Ob es auf den neu entdeckten Planeten des TRAPPIST-1-Systems Leben gibt weiß niemand. Und wir werden es noch länger nicht wissen. Aber natürlich kann man sich schwer dem Drang entziehen, darüber zu spekulieren wie Leben in einem Planetensystem aussehen würde, das so anders ist als unser Sonnensystem. In meinem Buch “Die Neuentdeckung des Himmels” habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie sich die planetare Umgebung auf das Verständnis und die Suche nach außerirdischem Leben auswirken könnte.
In unserem Sonnensystem haben wir – nach unterschiedlich langer Forschungszeit – drei fundamentale Dinge festgestellt: 1) Intelligentes Leben gibt es bei uns nur auf der Erde. 2) Ein paar Planeten des Sonnensystems sind der Erde sehr ähnlich, aber trotzdem nicht lebensfreundlich genug. 3) Der Himmel ist voll mit Sternen die unserer Sonne ähnlich sind. Aus diesen drei Fakten kann man ableiten, dass es anderswo vielleicht ebenfalls Planeten wie unsere Erde gibt und diese Planeten vielleicht auch lebensfreundlich sind. Und man kann ableiten, dass die Suche nach außerirdischem Leben sich lohnen könnte – weswegen wir ja auch viel Zeit darauf verwenden, genau diese Suche zu betreiben.
Aber anderswo könnte die Situation anders sein. Ein Planet könnte sich in einer Region des Universums befinden, in der kaum Sterne am Himmel zu sehen sind. Oder dessen Atmosphäre keine Beobachtung des Himmels ermöglicht. Ein Planet könnte sich alleine in einem Planetensystem befinden. All das könnte dazu führen, dass eventuell dort vorhandene Lebewesen einen ganz anderen Zugang zur Astronomie entwickeln als wir das getan haben. Wenn es am Himmel nichts zu sehen gibt, dann macht man sich auch keine Gedanken darüber. Dann fehlt der Drang zu verstehen, was im Weltall vor sich geht; dann fehlt die Inspiration, sich draußen im All andere Lebewesen vorzustellen. Dann kommt man vielleicht nicht einmal auf die Idee, dass man sich auf einem Planeten befindet und denkt nicht über die wahre Natur der Himmelskörper nach.
Oder aber es komplett anders: Vielleicht kann man von einem anderen Planeten aus am Himmel nicht nur Sterne und Planeten sehen, sondern mehr sehen als bei uns. Vielleicht sind die anderen Planeten dort so nahe, dass man auch mit freiem Auge sofort Details erkennen kann und schon früh bemerkt, dass es andere Welten sind. Vielleicht gibt es dort nicht nur einen sondern mehrere bewohnte Planeten? Wie wäre wohl die Entwicklung der Menschheit verlaufen, wenn wir schon vor tausenden von Jahren mit freiem Auge die eindeutigen Anzeichen von intelligentem Leben zum Beispiel auf dem Mond gesehen hätten? Hätten wir die Raumfahrt dann schon viel früher entwickelt? Wie sähe unsere Wissenschaft aus; unsere Philosophie und Religion?
Bei uns sind die Dinge so gelaufen, wie sie gelaufen sind. Aber die sieben erdähnlichen Planeten von TRAPPIST-1 bieten eine ganz andere Bühne. Wenn sich dort Leben entwickelt hat und wenn es intelligentes Leben ist (zwei sehr große “Wenns” und nichts lässt uns derzeit davon ausgehen, dass es tatsächlich so ist!), dann könnten sie vielleicht einen ganz anderen Blick auf das Universum haben. Die Planeten dort sind einander viel näher als die Planeten des Sonnensystems. Sie sind nicht nur der Erde sondern auch einander sehr ähnlich. Und es könnte sehr viel einfach für das Leben sein, von einem Planeten zum anderen zu gelangen.
Damit ist nicht unbedingt eine aktive Reise gemeint. Leben kann auch von selbst und “unverlangt” durch den Weltraum reisen. Diese These nennt sich “Panspermie” und ich habe hier genauer darüber berichtet: Asteroideneinschläge können Gestein von einem Planeten ins All schleudern das im Laufe der Zeit auf einem anderen Planeten einschlägt – und dabei eventuell Mikroorganismen in sich trägt. In unserem Sonnensystem müssen solche Brocken weit reisen und wenn sie landen, dann finden sie ganz unterschiedliche Bedingungen vor. Wir wissen nicht, ob Panspermie im Sonnensystem stattgefunden hat obwohl es gut möglich wäre, dass die Erde ihr Leben exportiert hat. Bei TRAPPIST-1 sind die Distanzen zwischen den Planeten kürzer und die Bedingungen auf den Planeten vielleicht sehr ähnlich. Es wäre dann auch viel einfacher für potentielles Leben sich über das ganze System auszubreiten.
Zu dem Schluss kommen auch Manasvi Lingam und Abraham Loeb von der Universität Cambridge in Harvard. Sie haben mathematisch untersucht, wie die Panspermie in TRAPPIST-1 ablaufen kann (“Enhanced interplanetary panspermia in the TRAPPIST-1 system”). Ihr Modell ist recht einfach und nur eine grobe Näherung – aber sie kommen zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass der Austausch von Material zwischen den Planeten dort bis zu 1000 mal größer sein könnte, als der zwischen Erde und Mars in unserem Sonnensystem. Die Reisezeit ist dabei ungefähr 100 Mal geringer und damit auch die Lebenserwartung etwaiger mitreisender Mikroorganismen 100 Mal größer als bei uns.
Diese Zahlen sind natürlich kein Beweis für irgendwas. Ob es Leben in TRAPPIST-1 gibt, werden wir frühestens im nächsten Jahrzehnt erfahren, wenn die neuen großen Teleskope fertiggestellt sind. Aber sie bieten einen faszinierenden Ausblick auf all die anderen Welten die wir im Universum finden könnten. Wenn sich Leben auf einem Planeten von TRAPPIST-1 entwickelt hat, dann besteht die Chance, dass dieses Leben auch auf andere lebensfreundliche Planeten im gleichen System exportiert wurde. Wenn die Entwicklung von intelligentem Leben nicht extrem selten ist, dann könnten sich dort mehr als nur ein bewohnter Planet befinden. Lebewesen von einem Planeten könnten zum Himmel blicken und dort die Lichter einer anderen Zivilisation auf der Oberfläche der Nachbarplaneten sehen.
Wir Menschen haben im Laufe der Jahrtausende spekuliert ob es anderswo noch bewohnbare Welten und außerirdisches Leben gibt. Wir spekulieren immer noch. Aber wie entwickelt sich wohl eine Gesellschaft, die nicht spekulieren muss, sondern von Anfang an mit Sicherheit weiß, dass sie nicht alleine im Weltall sind?
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