Dieser Artikel ist Teil einer fortlaufenden Besprechung des Buchs “Wenn Gott würfelt: oder Wie der Zufall unser Leben bestimmt” (im Original: “The Drunkard’s Walk: How Randomness Rules Our Lives”) von Leonard Mlodinow. Jeder Artikel dieser Serie beschäftigt sich mit einem anderen Kapitel des Buchs. Eine Übersicht über alle bisher erschienen Artikel findet man hier.
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Im ersten Kapitel des Buchs hat Mlodinow anschaulich dargelegt, wie sehr der Zufall unser Leben bestimmt und vor allem dort, wo wir nicht damit rechnen. Das zweite Kapitel hat sich mit den grundlegenden Regeln der Wahrscheinlichkeit beschäftigt. Im dritten Kapitel präsentiert Mlodinow das fiese Ziegenproblem, das unser Unverständnis der Wahrscheinlichkeit eindrucksvoll präsentiert. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit den Methoden zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten die vor allem Blaise Pascal im 17. Jahrhundert entwickelt hat. Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, was Wahrscheinlichkeiten in der realen Welt eigentlich bedeuten. Kapitel 6 erklärt die verwirrende Bayesschen Wahrscheinlichkeiten die für unser Alltagsleben von großer Bedeutung sind. In Kapitel 7 wechselte Mlodinow von der Wahrscheinlichkeitsrechnung zur Statistik und in Kapitel 8 zeigte er, wie man die Statistik nutzen kann, um die Ordnung im Chaos finden kann. Kapitel 9 stellte die verschiedenen kognitiven Verzerrungen vor, die uns daran hindern, den Zufall auch als solchen zu erkennen. Und im letzten Kapitel des Buchs zeigt Mlodinow, was daraus erwächst: Der Zufall bestimmt unser Leben!
Anfang des 19. Jahrhunderts war der große Wissenschaftler Pierre-Simon Laplace noch davon überzeugt, dass man nur genug Wissen bräuchte um die Zukunft perfekt zu kennen:
“Wir müssen also den gegenwärtigen Zustand des Universums als Folge eines früheren Zustandes ansehen und als Ursache des Zustandes, der danach kommt. Eine Intelligenz, die in einem gegebenen Augenblick alle Kräfte kennt, mit denen die Welt begabt ist, und die gegenwärtige Lage der Gebilde, die sie zusammensetzen, und die überdies umfassend genug wäre, diese Kenntnisse der Analyse zu unterwerfen, würde in der gleichen Formel die Bewegungen der größten Himmelskörper und die des leichtesten Atoms einbegreifen. Nichts wäre für sie ungewiss, Zukunft und Vergangenheit lägen klar vor ihren Augen.”
Heute wissen wir allerdings, dass es so einen “Laplaceschen Dämon” nicht geben kann. Die reale Welt ist einfach zu komplex. Wir wissen, dass die Welt voll mit chaotischen Prozessen ist deren Ergebnis so stark von winzigsten Änderungen der Anfangsbedingungen abhängt, dass es praktisch unmöglich ist, ihr Ergebnis vorherzusagen. Mlodinow beschreibt die Grundlagen der Chaostheorie im letzten Kapitel des Buches kurz und ich spare mir eine Wiedergabe sondern verweise dafür lieber auf meine eigene Serie zum Thema: Einleitung, Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.
Noch viel stärker ist das Verhalten und Leben von uns Menschen von kleinsten Änderungen abhängig und das zu demonstrieren ist Mlodinows Ziel im letzten Kapitel des Buchs. Er verweist dabei auf den fundamentalen Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft. Hinterher ist es meistens recht einfach zu erklären, warum bestimmte Dinge so passiert sind, wie sie passiert sind. Und oft wundert man sich, warum niemand es vorhergesehen hat – es scheint doch alles so offensichtlich zu sein. Mlodinow erklärt das am Beispiel des japanischen Angriffs auf Pearl Harbour. In den Monaten und Wochen davor erhielten die USA jede Menge Geheimdienstberichte, die klar und deutlich zu zeigen scheinen, dass ein Angriff bevorsteht. Aber das weiß man eben erst hinterher. Erst mit dem Wissen, dass es einen Angriff gab, war es möglich, aus dem Wust an Informationen genau die herauszusuchen, die relevant sind. Das war vorher unmöglich. Im Rückblick können wir genau erklären, wie Prozesse in der Vergangenheit exakt zu dem Ergebnis in der Gegenwart geführt haben (Astrologen sind in der Hinsicht besonders begabt). Aber es ist uns unmöglich, all die komplexen Parameter zu überblicken und eine entsprechende Vorhersage zu machen. Wir können nicht alle in Frage kommenden Möglichkeiten untersuchen und im realen Leben hängt so viel von kleinsten Änderungen ab, dass die Zahl der Möglichkeiten schnell ins Unfassbare wächst.
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