckung” dieser Art macht gerade wieder die Runde und hat es sogar bis zum amerikanischen Fernsehsender FOX geschaftt. Dort wird über den “Armchair Astronomer” berichtet, der angeblich Beweise für Leben auf dem Mars gefunden hat. Welche “Beweise” das sein sollen, kann man sich in diesem YouTube-Video ansehen:
Nun ja. Da findet man also bei Google-Mars ein komisches weißes verpixeltes Etwas und dabei soll es sich jetzt um eine geheime Station der NASA oder der Aliens handeln. Oder um eine Raststation für Raumfahrer. Oder ein Waffe. Oder… wir schauen einfach nochmal genauer hin:
Also da ist eine normale marsianische Wüste. Und mitten drin ein weißer Strich; etwas verpixelt. Man kann jetzt natürlich wilde Spekulationen anstellen (und das passiert auch in vielen Internetforen) und sich überlegen, welche Art von Raumstation nun genau so auf Google-Mars-Bildern erscheinen würde und ob das alles den Aliens gehört oder eine geheime NASA-Verschwörung ist. Oder aber man bleibt erstmal bei dem, was man sehen kann: das Ding ist ein verpixelter weißer Strich. Gut, das ist langweilig und nicht so cool wie eine “Bio Station Alpha”. Aber es hat den Vorteil, dass es die Realität beschreibt.
Wieso soll am Mars ein riesiger verpixelter Strich zu sehen sein, werden sich jetzt alle fragen? Am Mars selbst natürlich nicht. An der Stelle befindet sich nur ganz normale Wüste. Aber wenn sich so eine Kamera einer Raumsonde im Weltall befindet, dann wird sie ab und zu von kosmischer Strahlung getroffen. Die kosmische Strahlung überlädt dann den oder die Pixel des CCD-Chips der Kamera auf den sie trifft und dort wird alles weiß. Jeder Astronom der schonmal Bilder bearbeitet hat, kennt diese Treffer und je nachdem wie die kosmische Strahlung auf den CCD-Chip aufschlägt, gibt es entweder nur einen kaputten Pixel oder halt gleich einen Strich. Wenn man diese Bilder dann noch durch diverse andere Bearbeitungsschritte jagt und für den Einsatz im Internet runterkomprimiert, dann wird aus dem weißen Strich der kosmischen Strahlung genau so ein verpixeltes Etwas wie im Video. Um das zu überprüfen, schauen wir uns also am besten die Originaldaten an. Die entsprechende Stelle wurde von der hochauflösenden HRSC-Kamera der Mars-Express-Sonde aufgenommen. Das Bild trägt die ID “H5620_0000_ND3” und kann hier betrachtet werden. Damit ihr nicht auch so lange rumsuchen müsst wie ich, habe ich hier mit dem Mauspfeil die Region markiert, in der sich die “Station” befindet:
Zoom man ein wenig, dann sieht man genau die Region, die auch im Video auftaucht (man betrachte die Formation der Sanddünen):
Ja, das sieht ziemlich genau so aus, wie man sich einen Bildfehler vorstellt, verursacht durch kosmische Strahlung.
Wie ein einfacher Strich auf einem Bild durch sukzessive Bearbeitung und Kompression zu einer “Station” wird, demonstriert übrigens auch metabunk.org. Es handelt sich also wieder nur um die klassischen Bildspielchen und Pareidolien; es wurden wieder mal keine Aliens entdeckt. Leider… denn im Gegensatz zu dem was die meisten Verschwörungsfans so glauben wären die Wissenschaftler höchst begeistert von der Vorstellung, konkrete Hinweise auf außerirdisches Leben zu finden.
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