Ja, ja – ich schreib’s gleich am Anfang: Die Überschrift dieses Artikels ist unter Umständen ein wenig irreführend. Ein schwarzes Loch ist keine Maschine, die man ein- oder ausschalten kann. Aber die Aktivität eines schwarzen Lochs kann sich verändern und genau darum geht es. Im Zentrum jeder großen Galaxie befindet sich mindestens ein supermassereiches schwarzes Loch. Die Dinger sind, wie der Name naheleget, schwarz. Das heißt, dass sie kein Licht abstrahlen. In ihrer Nähe wird die Gravitationskraft so stark, dass man sich schneller als das Licht bewegen müsste, wenn man sich entfernen will. Da das aber unmöglich ist, kann sich nichts entfernen. In der Umgebung eines schwarzen Lochs ist das aber noch möglich. Von dort kann Strahlung und Materie entkommen und die speziellen Bedingungen in der unmittelbaren Nachbarschaft eines schwarzen Lochs führen dazu, dass es dort sehr viel Strahlung gibt. Ein schwarzes Loch, das so für Strahlung sorgt, nennt man “aktiv” und die Aktivität kann sich verändern. Astronomen haben nun kürzlich einen besonders interessanten Fall beobachtet, bei dem ein schwarzes Loch seine Aktivität in vergleichsweise kurzer Zeit ein und wieder aus “geschaltet” hat.
Es geht um eine Galaxie mit der Bezeichnung SDSS J1354+1327. Die ist ein Stück weit von uns entfernt; das Licht von dort braucht 800 Millionen Jahren, bis es bei uns ankommt. Aber angekommen ist es und es wurde von Julia Comerford von der Universität Colorada in Boulder und ihren Kollegen beobachtet (“An Active Galactic Nucleus Caught in the Act of Turning Off and On”). Im Zentrum dieser Galaxie befindet sich etwas, was die Astronomen “AGN” nennen: Ein Aktiver Galaktischer Nukleus. Der “Nukleus” ist das oben erwähnte supermassereiche schwarze Loch und wenn es aktiv ist, dann ist es alles andere als schwarz.
Die AGNs können so enorm hell leuchten, dass man sie früher für eine seltsame Art von Sternen gehalten hat. Als man sie in den 1960er Jahren entdeckte, wurden sie Quasare genannt, also “quasi-stellar”. Es waren enorm leuchtkräftige punktförmige Strahlungsquellen, die aber viel zu weit entfernt waren, um tatsächlich Sterne sein zu können. Erst später war man in der Lage, auch die Galaxien um die AGNs herum zu beobachten und die Strahlung durch die Aktivität schwarzer Löcher zu erklären.
Material, dass in die Nähe eines schwarzen Lochs gelangt, fällt nicht sofort und nicht restlos in das Loch hinein. Es wirbelt um das Loch herum, wird enorm stark beschleunigt und dabei entsteht jede Menge Strahlung (hauptsächlich Röntgen- und Radiostrahlung). Ein Teil des Materials kann auch wieder mit enorm hohen Geschwindigkeiten zurück ins All geschleudert werden (das funktioniert so ähnlich wie ein Swing-By-Manöver in der Raumfahrt). Ein schwarzes Loch ist also nur dann ein AGN, wenn auch ausreichend Material vorhanden ist, dass es zum Strahlen bringen kann. Ist nix zum fressen in der Nähe, dann ist das Loch auch nicht aktiv und es gibt keine Strahlung.
Je älter eine Galaxie ist, desto weniger Aktivität findet man normalerweise. Es gibt kaum noch Material in der Zentralregion, dass ins Loch fallen kann. AGNs findet man vor allem in jungen Galaxien, beziehungsweise in Galaxien, deren Licht sehr lange bis zu uns braucht (also aus einer Zeit stammt, in der die Galaxie noch jung war). Bei SDSS J1354+1327 begannen die Entdeckungen durch eine Beobachtung des Röntgen-Weltraumteleskops Chandra. Damit entdeckte man eine helle, punktförmige Quelle von Röntgenstrahlung im Zentrum: Ein sicherer Hinweis auf einen aktiven Galaxienkern. Julia Comerford und ihre Kollegen nutzen dann das Hubble-Weltraumteleskop und diverse Sternwarten auf der Erde um nähere Beobachtungen anzustellen. Und fanden dabei interessante Details.
Mit Hubble konnte eine große Blase aus heißem, ionisierten Gas nördlich des Galaxienzentrums beobachtet werden. Gas also, bei dem Elektronen von den Atomkernen entfernt wurden. Das passiert, wenn solche Gaswolken von starker (Teilchen)Strahlung getroffen werden, die in diesem Fall vom aktiven schwarzen Loch produziert worden ist. Diese Gaswolken befinden sich knapp 30.000 Lichtjahre vom schwarzen Loch entfernt. In nur 3000 Lichtjahren Entfernung haben Comerford und ihre Kollegen allerdings auch noch eine Stoßwelle im interstellaren Gas beobachtet. Auch das ist ein Hinweis auf die Aktivität des schwarzens Lochs, das Material mit hoher Geschwindigkeit durch die Gegend schleudert und dabei entsprechende Stoßwellen verursachen kann.
Zusammengenommen zeigen die Beobachtungen, dass das schwarze Loch in der Vergangenheit aktiv war, dann wieder nicht, nur um etwa 100.000 Jahre nach der einen Aktivitätsphase ein weiteres Mal aktiv zu werden. Oder, wie es Julia Comerford in der Pressemitteilung formuliert:
” Wir sehen wie dieses Objekt frisst, rülpst, ein Schläfchen hält und dann erneut frisst und rülpst (We are seeing this object feast, burp, and nap, and then feast and burp once again).”
Und wo kriegt so ein schwarzes Loch das Material her, das es fressen kann? Von einer anderen Galaxie. SDSS J1354+1327 hat eine Begleitgalaxie gleich nebenan. Man kann Gas und Sterne beobachten, die sich von einer Galaxie zur anderen erstrecken, was ein Zeichen dafür ist, dass beide Galaxien in der Vergangenheit miteinander kollidiert sind. Dabei wird auch Material in die Nähe des schwarzen Lochs gelangt sein, das die Aktivität verursacht hat.
Auch unsere Milchstraße hat in ihrem Zentrum ein supermassereiches schwarzes Loch. Es kommt allerdings nur noch selten zum Fressen, und wenn, dann kriegt es nur noch kleine Happen. In der Vergangenheit könnte das aber anders gewesen sein. 2010 haben Astronomen große “Blasen” entdeckt, die Gammastrahlung abgeben. Der Ursprung dieser “Fermi-Blasen”, die ich ausführlich erklärt habe, ist noch nicht restlos geklärt. Es kann aber sehr gut sein, dass sie von einer lange zurück liegenden “Fressphase” des schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße erzeugt worden sind.
Und wenn unser schwarzes Loch sein Verdauungsschläfchen beendet hat, kriegt es vielleicht wieder mal einen Fressanfall. Denn das ist das Resultat der Arbeit von Comerford und ihren Kollegen. Dass AGNs nicht kontinuierlich aktiv sind, hat man schon vorher gewusst. Jetzt hat man aber einen konkreten Fall beobachtet, der zeigt, dass die Aktivität auch kurzfristig (zumindest im astronomischen Sinn) an und aus geschaltet werden kann. Das bestätigt die Hypothesen und genauere Beobachtungen dieser Art werden uns in Zukunft noch viel genauer zeigen, wie das Fressverhalten supermassereicher schwarzer Löcher funktioniert.
Kommentare (37)