Diese Nachricht werden vermutlich alle mitbekommen haben: Am 6. Februar 2018 hat Space X das erste Mal eine Falcon Heavy Rakete gestartet. Sie kann 63.800 Kilogramm Nutzlast in eine niedrige Erdumlaufbahn befördern und ist damit derzeit die stärkste Trägerrakete der Welt (allerdings nicht die stärkste Trägerrakete aller Zeiten). Der Start verlief weitestgehend erfolgreich; die Nutzlast wurde ins All befördert, die beiden Booster der Rakete sind sicher wieder auf der Erde in Cape Canaveral gelandet – nur die Erststufe, die ebenfalls wieder sicher gelandet und recycelt hätte werden sollen, hat eine Bruchlandung im Meer hingelegt.
Das was Space X und der Firmengründer Elon Musk da geleistet haben, hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Zu Recht, denn es war durchaus eine technische Meisterleistung für eine weitestgehend privat finanzierte Firma so ein Ding zu bauen und erfolgreich ins All zu schicken. Ich habe mit der ganze Sache nur ein Problem: Was soll das mit diesem dämlichen Elektroauto?
Der Start vor ein paar Tagen war ein erster Test. Es ging darum, zu zeigen, dass die Rakete wirklich funktioniert. Und natürlich muss man dabei irgendwas ins All schicken. Aber muss das gerade ein Tesla Roadster sein? Es ist klar, warum Elon Musk das getan hat. Es handelt sich dabei um wirklich großartige PR für sich und seine Firmen. Gestern und heute habe ich Bilder des Autos im All auf Facebook, bei Twitter, in den Online-Zeitungen im Internet, im Fernsehen und überall sonst gesehen, wo man solche Sachen gehen kann. Das Internet und der Rest der Medien waren voll mit dem Auto und die Leute begeistert. Immerhin hat man ja nicht nur einfach ein Auto ins All geschickt. Sondern auch noch einen Dummy-Fahrer (natürlich ein “Starman” und keine “Starwomen”) hineingesetzt, “Don’t Panic” aufs Armaturenbrett geschrieben und Life on Mars von David Bowie im Autoradio gespielt (angeblich; im Weltraum hört das ja sowieso niemand). Live-Bilder vom kosmischen Autofahrer gibt es auf YouTube. Man hat also alle Knöpfe gedrückt um die popkulturellen Reflexe der Internet-Generation zu triggern.
“What we witnessed yesterday was the internet generation’s approximation of the moon landing, and that Roadster might well remain the totemic symbol of the achievement.”
Das schreibt zum Beispiel das Magazin “The Verge” und erklärt, warum der Flug des Elektroautos eine wahnsinnig großartige Idee war.
Ich bin anderer Meinung. Ich halte das für eine dämliche Idee. Und für eine große Verschwendung. Jetzt fliegt halt ein Elektroauto durch die Gegend; in Richtung Asteroidengürtel und wieder zurück zur Erde. Das ist, wie gesagt, großartige PR für Elon Musk. Aber dient es auch der Sache? Klar, jede Menge Leute sind jetzt begeistert, weil endlich mal wieder was wirklich aufregendes im Weltall passiert. Beziehungsweise etwas, was enorm gut und aufregend inszeniert worden ist, denn aufregende Dinge passieren in der Raumfahrt und der Astronomie eigentlich ständig. Sie kriegen halt nur selten so viel PR wie der Start von Musks Roadster.
Begeisterung für die Wissenschaft und für die Raumfahrt zu erzeugen ist gut. Das sollte viel öfter gemacht werden und viel mehr Organisationen, Universitäten und Wissenschaftler sollten das machen. Aber man muss aufpassen, wohin die Begeisterung führt. In diesem Fall: Zu nicht viel. Der Roadster fliegt durch die Gegend und macht nichts. Wäre es so schwer gewesen, ein wissenschaftliches Instrument mit an Bord zu nehmen? Wäre der Start der Falcon Heavy nicht vielleicht noch beeindruckender gewesen, wenn am Ende neue Erkenntnisse für die Wissenschaft dabei entstanden wären? Immerhin war es ja der Plan, das Elektroauto zum Mars zu schicken (was nicht ganz geklappt hat, es fliegt jetzt über die Marsbahn hinaus bis in den Asteroidengürtel).
Third burn successful. Exceeded Mars orbit and kept going to the Asteroid Belt. pic.twitter.com/bKhRN73WHF
— Elon Musk (@elonmusk) 7. Februar 2018
Missionen zum Mars passieren nicht so oft; sie sind schwierig, kompliziert und teuer. Aber wichtig und interessant. Warum nicht ein paar Instrumente mit auf den Weg nehmen und neben der PR auch ein wenig Wissenschaft betrieben? Warum nicht vielleicht sogar Schülerinnen und Schüler einladen, ein paar kleine Messinstrumente zu bauen. Jungen Studenten die Möglichkeit geben, Experimente im Weltall durchzuführen? Oder Ländern die Teilnahme an der Raumforschung zu ermöglichen, die sich einen Raketenstart nicht leisten können?
(Nachtrag: Weil so viele Kommentatoren das ansprechen – Ja, ich weiß dass es sich um einen Testflug gehandelt hat. Und die Chance bestand, dass das Ding explodiert. Und dass ansonsten bei Testflügen irgendwelche Betonblöcke mitgenommen werden. Und ein Auto ist natürlich besser als ein Betonblock. Aber ein Auto mit Wissenschaft wäre NOCH besser als ein Betonblock. Es wäre PR für Tesla UND die Wissenschaft. Im Gegensatz zu normalen Testflügen gab es bei diesem wirklich viel öffentliche Aufmerksamkeit und die hätte man nutzen können. Wenn man Jugendliche, Studenten, etc die Möglichkeit gegeben hätte, im Rahmen einer ECHTEN Mission zu lernen, wie man ein Instrument fürs All baut, hätten sie dort Sachen lernen können, die man ansonsten nicht lernen kann. Auch wenn die Chance besteht, dass die Rakete explodiert (ich hab ja nicht gesagt, dass man da ein Hubble-Teleskop mitnehmen soll, dass Milliarden kostet und Jahrzehnte geplant wird…) – was übrigens bei anderen Raketen auch immer der Fall sein kann.)
Meinentwegen hätte Musk die ganzen Messinstrumente ja immer noch in seinen Roadster packen können. Wenn man sich eh schon so viele Gedanken über die Details des Weltraumflugs eines Elektroautos gemacht hat, dann wäre das auch noch schaffbar gewesen. Und dann hätte Musk nicht nur sein Auto durchs Sonnensystem geschickt, die PR eingesammelt sondern auch noch echte Forschung gemacht. Ein Tesla Roadster, der am Mars vorbei fliegt und Wissenschaft treibt! DAS hätte ich beeindruckend gefunden. Einen Milliardär, der sein Luxusauto sinnlos durch den Weltraum befördert, finde ich dagegen weniger faszinierend.
All die Menschen, die derzeit über den Start der Falcon Heavy begeistert sind, sind zu recht begeistert. Es war ein Ereignis, von dem man begeistert sein kann und soll. Aber bei all der Begeisterung darf man eben auch nicht vergessen, dass hier eine private Firma PR für ihre Produkte macht. Das ist nicht verwerflich – aber man sollte nicht so tun, als würde das nicht stattfinden. Ich bin mir nicht sicher, wie nachhaltig die Begeisterung über ein Auto im Weltraum sein wird. Der Start war spektakulär, die Bilder des Roadsters vor Erde und Mond waren spektakulär. Aber von jetzt an wird das Auto nicht mehr viel tun (schlimmstensfalls spielt es irgendwann noch einmal eine prominente Rolle als Weltraummüll). Wissenschaft wäre meiner Meinung nach nachhaltiger gewesen. Bei wissenschaftlichen Missionen ist der Start der Rakete immer erst der Anfang! Die faszinierenden Ergebnisse der Forschung gibt es noch Jahre und Jahrzehnte danach.
Klar. Der erste Start der Falcon Heavy war keine wissenschaftliche Mission. Es ging darum, die Rakete zu testen. Aber es hätte auch eine wissenschaftliche Mission sein können. Forscherinnen und Forscher überall auf der Welt hätten mit Sicherheit genug Ideen gehabt, die Technikmission mit ein paar wissenschaftlichen Instrumenten aufzupeppen. Wenn Elon Musk bei seiner großen PR-Show auch ein wenig an die Forschung gedacht hätte, hätte er mich wirklich beeindruckt.
Aber die Mission von Space X geht ja noch weiter. Die nächsten Falcon-Heavy-Starts sind kommerzielle Missionen, die diverse militärische, wissenschaftliche und Kommunikationssatelliten ins All bringen. Irgendwann sollen Menschen rund um den Mond geflogen werden und irgendwann auch einmal zum Mars. Dass Space X die Technik dazu beherrschen kann, hat der Start der Falcon Heavy gezeigt. Wie seriös die geplanten Missionen zu anderen Himmelskörpern tatsächlich ablaufen werden; ob auch da die PR im Vordergrund stehen wird oder nicht: Das wird sich zeigen. Space X hat das Potential, die Menschen auch weiterhin so zu beeindrucken, wie sie es in den letzten Tagen getan haben. Ich persönlich würde mich freuen, wenn sie dieses Potential auch seriös nutzen. Ich will keine sinnlosen Autos mehr im All rumfliegen sehen.
Nachtrag (21.02.2018): Um einige im Laufe der Diskussion zu diesem Artikel aufgetretenen Missverständnisse aufzuklären und meine Sicht auf die private Raumfahrt ausführlicher darzulegen, habe ich noch einen weiteren Artikel veröffentlicht: Private Raumfahrt, Nachhaltigkeit und die Zukunft der Menschheit im Weltraum
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