In meiner Serie über Klimawandel-Mythen kommt heute einer der absoluten Dauerbrenner der Klimawandelleugner an die Reihe: Nicht wir unbedeutenden Menschen sind für den Klimawandel verantwortlich. Nein, die Sonne ist schuld! Der Klimawandel wird von der Sonne gesteuert und zwar von der Sonnenaktivität! Das ist halt Pech, da können wir nichts dagegen tun – also können wir uns auch all die unangenehme Arbeit mit dem Klimaschutz sparen.
Das klingt verlockend. Jemand anderem die Schuld an einem großen Problem geben zu können ist immer nett und wenn es noch dazu ein Ding wie die Sonne ist das wir Menschen auf keinen Fall beeinflussen können, dann enthebt uns das jeglicher Verantwortung. Nur ist es eben leider nicht so einfach. Das fängt schon damit an, dass die viele von denen die “Sonnenaktivität” als Ursache für den Klimawandel ins Feld führen oft nicht mal eine vernünftige Ahnung davon haben was dieses Wort bedeutet.
In der Einleitung zu dieser Serie habe ich den österreichischen Rechtspopulisten und Chef der FPÖ Hans Christian Strache zitiert, der kürzlich das hier von sich gegeben hat:
“Die Erderwärmung wird man angesichts zunehmender Sonneneruptionen und einer Erwärmung der Sonne nicht korrigieren können. Das heißt da gibt’s ja die unterschiedlichsten wissenschaftlichen Ergebnisse das eben durch zunehmende Sonneneruptionen in den letzten 30 Jahren die Erderwärmung auch letztlich natürlich stattfindet. Und da frag ich sie dann wie sie das wissenschaftlich ändern wollen.”
Es gibt also immer mehr Sonneneruptionen? In den letzten 30 Jahren immer mehr und deswegen wird die Erde wärmer? Man ist es von Strache und seinen Kollegen ja schon gewohnt, aber ab und zu wundert man sich doch wie solche massiv uninformierten Aussagen zustande kommen. Ich vermute es liegt daran, dass diese Leute Politiker sind und daran gewöhnt, alles als “Meinung” anzusehen, die sie in ihrem Sinne umdeuten können wie sie wollen. Nur das es hier halt um Wissenschaft geht. Um Fakten. Um Dinge die man beobachten kann und messen. Wir WISSEN wie viele Sonneneruptionen es gibt weil wir die Sonne Tag für Tag beobachten. Und wir WISSEN das die Sonneneruptionen NICHT zunehmen. Das ist keine böse linkslinke Propaganda die aufrechte Patrioten wie Strache und Co für das Wohl der Allgemeinheit angreifen müssen – das ist die Realität!
Aber klären wir mal das allererste Missverständnis auf: “Sonnenaktivität” hat erst Mal sehr wenig mit der Menge an Licht und Wärme zu tun die die Sonne produziert. Die ist im Laufe der Zeit ziemlich konstant. Nicht immer – im Laufe einiger Milliarden Jahre kann sich die Helligkeit der Sonne ändern. Sie hat das in der Vergangenheit getan und sie wird das in Zukunft tun. Aber während der letzten paar hundert Millionen Jahre hat sich am Energieausstoß der Sonne nicht viel geändert. Bei der Sonnenaktivität geht es um etwas ganz anderes: Um die hydrodynamischen und elektromagnetischen Vorgänge im Inneren der Sonne. Darüber habe ich in der Vergangenheit hier im Blog auch schon oft genug geschrieben und alles sehr genau erklärt. Man kann das alles hier nachlesen:
- Polsprung auf der Sonne: Ein neuer Aktivitätszyklus beginnt
- Drei Jahre Sonnenaktivität in drei Minuten
- Das Maximum der Sonnenaktivität, Sonnenstürme und große Katastrophen
- Sonnensturm voraus! Die Sonne ist wieder aktiv
- Der große, böse Sonnensturm kommt. Schon wieder…
- Wie man die Sonnenaktivität vorhersagt
- Verhält sich die Sonne chaotisch?
Ganz kurz gesagt: Die Sonne besteht aus einem Plasma. Das ist ein Gas, in dem die Elektronen der Atome nicht mehr an die Atomkerne gebunden sind. Elektrisch positiv geladene Kerne und negativ geladene Elektronen bewegen sich frei und bei ihrer Bewegung durch die Magnetfelder der Sonne erzeugen sie elektrische Ströme. Die wiederum Magnetfelder erzeugen, die die Bewegung der Teilchen beeinflussen. Das alles führt zu jeder Menge Aktivität; die Magnetfelder beeinflussen die großräumigen Strömungen des heißen Plasmas und im Laufe von 11 Jahren baut sich ein globales Magnetfeld auf, bis es durch die Bewegung des Sonnenplasmas wieder zusammenbricht und alles von vorne anfängt. Wir können die Aktivität der Sonne beispielsweise über die Sonnenflecken mitverfolgen: Das sind Regionen in denen besonders starke Magnetfelder den Aufstieg des heißen Plasmas aus dem Sonneninneren behindern und so die Temperatur ein wenig absenken. Je mehr Sonnenflecken, desto aktiver die Sonne. Es kann bei dem ganzen magnetischen Durcheinander auch zu “Kurzschlüssen” kommen bei denen sehr viel Energie freigesetzt wird. Diese Explosionen schleudern Material der Sonne ins All; das sind “Protuberanzen” oder “koronale Massenauswürfe” bzw. bei geringen Mengen nennt man das Zeug einfach nur “Sonnenwind”. All das kann man wunderbar beobachten; schon seit dem 19. Jahrhundert werden täglich die Sonnenflecken gezählt und seit wir Satelliten haben gibt es Echtzeitaufnahmen der Sonne die uns unter anderem die Aktivität zeigen.
Deswegen WISSEN wir eben auch, dass die Aktivität in besagtem 11-Jahres-Rhythmus schwankt – das Klima das aber offensichtlich nicht tut. Wir wissen auch, dass die Maxima der Sonnenaktivität nicht immer gleich stark sind. Der aktuelle Zyklus hat im Dezember 2008 begonnen und sein Maximum im April 2014 erreicht. Dieses Maximum war geringer als das davor; so gering wie schon lange nicht mehr. Schon 2011 hat man vorhergesagt dass das so kommen wird und spekuliert ob die Sonne vielleicht den nächsten Aktivitätszyklus ganz ausfallen lässt. Das kann vorkommen, das hängt von riesigen unterirdischen (bzw. eigentlich “untersolaren”) Strömungen ab. Es ist also ganz und gar nicht so, dass die Sonnenaktivität immer stärker wird. Ganz im Gegenteil.
Und vor allem hat die Sonnenaktivität nichts mit dem Klima der Erde zu tun! Obwohl die Behauptung, das es so einen Zusammenhang gibt nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Wissenschaftler haben schon früher festgestellt dass das letzte große Minimum der Sonnenaktivität, das “Maunder-Minimum” bei dem zwischen 1645 und 1715 wenig bis gar keine Sonnenflecken gemessen wurden, mit der sogenannten kleinen Eiszeit zusammenfällt. Obwohl “zusammenfallen” eher übertrieben ist: Die kleine Eiszeit, eine Phase in der es in Europa wesentlich kühler war als davor und danach, dauerte vom 15. bis zum 18. Jahrhundert und war kein einheitliches und globales Phänomen. Das Maunder-Minimum war zwar mittendrin, aber bis jetzt ist es noch nicht gelungen irgendeinen klaren physikalisch-astronomischen Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und Eiszeit zu finden.
Das gilt ganz besonders für die bei den Klimaleugnern sehr beliebte Hypothese des dänischen Astronomen Hendrik Svensmark. Der hatte 1997 einen Artikel veröffentlicht (“Variation of cosmic ray flux and global cloud coverage-a missing link in solar-climate relationships”) und darin einen Mechanismus vorgestellt wie die Sonnenaktivität das Klima verändern könnte. Ich habe mich schon früher ausführlich damit beschäftigt und zitiere daher der Einfachheit halber was ich damals geschrieben habe:
“Er hat 1997 eine äußerst spannende Hypothese aufgestellt. Sie hat mit kosmischer Strahlung zu tun. Die besteht aus Protonen und Elektronen die von überall her auf die Erde treffen. Manche stammen von der Sonne, manche von anderen Sternen, manche aus fernen Galaxien. Der Strom dieser Teilchen, der zu uns gelangt, ist nicht immer konstant. Mal sind es mehr, mal sind es weniger. In Zeiten hoher Sonnenaktivität ist auch der Sonnenwind sehr stark, also der Strom an Teilchen, die von der Sonne ausgesandt werden. Dieser starke Sonnenwind blockiert die kosmische Strahlung, die von außerhalb des Sonnensystems auf die Erde gelangen würde und auf der Erde treffen weniger dieser Teilchen auf. Diese Variationen in der kosmischen Strahlung sollen laut Svensmark für die Variationen des Klimas verantwortlich sein. Denn wenn die Teilchen auf die Erdatmosphäre treffen, könnten sie dort Wolken erzeugen. Wolken entstehen dann, wenn die Wassertropfen in der Luft auf Kondensationskerne treffen. Das können kleinste Aerosole sein, irgendwelche Partikel aus Feststoffen oder Flüssigkeiten, die in die Luft gelangt sind. Trifft die kosmische Strahlung auf die Aerosole, können sie ionisiert werden, was die Wolkenbildung verstärkt. Mehr kosmische Strahlung, mehr Wolken, lautete Svensmarks These. Und die Änderungen in der Wolkendichte verändert das Klima. Der Effekt der kosmischen Strahlung verstärkt also den Einfluss der Sonnenaktivität auf das Klima enorm und darum ist es egal, wenn die Leuchtkraft der Sonne nur wenig variiert.”
Wie gesagt: Die Hypothese ist kein völliger Blödsinn. Es ist ein prinzipiell plausibler Mechanismus. Und natürlich haben Wissenschaftler sich seit damals ausführlich damit beschäftigt. Vor allem aber sind die Klimawandelleugner voll auf Svensmarks Hypothese angesprungen. Hier schien endlich der Beweis zu sein, dass nur die Sonne schuld ist am Klimawandel und nicht wir Menschen! Blöd halt nur, dass sie den Unterschied zwischen “Hypothese” und “Beweis” nicht verstanden habe. Als diese These dank eines “Wir können nix für den Klimawandel”-Propagandbuchs in Deutschland populär wurde, habe ich mich ausführlich damit beschäftigt und geschaut was die Wissenschaft dazu zu sagen hatte. Die Astronomen haben Svensmark These lange und oft geprüft und kamen mit überwiegender Mehrheit zu dem Schluss das nichts dran ist. Der Mechanismus ist prinzipiell plausibel, hat aber viel weniger Einfluss auf die Wolkenbildung als Svensmark angenommen hatte. Das bestätigen auch experimentelle Versuche am Europäischen Kernforschungszentrum CERN: Dort hat man die Wolkenbildung im Labor untersucht und die kosmische Strahlung durch entsprechende Strahlung aus den Teilchenbeschleunigern simuliert. Auch dort lautet der Befund: Der Mechanismus existiert, ist aber zu irrelevant um Auswirkungen zu haben.
Es ist unbestreitbar, dass die Sonne das Klima auf der Erde bestimmt. Sie liefert uns die Wärme, das Licht und die Energie damit wir überhaupt eine aktive Atmosphäre haben können. Aber es ist ebenso klar dass die Helligkeit der Sonne sich in letzter Zeit nicht relevant geändert hat und dass die Sonnenaktivität zwar schwankt, aber keinen Einfluss auf das Klima der Erde hat. Wer weiterhin der Sonne die Schuld am Klimawandel gibt demonstriert damit nur ein mangelndes Interesse an Fakten und unzureichendes Wissen über die Astronomie.
Alle Artikel der Serie:
Klimawandel-Mythen 01: Der Mensch kann das Klima doch gar nicht beeinflussen! (erscheint am 06.07.2017)
Sternengeschichten 241: Der Treibhauseffekt (Sternengeschichten Folge 241) (erscheint am 07.07.2017)
Klimawandel-Mythen 02: Der Mensch ist doch gar nicht verantwortlich für den Klimawandel! (erscheint am 10.07.2017)
Klimawandel-Mythen 03: Das Klima hat sich früher auch geändert – Klimawandel ist nicht schlimm! (erscheint am 11.07.2017)
Klimawandel-Mythen 04: Schuld am Klimawandel ist die Sonnenaktivität! (erscheint am 12.07.2017)
Klimawandel-Mythen 05: In Grönland war es früher warum und man hat dort Wein angebaut (erscheint am 13.07.2017)
Sternengeschichten 242: Der Kohlenstoffzyklus (Sternengeschichten Folge 242) (erscheint am 14.07.2017)
Klimawandel-Mythen 06: Die Gletscherschmelze ist völlig egal (erscheint am 17.07.2017)
Klimawandel-Mythen 07: Die Winter ist doch kalt – wo bleibt der Klimawandel? (erscheint am 18.07.2017)
Klimawandel-Mythen 08: Der Klimawandel macht doch gerade Pause! (erscheint am 19.07.2017)
Klimawandel-Mythen 09: Beim Klimawandel sind sich doch nicht mal die Wissenschaftler einig (erscheint am 20.07.2017)
Klimawandel-Mythen 10: Es ist schon viel zu spät was gegen den Klimawandel zu tun (erscheint am 21.07.2017)
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