Wenn so ein Ereignis für eine bestimmte Zeit am Nullmeridian vorhergesagt worden ist, brauchte man es nur noch an dem Ort beobachten, dessen geografische Länge man bestimmen wollte und nachsehen, zu welchem lokalen Zeitpunkt es passiert. Und schon kann man den Unterschied in der Zeit und damit die geografische Länge bestimmen. Hat man eine gut ausgestattete Sternwarte zur Verfügung beziehungsweise vernünftige Teleskope und einen brauchbaren Beobachtungsort, dann war das auch im 17. und 18. Jahrhundert keine allzu schwere Aufgabe. Es reichte ja auch, wenn man die exakte Position eines Ortes bestimmt, der grob in der Region liegt, die man vermessen will. Von dort aus kann man sich dann mit den klassischen Methoden der Landvermessung Stück für Stück weiter vorarbeiten.
Das eigentliche Problem war die Positionsbestimmung auf hoher See. Schiffe mussten ebenfalls wissen, wo sie sich befinden um sich nicht zu verfahren oder Schiffbruch zu erleiden. Beziehungsweise sie mussten nicht – immerhin sind Menschen schon seit Jahrtausenden über die Meere gefahren ohne exakte Positionen bestimmen zu können. Aber je mehr der Handel über die Ozeane zunahm und je mehr die damals großen Nationen ihre Kolonialreiche über die ganze Welt ausbreiteten, desto wichtiger war es, nicht nur irgendwie über die Meere zu kommen, sondern möglichst schnell und möglichst sicher.
Die geografische Breite lässt sich auf Schiffen genau so gut bestimmen wie auf dem Land. Mit entsprechenden Instrumenten – zum Beispiel einem Sextanten – kann man auch dort die Höhe der Gestirne über dem Horizont und somit den Abstand zum Äquator messen. Man kann ebenso leicht herausfinden, wann die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht und somit die lokale Uhrzeit. Aber es war so gut wie unmöglich mitten auf dem Meer herauszufinden, wie spät es auf dem Nullmeridian ist. Pendeluhren konnte man auf einem schwankenden Schiff nicht mitnehmen. Die Jupitermonde ließen sich unter den erschwerten Bedingungen ebenso wenig genau oder verlässlich beobachten und vor allem nicht immer dann, wenn man es wollte.
Das Problem der geografischen Längenbestimmung wurde als so wichtig und drängend angesehen, dass die britische Regierung einen hoch dotierten Preis für dessen Lösung ausschrieb. Vorschläge gab es genug, auch wenn viele davon schwer zu realisieren waren. Man überlegte zum Beispiel, ob man nicht einfach überall auf dem Meer entlang der Schifffahrtsrouten fest verankerte Schiffe bzw. Stationen installieren konnte die zu einem festgelegten Zeitpunkt Kanonenschüsse oder Feuerwerksraketen abgeben und so wie ein Kirchturm die Zeit anzeigen sollten…
Die vielversprechendste Methode sah man aber in den sogenannten “Monddistanzen”. Die Idee dahinter ist einfach. Der Mond ist leicht zu beobachten und in fast jeder Nacht und überall auf der Erde zu sehen. Der Mond bewegt sich über den Himmel und wie man seit der epochalen Arbeit von Isaac Newton wusste, tat er das nach vorhersagbaren mathematischen Gesetzen. Man konnte also vorhersagen, wo sich der Mond zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet. Und dann sind da noch die Sterne. Die bewegen sich selbst nicht und bilden so einen Hintergrund, der als Referenz für eine Zeitmessung dienen kann. Wenn man den Himmel als Uhr betrachtet, dann ist der Mond quasi der Zeiger und die Sterne sind die Ziffern entlang des Ziffernblattes. Man muss also nur noch nachsehen, auf welche “Ziffer” der “Mondzeiger” zeigt. Und da sich das ganze vorher berechnen ist, kann man dann die Position des Mondes in einem Katalog nachschlagen und feststellen, für welchen Zeitpunkt am Nullmeridian diese Position vorhergesagt worden ist. Das vergleicht man mit der lokalen Zeit auf dem Schiff und fertig ist die Längenbestimmung.
Wie gesagt: Es klingt einfach. Die Umsetzung war aber verdammt schwer. Denn damit das ganze funktioniert, muss man zuerst zwei andere Aufgaben erledigen. Man muss die Position der Sterne am Himmel so exakt wie nur irgendwie möglich vermessen. Und man muss die Bewegung des Mondes so genau wie nur irgendwie möglich verstehen und vorher berechnen können.
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