Asteroiden sind wichtig. Asteroiden sind interessant. Asteroiden sind eine Möglichkeit, mehr über den Ursprung des Sonnensystems, den Ursprung der Erde und auch den Ursprung des Lebens herauszufinden. Asteroiden waren schon da, als es weder die Erde noch Leben auf ihr gab. Asteroiden sind eine gewaltige Chance für uns Menschen, denn sie sind der einzige Weg, Dinge die jetzt nur in der Science-Fiction (große Raumstationen, Siedlungen auf anderen Himmelskörpern, Reisen zu anderen Sternen, etc) existieren Realität werden zu lassen. Asteroiden sind großartig (und ich habe nicht umsonst ein ganzes Buch darüber geschrieben) und es ärgert mich daher, wenn man sie einerseits immer nur auf ihre Rolle bei Naturkatastrophen reduziert und das andererseits auch noch mit völlig unbegründeten Panik-Meldungen in den Medien tut. Es scheint kaum ein Monat zu vergehen, in denen nicht wieder irgendwo Hysterie wegen irgendwelcher angeblich bevorstehender Asteroideneinschläge geschürt wird. Momentan machen gerade wieder entsprechende Schlagzeilen die Runde: “Noch vor Weihnachten: Asteroid kann Mega-Erdbeben auslösen” (WebCite). Oder: “Mega asteroid so BIG ‘it could trigger EARTHQUAKES’ to skim past earth before Christmas” (WebCite). Das wird dann über die wie üblich unkritische Masse in den sozialen Netzwerken verbreitet und am Ende gibt es jede Menge Leute, die 1) Angst und 2) eine falsche Vorstellung von Astronomie und unserem Universum haben…
Der Asteroid um den es geht, heißt 2003 SD220, ist ein bis zwei Kilometer groß und – wie die Bezeichnung schon sagt – seit 2003 bekannt. Seine Bahn kennt man deswegen auch schon seit mehr als 10 Jahren und man weiß, wann er wo durchs Sonnensystem fliegt.
“2003 SD220, ein mindestens 2,5 Kilometer großer Asteroid könnte für Chaos auf der Erde sorgen, wenn er unseren Planet trifft – und das noch vor Weihnachten. Der Asteroid steht auf der NASA-Gefahrenliste ganz oben und könnte einen ganzen Kontinent zerstören, sollte er direkt auf die Erde treffen.”
Das schreibt die Online-Ausgabe von “Österreich” und mehr Panik kann man in einem Satz kaum unterbringen. “Chaos auf der Erde”. “auf der NASA-Gefahrenliste ganz oben”. “einen ganzen Kontinent zerstören”. Und das alles noch vor Weihnachten!
Klingt schlimm. Ist es aber nicht. Die “NASA-Gefahrenliste” findet man hier. Und ganz oben steht dort der Asteroid 1950 DA. Darunter stehen ein paar Dutzend andere Asteroiden; aber keiner von wird dort tatsächlich als gefährlich eingeschätzt. Dort findet man Asteroiden, die in der Nähe der Erde vorbei fliegen aber eine Kollision ist bei keinem dieser Objekte für die nächsten Jahrzehnte vorherberechnet worden. Und: Den Asteroid 2003 SD220 findet man dort gar nicht.
Es gibt aber durchaus eine Liste der NASA, auf der dieser Asteroid zu finden ist. Diese hier und mit “Gefahr” hat sie nichts zu tun. Dort steht:
“2003 SD220 is on NASA’s NHATS list of potential human-accessible targets, so observations of this object are particularly important”
Es geht also um Objekte, die für die Wissenschaft interessant sind. Weil sie vergleichsweise nahe an der Erde vorbei fliegen und so gute Ziele für Missionen und Beobachtungen darstellen. Von irgendwelchen Katastrophen oder Einschlägen ist dort nichts zu lesen. Wieso auch? Wie man – ebenfalls bei der NASA – nachlesen kann, wird 2003 SD220 am 24. Dezember 2015 zwar tatsächlich in der Nähe der Erde vorbei fliegen. “Nah” ist hier aber astronomisch zu interpretieren. Der Abstand zwischen der Erde und dem Asteroid ist 27 mal so groß wie der Abstand zwischen Erde und Mond!
Damit ist auch die Geschichte vom “Mega-Erdbeben” als Unsinn entlarvt. Denn was auch immer der kleine Asteroid angeblich anstellen soll: Der viel, viel größere Mond würde das ganze viel, viel stärker tun. Tut er aber offensichtlich nicht. Entsprechende “Vorhersagen” über Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis und andere Katastrophen findet man nur auf den Internetseiten von Verschwörunstheoretikern – und “Österreich” ist sich offensichtlich nicht zu blöd, sie als Quelle zu verwenden.
Aber: Kann der Asteroid vielleicht nicht doch noch gefährlich werden? Denn wie man lesen kann:
“Allerdings warnen die Experten vor dem sogenannten “Yarkovsky Drift”. Eine Strahlungseinwirkung, die die Flugbahn des Asteroiden noch ändern und ihn Richtung Erde rasen lassen könnte.”
Wer diese “Experten” sein sollen, die da “warnen” verschweigt “Österreich” dann aber sicherheitshalber. Es gibt sie ja auch nicht. Was es gibt, sind Experten, die solche Asteroiden wie 2003 SD220 mit Radioteleskopen beobachten wollen, wenn sie in Erdnähe vorbeifliegen. Man schickt Radiowellen von der Erde zum Asteroid und misst die Zeit, die sie brauchen um dort reflektiert und zurück zur Erde zu gelangen. So kann man nicht nur die Form des Asteroiden sehr gut bestimmen, sondern auch den Abstand extrem genau messen. Und wenn man den Abstand so genau kennt, kann man auch Effekte beobachten, die man normalerweise nicht beobachten kann. Zum Beispiel den Jarkowski-Effekt, den ich hier und hier genauer erklärt habe.
Kleine, unregelmäßig geformte Himmelskörper erwärmen sich nicht gleichmäßig und geben die Wärme auch nicht wieder gleichmäßig ab. Dadurch kann eine kleine Kraft – eine Art “Rückstoß” – erzeugt werden, der zu geringfügigen Bahnänderungen führt. Es geht hier allerdings um wirklich winzige Änderungen die so klein sind, dass sie normalerweise durch die Beobachtungen mit normalen Teleskopen nicht gemessen werden können. Man muss die Bewegung eines Asteroiden schon auf wenige Meter genau messen, um die Auswirkung des Jarkowski-Effekts beobachten zu können. Und das geht eben nur, wenn man das Glück hat und ein Objekt wie 2003 SD220 vergleichsweise nahe an der Erde vorbei fliegt und mit Radarstrahlen abgetastet werden kann.
Definitiv NICHT kann dieser Effekt dafür sorgen, dass sich die Bahn plötzlich um ein paar Millionen Kilometer verändert, was aber nötig wäre, um ihn auf einen Kollisionkurs mit der Erde zu bringen!
All das wäre eigentlich genug Material für eine interessante Geschichte über Asteroiden. Man hätte meinetwegen sogar ein paar Verbindungen zu Weihnachten ziehen können – Stern von Bethlehem und so weiter – um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu generieren. Aber man müsste halt trotzdem entsprechend recherchieren, vielleicht mit Astronominnen und Astronomen sprechen; ein bisschen Fachliteratur (oder auch nur die Wikipedia) lesen. Dann hätte man am Ende eine schönen Artikel über einen Bereich der astronomischen Forschung, über den man ansonsten nicht so viel zu lesen bekommt. Oder aber man schreibt irgendeinen Unsinn aus dem Internet ab, setzt eine hysterische Schlagzeile darüber und generiert mit der Angst und dem Unwissen der Menschen ein paar schnelle Klicks…
Mehr schlechte Schlagzeilen gibt es hier.
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