Viel wichtiger ist aber: Die bisherigen Messungen die in den letzten Jahrzehnten bei Galaxienhaufen und Galaxien gemacht wurden, verschwinden ja nicht einfach. Eine Erklärung der Resultate von Moni Bidin muss auch die früheren Messungen erklären können. Die Astronomen aus Chile sind selbst deswegen auch sehr vorsichtig, was die Schlußfolgerungen angeht. In ihrem Artikel schreiben sie:
“In fact, the calculation does not measure the mass directly, but a variation of the gravitational potential, from which the mass density is derived. Moni Bidin et al. (2010) noted that, if the DM halo was too uniform, extended, and poorly concentrated, it could cause a negligible change of the potential in the volume under analysis, thus resulting undetectable.”
Wenn die dunkle Materie sich also anders verhält als wir bisher angenommen haben und sich anders verteilt, dann wäre es durchaus möglich, dass die Methode von Moni Bidin und seinen Kollegen sie übersehen hat! Ob sich die dunkle Materie tatsächlich so “anders” verhalten kann, muss man jetzt allerdings erstmal herausfinden. Die Astronomen schreiben weiter:
“It is clear that the local surface density measured in our work, extrapolated to the rest of the Galaxy, cannot retain the Sun in a circular orbit at a speed of ~220 km/s. A deep missing mass problem is therefore evidenced by our observations. Indeed, we believe that our results do not solve any problem, but pose important, new ones.”
Würde man die aktuellen Ergebnisse auf die gesamte Galaxie übertragen, dann steht man also wieder da, wo man vorher auch stand: Die Sterne bewegen sich zu schnell; es muss noch mehr Masse da sein, als man sieht. Christian Moni Bidin und seine Kollegen haben deswegen absolut recht, wenn sie darauf hinweisen, dass ihre Resultate wichtige neue Fragen aufgeworfen haben. Ich persönlich sehe diese Resultate ebenfalls weniger als Problem für die dunkle Materie an, sondern als große Chance, endlich etwas Neues herauszufinden! Wir wissen nun, dass sich die dunkle Materie auf eine ganz bestimmte Art und Weise verhalten muss, um in Einklang mit allen bisherigen Beobachtungsdaten zu stehen. Die Theoretiker haben jetzt wesentlich strengere Randbedingungen mit denen sie arbeiten können.
Erst gestern habe ich geschrieben, dass negative Resultate immer viel Potential bergen. Wenn unsere Beobachtungen nicht mit unseren Erwartungen übereinstimmen, dann besteht die Möglichkeit, dass wir einer wirklich neuen Entdeckung auf der Spur sind. Die dunkle Materie bleibt zwar vorerst noch weiter rätselhaft. Aber wir werden weiter Beobachtungsdaten sammeln. Und irgendwann werden wir Bescheid wissen…
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