Auf dem Planeten Zorg wird es langsam Abend. Der Himmel ist wolkenlos und die Astronomen an der großen Sternwarte der zorgianschen Akademie der Wissenschaften machen sich an ihre Arbeit. Sie untersuchen die Sterne in ihrer kosmischen Nachbarschaft um herauszufinden, ob es irgendwo da draußen auch noch andere Planeten geben könnte, auf denen lebensfreundliche Bedingungen herrschen. Bei der Suche nach außerzorgischen Planeten nehmen sie Stern um Stern unter die Lupe und probieren, so viel Informationen wie möglich zu sammeln. Heute Nacht steht ein eigentlich ziemlich unscheinbarer Stern auf dem Programm. Es handelt sich um einen gelben Zwergstern, etwa 5 Milliarden Jahre alt – so wie der Stern um den sich der Planet Zorg dreht – und ein paar Dutzend Lichtjahre entfernt. Was die Zorgianer da wohl entdecken werden?
Die Zorgianer beginnen mit Photometrie. Sie messen, wie hell der Stern ist und wie sich diese Helligkeit im Laufe verändert. Die Zorgianer haben Glück und blicken genau im richtigen Winkel auf den Stern und können beobachten, wie Planeten vor der Sonnenscheibe vorüber ziehen – falls dort Planeten sein sollten. Sie werden dann merken, dass das Licht der Sonne in periodischen Abständen immer ein klein wenig dunkler und dann wieder heller wird. Die Zorgianer wissen was sie tun. Sie beobachten die Sonne nicht nur während einer einzigen Nacht, sondern im Verlauf einiger Monate immer wieder. Denn sie wissen, dass ein Planet mit den richtigen Bedingungen für Leben sich in der richtigen Entfernung von der Sonne befinden muss und das Planeten mit dieser Entfernung ungefähr ein Jahr brauchen um einmal um den Stern zu laufen. Irgendwann werden die Zorgianer merken, dass sich die Sonne alle 224 Tage ein wenig verdunkelt. Dort ist tatsächlich ein Planet. Ein kleiner Planet, klein genug, um eine feste Oberfläche zu haben! Während sie damit beschäftigt sind, diese Daten zu verifizieren, werden sie feststellen, dass hier noch eine zweite Periode überlagert ist: Ein zweiter Planet, ungefähr so groß wie der erste, scheint alle 365 Tage vor dem Stern vorüber zu ziehen. Und beide befinden sich ungefähr im richtigen Abstand vom Stern. Die Temperaturen könnten auf diesen Planeten moderat sein; die beiden Planeten sind ideale Plätze um nach außerzorgianischen Leben zu suchen.
Angespornt durch den Erfolg konzentrieren sich die Zorgianer ganz auf diese Sonne und beobachten sie auch mit anderen Methoden. Die bisherigen Daten zeigen, dass neben den beiden Planeten, die bei den zorgianischen Astronomen nur eine langweilige Katalognummer haben aber doch so viel schöner “Venus” und “Erde” getauft werden könnten, vielleicht noch andere existieren. Aber die sind entweder viel kleiner als die beiden bekannten oder haben eine viel längere Umlaufzeit und man hat ihre Effekte deswegen noch nicht bemerkt. Neben der Photometrie haben die Zorgianer natürlich Spektroskopie betrieben. Das bedeutet, dass sie nachgesehen haben, wie viel Licht der Stern in bestimmten Wellenlängenbereichen abstrahlt. Zorgianische Physiker haben schon lange ein theoretisches Modell entwickelt und wissen, dass sich ein Stern wie ein schwarzer Strahler verhält. Wenn sie seine Temperatur kennen, dann können sie vorhersagen, welche allgemeine Form das Spektrum haben soll. Bei der Auswertung der Daten merken sie aber, dass das Spektrum der Sonne vom erwarteten Wert abweicht. Es sieht ungefähr so aus:
Die x-Achse zeigt die Wellenlänge der Strahlung an, die y-Achse die Stärke des gemessenen Strahlungsfluss. Eigentlich sollten die Messwerte der schwarzen Linie folgen. Das tun sie allerdings nicht überall. Im infraroten Bereich des Spektrum weichen sie ab. Hier empfangen die Astronomen deutlich mehr Strahlung als zu erwarten wäre. Ihnen ist schnell klar, worum es sich handelt. Mit solchen Daten hat man auf Zorg schon seit Jahrzehnten Erfahrung. Man hat einen Infrarotexzess gemessen. Das bedeutet, dass der Stern von Staub umgeben sein muss. Staubkörner sind zwar viel zu klein, um sie aus dieser Entfernung direkt sehen zu können. Aber die Strahlung der Sonne heizt den Staub auf und er gibt diese Energie als Wärmestrahlung wieder ab. Wärme ist aber nichts anders als Infrarotstrahlung und deswegen sehen sie im Spektrum diesen Buckel. Aber wo kommt der Staub her? Eigentlich müsste er ja durch den Strahlungsdruck längst weggeblasen sein. Das Licht, das ein Stern ins All schickt, wirken wie eine kräftige Brise, die kleine Teilchen wie Staub davon bläst. Wenn dort noch so viel Staub zu finden ist, dann muss etwas immer wieder neuen Staub produzieren! Die zorgianischen Wissenschaftler sind begeistert. Sie haben nicht nur einen Stern mit zwei zorgähnlichen Planeten gefunden, sondern auch Hinweise auf einen Asteroidengürtel! Denn das scheint die plausibelste Quelle für den Staub zu sein: Eine große Ansammlung an Asteroiden, die immer wieder miteinander kollidieren und dabei ständig neuen Staub nachliefern.
Auf Zorg weiß man schon, wie man Satelliten ins All schickt. Nur von dort kann man die Infrarotstrahlung beobachten, die ansonsten von der Atmosphäre des Planeten absorbiert worden wäre. Mit speziellen Infrarotweltraumteleskopen probieren die Zorgianer nun, ein richtiges Bild des Staubs zu erhalten, der den fernen Stern umgibt. Und es gelingt tatsächlich!
Der Stern strahlt so hell, dass es gar nicht einfach ist, die schwache Strahlung des Staubs abzubilden. Nachdem die relevanten Daten extrahiert wurde, sah das Bild schon ein bisschen besser aus:
Die Berechnung der Zorgianer zeigten, dass sich weit außen um den Stern tatsächlich ein Asteroidengürtel befinden muss. Ungefähr 50 Mal weiter von der Sonne entfernt als die beiden bekannten Planeten befand sich ein großes Reservoir an Asteroiden. Diejenigen der Zorgianischen Astronomen, die nicht an Teleskopen arbeiteten, sondern im Labor, probierten herauszufinden, welcher Art der Staub war, den man hier sehen konnte. Es zeigte sich, dass die Asteroiden viel Eis enthalten mussten. Eis, dass hieß Wasser! Da die Asteroiden die Überbleibsel der Planetenentstehung waren, bedeutete das, dass die ursprüngliche Wolke, aus der die Planeten des fremden Systems entstanden, Wasser bzw. Eis enthalten hat. Es war also nicht unwahrscheinlich, dass sich auf den beiden bekannten Planeten ebenfalls Wasser befindet. Vielleicht sogar in flüssiger Form…
Mittlerweile hatte man den Stern schon mehrere Jahre lang beobachtet. Astronomen suchten in den zorgianischen Archiven nach älteren Aufnahmen der Sonne und wurden fündig. Als alle Daten kombiniert wurden und man das Licht des Sterns aus den Aufnahmen entfernte, sah man nicht nur die Staubwolke viel besser, sondern auch einen weiteren hellen Punkt. Noch ein Planet!
Dieser Planet war so hell, dass er wesentlich größer sein musste als die bisher bekannten. Er war so groß, dass er keine feste Oberfläche haben konnte sondern eine gigantische Kugel aus Gas sein musste. Er befand sich etwa 5 mal weiter vom Stern entfernt als die anderen beiden und damit gerade an der Grenze, um nicht mehr vom hellen Licht des Sterns überstrahlt und direkt gesehen zu werden. Immer mehr Teleskope auf Zorg richteten sich auf den Stern und immer mehr Daten wurden gesammelt. Schließlich entdeckte man auf den Bildern noch einen Planeten, etwas kleiner als der große aber immer noch viel größer als die beiden ursprünglichen Planeten. Er war noch weiter vom Stern entfernt, doppelt so weit wie der andere Gasriese. Der unscheinbare gelbe Zwergstern war nun das heißeste Forschungsthema in der zorgianischen Astronomie. Man kannte dort immerhin schon vier Planeten. Zwei davon konnte man direkt beobachten und zwei davon waren zorgähnlich genug, damit darauf Leben existieren könnte. Außerdem war da noch der Asteroidengürtel, ein weiteres Anzeichen dafür, wie ähnlich dieses fremde System der Heimat war. Genauere Bilder zeigten einige Lücken in diesem Asteroidengürtel. Man vermutete, dass der gravitative Einfluss von noch unentdeckten Planeten dafür verantwortlich war, die sich noch weiter vom Stern entfernt befinden. Und die Photometriedaten der beiden inneren Planeten zeigten, dass hier vielleicht noch mehr Planeten existieren, die aber deutlich kleiner sind als die beiden zorgähnlichen Planeten. Bei all den Instrumenten die auf den Stern gerichtet waren, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis man sie gefunden hätte.
In der Zwischenzeit spekulierten die Astronomen von Zorg, wie man feststellen könnte, ob es auf den Planeten tatsächlich Leben gibt. Man bräuchte größere und bessere Teleskope, um Spuren von Leben zu finden. Die kosten Geld und die Politiker auf Zorg waren nicht sehr begeistert von der Aussicht, für diese Art der zweckfreien Forschung Geld auszugeben. Die Verhandlungen über neue Instrumente versprachen zäh und langwierig zu werden. Ein paar der zorgianischen Wissenschaftler wollte nicht mehr länger warten. Auch wenn man vermutlich in den nächsten Jahren noch nicht herausfinden konnte, ob es dort tatsächlich Leben gibt, konnte man doch zumindest mal “Hallo” sagen. Sie stellten also eine Nachricht zusammen von der sie dachten, dass Außerzorgische sie verstehen könnten und schickten sie mit ihren großen Radioteleskopen ins All. Ja, es würde Jahrzehnte dauern, bis die Botschaft dort ankommen würde. Aber vielleicht würde sie dann jemand hören….
Zurück in die Realität: Das erste Bild zeigt Messungen eines Infrarotexzess, der beim Stern HD 181327 gefunden wurde. Die Staubscheibe, die dort existiert, konnte auch direkt beobachtet werden. Bild zwei und drei zeigen, wie Astronomen sie im Jahr 2006 das erste Mal gesehen haben. Wir kennen übrigens mittlerweile viele solcher Staubscheiben die auf außerirdische Asteroidengürtel hindeuten. Hier gibt es eine schöne Übersicht. Der Asteroidengürtel von HD 181327 dürfte aktuellen Beobachtungen zufolge unserem Kuipergürtel sehr ähneln. Der Stern ist noch sehr jung und die Modelle zeigen, dass die Asteroiden dort sehr viel Eis beinhalten müssen. Der Gürtel dort ist auch viel massereicher als unser Kuipergürtel; die Gesamtmasse der Asteroiden ist etwa zehnmal höher. So in etwa könnte unser Sonnensystem vor 4 Milliarden Jahren auch ausgesehen haben. Erst im Zuge der planetaren Migration kollidierten viele der Asteroiden mit anderen Planeten – und lieferten so auch Wasser auf die Erde.
Das vierte Bild zeigt einen Planeten, der den Stern Beta Pictoris umkreist. Er gehört zu den wenigen Planeten, die wir bisher direkt gesehen haben. Ich habe hier mehr darüber geschrieben. Auch bei Beta Pictoris kennen wir eine große Staubscheibe und es waren die dort gefundenen Unregelmäßigkeiten, die die ersten Hinweise auf diesen Planeten lieferten. Auch HD 181327 zeigt übrigens solche Unregelmäßigkeiten. Vielleicht finden wir ja dort auch irgendwann einen Planeten. Und vielleicht nennen wir ihn dann Zorg 😉
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