Die erste Aufgabe sollte im 17. Jahrhundert der Astronom John Flamsteed lösen. Er wurde vom britischen König im Jahr 1675 zum “Astronomer Royal”, also dem königlichen Astronomen ernannt. Eine Sternwarte wurde im Londoner Vorort Greenwich errichtet und dort sollte Flamsteed den Himmel vermessen und einen neuen Sternenkatalog mit nie gekannter Genauigkeit produzieren. Das klingt einfacher als es ist. Alle Beobachtungen musste mit Nacht für Nacht von Flamsteed selbst am Teleskop gemacht werden. Fotografie gab es nicht, die Astronomen mussten selbst durchs Teleskop schauen. Und dann mussten die Beobachtungsdaten mühsam mit vielen mathematischen Berechnungen in Positionen am Himmel übersetzt werden. Das ist nichts, was in ein paar Monaten oder Jahren erledigt ist sondern eine Aufgabe, die Jahrzehnte dauerte und auch Jahrzehnte gedauert hat.

Auch die Vorhersage der Bewegung des Mondes war schwierig. Newton hatte zwar mit seinem Gravitationsgesetz die Grundlage für ein Verständnis der Bewegung der Himmelskörper gelegt. Aber der Mond ist ein schwieriger Fall. Er wird von der Gravitation der Erde ebenso beeinflusst wie von der Gravitation der Sonne. Seine Bahn ist komplex und die Berechnung schwierig. Viel schwieriger als Newton sich das vorgestellt hatte, als er sich an diese Aufgabe machte. In der zweiten Ausgabe seines berühmten Werkes Principia Mathematica wollte er die Bewegung des Mondes als krönendes Beispiel für die Gültigkeit und Mächtigkeit seiner Theorie anführen. Aber mit seinen Berechnungen kam er nicht voran; er konnte nur diverse Näherungslösungen die schon früher existiert hatten, ein wenig verbessern. Newton war allerdings überzeugt, dass das nicht an seinen mangelnden Fähigkeiten lag, sondern an den schlechten Positionsdaten der Sterne. Um seine Theorie zu entwickeln, brauchte er Beobachtungsdaten, so genau wie möglich. Um die Position des Mondes zu bestimmen, muss man aber auch die Positionen der Sterne kennen. Newton selbst war nur Theoretiker und auf die Arbeit der beobachtenden Astronomen wie Flamsteed angewiesen. Und überzeugt davon, dass Flamsteed ihm die guten Beobachtungen vorenthalten würde.

Newton war damals ein berühmter und auch mächtiger Mann. Er nutze seinen politischen Einfluss, um Flamsteed mehr oder weniger zur Herausgabe dessen Daten zu zwingen. Flamsteed hatte natürlich kein prinzipielles Problem damit, seine Beobachtungen zu veröffentlichen. Aber er wollte – verständlicherweise – sein astronomisches Lebenswerk auch vernünftig publizieren. Als großen Katalog, mit einer ausführlichen Einleitung in der die Daten im historischen Kontext präsentiert werden und zusammen mit einer ausführlichen Erklärung der Methoden, die er bei der Beobachtung und Berechnung verwendet hatte. Und erst dann, wenn alle Arbeiten abgeschlossen sind. Newton war der Katalog egal, er wollte einfach nur die Daten haben um damit arbeiten zu können. Die Geschichte des Streits zwischen Newton und Flamsteed würde genug Material für ein paar weitere Sternengeschichten bieten. Am Ende gewann aber dann der mächtige Newton. Er wollte nicht warten und beschaffte sich Flamsteeds Daten, veröffentlichte sie selbst ohne dessen Einverständnis – und das noch dazu recht schlampig und absolut nicht so, wie Flamsteed es vorgesehen hatte.. Geholfen hat es ihm allerdings nicht. Nicht die Beobachtungsdaten von Flamsteed waren schuld daran, das Newton seine Mondtheorie nicht fertigstellen konnte. Das Problem war einfach zu schwierig, selbst für Newton.

Flamsteed starb als frustrierter und enttäuschter Mann, der von Newton um sein Lebenswerk betrogen wurde. Erst nach seinem Tod konnten seine Ehefrau und seine Assistenten die Daten entsprechend aufbereiten und in der von ihm vorgesehen Form publizieren. Das Problem der Längenbestimmung lösten aber andere. Zum Beispiel der Uhrmacher John Harrison, der die Astronomie komplett ignorierte und stattdessen eine Uhr baute, die nicht nur genau genug ging um für die Aufgabe der Längenbestimmung geeignet zu sein sondern auch die schwierigen Bedingungen auf dem Ozean aushalten konnte. Seeleute konnten nun die Zeit des Nullmeridians einfach mitnehmen und immer mit der lokal bestimmten Zeit vergleichen. Der Nullmeridian, der seit 1884 übrigens offiziell durch die Sternwarte in Greenwich verläuft da Flamsteed alle seine Positionen natürlich für genau diesen Ort bestimmt hat und sich damit auch ganz Großbritannien und später der Rest der Welt auf diesen Refererenzpunkt bezogen hat.

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Kommentare (6)

  1. #1 mathias
    25. September 2015

    Habe mal gelesen, dass die Karten des Captain Cook von Neuseeland bis ins 20te Jahrhundert hinein die genauesten waren. Zumindest, was die Küstenlinien betrifft.

  2. #2 Sebastian
    25. September 2015

    Netterweise hat die Längengradkommission Mayer sogar 3 Jahre nach dessen Tod den Teilpreis zuerkannt. Seiner Witwe und ihren Kindern hatte dies wohl ein Leben in Armut erspart.

  3. #3 Florian Freistetter
    25. September 2015

    @Sebastian: “Netterweise hat die Längengradkommission Mayer sogar 3 Jahre nach dessen Tod den Teilpreis zuerkannt. “

    Ja – hab ich aber auch gesagt/geschrieben. (Obwohl Mayers Anteil an dem Preis eigentlich viel höher ausfallen hätte sollen…)

  4. #4 Sebastian
    25. September 2015

    Mir ging es nur um die posthume Verleihung – macht ja nicht mal die Nobel-Foundation.

  5. […] Den nahm er 1751 an und sollte bis an sein Lebensende in der Stadt bleiben. Dort arbeitete er an vielen verschiedenen Themen; berühmt wurde er aber durch seine Mondtheorie. Eines der großen Probleme der damaligen Zeit war die Suche nach einer Theorie mit der sich die Bewegung des Mondes vorhersagen ließ. Rein prinzipiell war das natürlich dank Newtons Gravitationstheorie möglich. Aber rein praktisch war es viel schwieriger als man dachte, da man hier die gravitative Wechselwirkung von mindestens drei Himmelskörpern (Sonne, Erde, Mond) berücksichtigen muss und auch noch viele Extras: Will man wissen, wo genau der Mond am Himmel steht, muss man z.B. auch wissen, wie groß er am Himmel erscheint. Das ändert sich aber ständig, da der Mond der Erde mal näher und mal ferner steht. Und so weiter – das Problem war so kompliziert, das selbst Newton es nicht lösen konnte. Zumindest nicht ausreichend genau und die Genauigkeit war es, worauf es ankam. Denn man wollte den Mond als “Zeiger” ein himmlischen Uhr benutzen um so die Bestimmung der Position zu ermöglichen (ich habe das Prinzip hier ausführlich erklärt). […]

  6. #6 Lutz Schnelle
    14. März 2019

    Jean Charles Chevalier de Borda (1733) hatte ein Gerät zur Messung der Monddistanz entwickelt. Im Netz ist das nicht zu finden.

    Zur Berechnung des Mondumlaufs wird bis dato die Tscherbytscheff Approximation verwendet. Da der Mond keinen gleichmäßigen Umlauf hat, muß sie regelmäßig mit aktuellen Daten gefüttert werden.
    Die findet man im Netz auch nicht.

    Wirklich klug ist das Netz wahrlich nicht. Das Gedächnis der Welt verstaubt in Antiquariaten. Und wer da stöbert, wundert sich schnell, was man alles vergessen kann.