Kürzlich habe ich über den Start der Falcon Heavy Rakete von SpaceX geschrieben und dabei kritisiert, dass man ein Elektroauto als Nutzlast verwendet und für ein großes PR-Spektakel benutzt hat. Dieser Artikel ist erwartungsgemäß von vielen Leuten kritisiert worden. Ich habe allerdings das Gefühl, dass es mir nicht ganz gelungen ist, das zu vermitteln, was ich vermitteln wollte. Es ging mir nicht, wie viele mir vorgeworfen haben, darum die private Raumfahrt zu kritisieren oder Elon Musk, dem Besitzer von SpaceX, vorzuschreiben, was er mit seiner Firma tun soll. Das, was mich an der ganzen Angelegenheit stört, hat mit einem anderen Thema zu tun: Nachhaltigkeit.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich meine damit nicht Nachhaltigkeit im ökologischen Sinne. Was das angeht sind die recycelbaren Raketen von SpaceX ein großer Schritt in die richtige Richtung. Ich meine eine andere Art der Nachhaltigkeit.
Der Wettlauf ins All
Blicken wir kurz einmal zurück zu den Anfängen der Raumfahrt. In der kurzen Zeit zwischen 1950 und 1970 haben die USA und die Sowjetunion beispiellose Raumfahrt-Missionen auf auf den Weg gebracht. Ein paar Jahre zuvor waren Raketen quasi erst erfunden worden und als Waffe eingesetzt worden und kurz danach schickte man damit Menschen ins All und sogar auf die Oberfläche des Mondes. Es waren grandiose technische, kulturelle und wissenschaftliche Leistungen. Aber nichts daran war nachhaltig.
Es ist hier nicht der passende Ort, um die Geschichte der Raumfahrt in voller Länge auszubreiten. Aber einen kurzen Blick hinter die Kulissen sollten wir trotzdem werfen. Anfangs waren sowohl die USA als auch die Sowjetunion ausschließlich daran interessiert, Raketen als Trägersystem für ihre Atomwaffen einzusetzen. Sergei Korolev, Chefdesigner des sowjetischen Raumfahrtprogramms, lief sogar ständig Gefahr, von den kommunistischen Machthabern abgesetzt und eingesperrt zu werden, wenn er seine Visionen von bemannten Raumflügen und Flügen zum Mond zu laut äußerte. Und Wernher von Braun war den Amerikanern zwar wichtig genug gewesen, um seine Kriegsverbrechen zu ignorieren und ihn und seine Mitarbeiter in die USA zu schaffen. An Raketen für die bemannte Raumfahrt ließ man ihn aber vorerst trotzdem nicht arbeiten.
Erst als die USA im Jahr 1955 ankündigte, für das Internationale Geophysikalische Jahr einen Satelliten mit Messinstrumenten ins All zu bringen, ging der Wettlauf los. Die Sowjets schickten Sputnik ins All, danach mit der Hündin Laika das erste Lebewesen und schließlich Yuri Gagarin. Die Amerikaner waren schockiert wegen ihres augenscheinlichen Rückstands in der Raketentechnik. Der aber in der Form eigentlich gar nicht existierte. Die Missionen, die Korolev immer wieder auf die Beine stellte, waren zwar ohne Zweifel grandios. Aber es waren auch Missionen, die Nikita Chruschtschow immer wieder zu Propagandazwecken einforderte. Korolev wollte eigentlich seine Visionen umsetzen und mit Plan den langen Weg zum Mond und darüber hinaus vernünftig vorbereiten. Die kommunistischen Machthaber wollten dagegen schnelle und spektakuläre Missionen die die Amerikanern glauben machten, die UdSSR wäre schon viel weiter in der Raketentechnik, als sie es tatsächlich war.
Also stellte Korolev seine Visionen hintan und schraubte in kürzester Zeit Raketen und Raumschiffe zusammen, um den Wunsch der Parteiführung nach Propaganda zu erfüllen. Währenddessen steckte die USA Unsummen in die Raumfahrt um den scheinbaren Rückstand gegenüber dem Erzfeind wieder aufzuholen. Der Wettlauf ins All gipfelte in der Landung von Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf dem Mond im Jahr 1969. Und dann war es auch schon wieder vorbei.
Nach dem Tod von Korolev im Jahr 1966 hatte die Sowjetunion den USA in Sachen Mondlandung nichts mehr entgegen zu setzen. Und nachdem die USA den Wettlauf gewonnen hatte, sah man auch dort keinen (politischen) Grund mehr, die enormen Anstrengungen aufrecht zu erhalten. Ein paar Flüge zum Mond gab es noch; nach 1972 wurden weitere Mondlandungen gestrichen und die restlichen Saturn-V-Raketen ins Museum verfrachtet.
Seitdem findet bemannte Raumfahrt nur noch im erdnahen Weltraum statt, die Astronauten tummeln sich auf kleinen Raumstationen und es gab keine ernsthaften Anstrengen mehr, zum Mond oder gar zum Mars zu fliegen. All die großen Visionen die Korolev, von Braun und die anderen Pioniere hatten; all die Flüge zum Mars, der Bau großer Raumstationen, die dauerhaften Siedlungen auf dem Mond blieben Visionen. Bis heute.
Das “goldene Zeitalter der Raumfahrt” war zu einem maßgeblichen Teil politisch motiviert und definitiv nicht nachhaltig. Es ging nur darum, vor dem jeweiligen Erzfeind Menschen ins All bzw. zum Mond zu bringen. Hätte man das ganze vernünftig angestellt, dann hätte man – so wie sich das von Braun und Korolev ja auch vorgestellt hatten – zuerst einmal eine größere Basis im Weltraum errichtet. Mit so einer Raumstation hätte man dann Raumfahrzeuge im All gebaut um von dort aus dann zum Mond oder zum Mars zu fliegen. Man hätte eine Art “Pendelverkehr” zwischen Erde und Mond eingerichtet um dortige Basen zu versorgen. Man wäre Schritt für Schritt vorgegangen.
Stattdessen sind wir in einem gewaltigen Sprung bis zum Mond gehüpft und dann wieder zurück gekehrt. Was hätten wir auch anders tun sollen? Es gab ja keine nachhaltige Infrastruktur im All. Es gab nur den politischen Wettlauf, der von den visionären Technikern umgesetzt wurde. Und als der Wettlauf gewonnen war, war er vorbei. Wie das halt so ist bei Wettläufen.
Mit Nachhaltigkeit hatte das alles aber nichts zu tun. Aber genau das ist nötig, wenn man zum Beispiel Menschen zum Mars schicken will. Das politische Klima hat sich – zum Glück – geändert. Es gibt kein Wettrennen mehr; dafür gibt es die kontinuierliche Erforschung des Weltraums und des Sonnensystems. Die staatlichen Raumfahrtorganisationen können nicht mehr ohne Rücksicht auf die Kosten Raketen ins All zu schicken, um irgendwie möglichst schnell zum Mars und wieder zurück zu kommen. So etwas wie das Apollo-Programm will sich kein Staat mehr leisten. Aber wenn es die Staaten nicht tun, dann vielleicht eine Privatperson?
Private Raumfahrt als Chance und Risiko
Und jetzt sind wir wieder in der Gegenwart und bei der privaten Raumfahrt. Private Raumfahrtorganisationen wie SpaceX sind einerseits eine große Chance. Weitestgehend unbehindert durch politische Zwänge können solche Firmen ihre Raketen ins All schicken und ihre Missionen umsetzen. Sie können damit sogar Geld verdienen (bzw. könnten es vielleicht irgendwann in Zukunft in größerem Maßstab tun). Die Situation lässt sich ein wenig mit der Entwicklung der Computer vergleichen. Nach dem zweiten Weltkrieg waren Computer riesige Maschinen, für deren Unterbringung man ganze Gebäude brauchte und mit denen man als normaler Mensch kaum etwas anfangen konnte. Sie waren aber auch sowieso so komplex und teuer, dass nur staatliche Organisationen sie sich leisten konnten. Erst als private Firmen in den Computermarkt einstiegen, wurden die Geräte handlicher, billiger und flexibler. Es gab mehr mögliche Anwendungen und mehr Menschen und Organisationen konnten es sich leisten, so ein Ding zu kaufen. Was wieder dazu führte, dass die Computer noch billiger wurden, man noch mehr Anwendungen entwickelte – und so weiter. Mittlerweile sind Computer überall in unserem Alltag angekommen; wir haben sie auf unseren Schreibtischen, in unseren Fernsehgeräten, Autos und Telefonen.
Natürlich wird auch in absehbarer Zukunft niemand eine eigene Rakete im Garten stehen haben, mit der man mal eben schnell übers Wochenende zum Mond fliegen kann. Aber wenn die Raumfahrt sich von einer rein staatlichen Aufgabe auch zu einer privaten, wirtschaftlichen Industrie wandelt, dann ist es durchaus plausibel eine ähnliche Entwicklung wie bei den Computern zu erwarten. Raumfahrt wird billiger werden; sie wird sicherer werden und sie wird einfacher werden. Nicht mehr nur ausgebildete Astronauten werden ins All fliegen können, sondern auch “normale” Menschen. Irgendwann wird der Flug mit einer Raketen vielleicht so ähnlich ablaufen wie der Flug mit einem Flugzeug. Irgendwann kann man vielleicht Urlaub im All machen. Die Infrastruktur im All wird weitere Geschäftsmöglichkeiten eröffnen, und so weiter. Private Raumfahrt kann einen Prozess in Gang setzen, den rein staatliche Raumfahrt niemals planen oder umsetzen hätte können.
Irgendwo da oben habe ich ein “einerseits” verwendet. Jetzt kommt das “andererseits”. Denn auch wenn ich die private Raumfahrt als sehr große Chance sehe, sehe ich sie andererseits auch als Risiko. Staatlich organisierte Raumfahrt ist heute zwar oft nicht so spektakulär wie man sich das in der durch Hollywood-Sci-Fi verwöhnten Gesellschaft wünscht. Aber sie ist in gewissen Sinne nachhaltig. Wer schmeißen uns eben nicht mehr so wie früher ohne Rücksicht auf Verluste ins All, nur um irgendwo Erster zu sein. Wir gehen methodisch vor, erforschen etwa den Mars ausführlich mit Raumsonden und Rovern; wir nutzen die Raumstation um umfassend zu verstehen wie das Leben im Weltraum funktioniert, und so weiter. Es fehlt – zumindest in Europa und den USA – zwar seit einiger Zeit ein wenig diese letzte große Willensanstrengung, sich auf eine spektakuläre und langfristige Mission (wie eben einen Flug zum Mars oder zum Mond) einzulassen. Aber wir machen wenigstens solide Grundlagenforschung und verstehen den Weltraum immer besser.
Die private Raumfahrt könnte nun genau das fehlende Puzzlestück sein. Wenn die staatlichen Organisationen sich aus politischen und finanziellen Erwägungen nicht mehr auf langfristige und komplizierte Projekte einlassen wollen, dann kann das ja vielleicht eine private Organisation übernehmen. So wie SpaceX: Diese Firma profitiert von den Milliarden ihres Gründers Elon Musk (und übrigens natürlich auch von der riesigen Menge an Forschung die die staatlichen Organisationen durchgeführt haben) und muss sich nicht um politische Motivationen kümmern. Wenn Musk meint, er will Menschen zum Mars schicken und die Mittel hat, das umzusetzen, dann liegt es einzig an ihm, das auch zu tun.
Genau hier sehe ich aber auch die potentiellen Probleme! Als ich in in meinem ersten Artikel Elon Musk kritisiert habe, weil er den Start seiner Rakete zur PR-Show für sein Elektroauto genutzt hatte, hat man mir sehr oft geantwortet, dass er doch machen könne, was er wolle. Immerhin bezahle er ja auch selbst dafür. Und natürlich kann und will ich Musk nicht verbieten, das zu tun was er getan hat. Aber das “Er will das, er kann das und er bezahlt es ja selbst!” ist eben ein zweischneidiges Argument.
Wer jetzt will und kann, der will und kann vielleicht später nicht mehr. Und genau so wenig, wie ich Musk jetzt verbieten kann, sein Auto ins All zu schießen, kann ich ihm verbieten, nicht zum Mars zu fliegen, wenn er irgendwann die Lust an der Sache verlieren sollte. Staatliche Organisationen wie NASA und ESA planen natürlich auch viele Missionen, die später gestrichen oder nicht durchgeführt werden. Aber hier existiert immer eine gewisse Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit. Wenn man Geld für etwas ausgibt, was dann nicht getan wird, muss man das zumindest begründen und gegenüber der Öffentlichkeit rechtfertigen. Private Organisationen müssen das nicht. Und das finde ich – gerade wenn es um die Raumfahrt geht – ein wenig kritisch.
Der Weltraum ist für alle da
Die privaten Raumfahrtorganisationen wie SpaceX, Blue Origin oder Virgin Galactic sind im wesentlichen Spielplätze für Milliardäre. Das soll jetzt nicht abwertend klingen, aber gäbe es nicht Elon Musk, Jeff Bezos, Richard Branson und all ihr vieles Geld das sie anderswo verdient haben, dann gäbe es auch diese Firmen nicht. Es gibt sie, weil diese Leute sehr viel Geld haben und weil sie große Visionen haben. Mit dem Start der Falcon-Heavy-Rakete Anfang Februar hat Elon Musk gezeigt, dass er momentan durchaus in der Lage ist, diese Visionen auch umzusetzen. Aber was, wenn er es nicht mehr ist? Dann wird halt keine private Rakete zum Mars fliegen. Was ja auch nicht tragisch ist – aber eben auch nicht im Sinne einer nachhaltigen Raumfahrt. Staatliche Organisationen sind oft träge und neigen dazu, das Spektakuläre zu vermeiden. Aber sie bieten zumindest ein gewisses Maß an Kontinuität. Eine Firma wie SpaceX kann theoretisch schnell verschwinden. Bei einer Organisation wie der NASA oder die ESA ist das unwahrscheinlicher. So groß die Chancen sind, die uns die private Raumfahrt eröffnet (und sie sind groß!), so ist eben noch lange nicht klar, dass die Projekte die dort geplant werden, nicht eben so wenig nachhaltig sind, wie es der politisch motivierte Wettlauf ins All war.
Neben der Frage nach der Nachhaltigkeit stellt sich aber auch die Frage nach der Verantwortung. Im irdischen Rahmen sehen wir das ja beispielsweise beim Abgasskandal: Autofirmen betrügen in großem Maßstab, schädigen Menschen und Umwelt massiv – aber irgendwie scheint sich niemand zu finden, der tatsächlich verantwortlich ist. Wir sehen es auch bei all den Datenschutz-Problemen, die wir mit Firmen wie Google oder Facebook haben. Wir sehen es bei Preisabsprachen, geplanter Obsolenz, und all den anderen negativen Auswüchsen des Kapitalismus. Wie wird das dann werden, wenn private Firmen nicht nur die Wirtschaft auf der Erde dominieren, sondern auch den Weltraum?
Das alles sind jetzt natürlich keine wissenschaftlichen sondern eher philosophische oder gesellschaftliche Fragen und damit offen für die Diskussion. Aber ich persönlich denke, dass der Weltraum für uns alle da ist. Er sollte keinen Nationen gehören und auch keinen Firmen. Wir sollten uns als Menschheit damit beschäftigen und nicht als Aktionäre, Politiker oder Manager. Ein Flug zum Mars, die Besiedelung des Mondes oder der Bau einer großen und dauerhaft besiedelten Raumstation sollten Aufgaben der gesamten Gesellschaft sein und nicht die einer einzigen Firma. Mir ist natürlich klar, dass das eine Utopie ist. Aber an Utopien ist per se nichts schlechtes (der Flug zum Mond war ja früher mal auch nichts anderes). Wenn man bei der Raumfahrt zu sehr auf nicht-staatliche Firmen und das Geld von Privatpersonen setzt, dann darf man sich nicht wundern, wenn man am Ende im Weltall nicht die schönen Visionen aus Raumschiff Enterprise und anderer Science-Fiction vorfindet, sondern die gleichen kapitalistischen Probleme die wir auch hier auf der Erde haben. Wenn wir Firmen wie PayPal oder Amazon ob ihrer Geschäftspraktiken kritisieren, dann ist es ein wenig naiv die Raumfahrtorganisationen der jeweiligen Firmengründer komplett kritiklos zu betrachten. Und davon auszugehen, dass sie uns ohne Probleme in eine utopische Sci-Fi-Zukunft führen.
Wie gesagt: Ich sehe die private Raumfahrt als große Chance (ich sage es deswegen so oft, damit ich nicht wieder missverstanden werde). Aber wie groß die Chance auch ist: Es ist angebracht, sie auch ein wenig kritisch zu betrachten. Auch dann, wenn das was die privaten Firmen tun, wirklich beeindruckend ist (und das waren der Start der Falcon Heavy und die Bilder des Elektroautos im Weltraum ja definitiv). Vielleicht sogar gerade dann…
Nachhaltige Faszination
Neben der Frage der Verantwortung und der Nachhaltigkeit was die zukünftigen Aktivitäten der Menschheit im All angeht, stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit noch auf eine andere Weise. Während ich mich bis jetzt eher allgemein der privaten Raumfahrt gewidmet habe, geht es jetzt ein wenig konkreter um den Start der Falcon-Heavy-Rakete Anfang Februar und vor allem den PR-Stunt mit dem Tesla-Roadster im Weltall. Es geht um die Nachhaltigkeit der Faszination. Wissen und die Faszination der Wissenschaft zu vermitteln ist ja mein Job. Es ist auch der Job jeder Menge anderer Menschen. Es ist (bzw. sollte) der Job aller sein, die Wissenschaft betreiben. Warum es wichtig ist, Wissenschaft nicht nur zu betreiben sondern auch sie der Öffentlichkeit zu vermitteln, muss ich ja hoffentlich nicht mehr explizit erklären. Das habe ich in der Vergangenheit schon oft genug getan. Jede größere Weltraummission wird mittlerweile auch mit Projekten zur Öffentlichkeitsarbeit begleitet. Zu Recht, denn diese Wissenschaft wird im Allgemeinen durch öffentliche Gelder betrieben und da ist es nur angebracht, die Öffentlichkeit auch über das zu informieren, was man da tut. Außerdem sorgt eine gute Vermittlung der Faszination die der Wissenschaft innewohnt auch dafür, dass Menschen (vor allem Kinder und Jugendliche) sich dafür interessieren und vielleicht irgendwann selbst einmal eine entsprechende Karriere in Betracht ziehen.
Das funktioniert aber nur, wenn die Vermittlung auch nachhaltig ist! Es bringt zum Beispiel kaum etwas, ein Kind in ein Museum zu schleppen und ihm ein Dinosaurier-Skelett zu zeigen, wenn das die einzige Interaktion mit der Paläontologie bleibt. Man muss vermitteln, WAS das ist, das man da sieht. Man muss vermitteln, was man lernen kann, wenn man sich damit beschäftigt. Das ist ein Punkt, der meiner Meinung nach viel zu oft vernachlässigt wird. Natürlich ist es wichtig zu erklären, was die Wissenschaft treibt. Aber wenn man die Faszination wirklich vermitteln will, dann muss man auch erklären, warum man das macht! Welche noch offenen Fragen man hofft, durch die Forschung beantworten zu können. Welche zukünftigen Entwicklungen daraus entstehen können. Und so weiter. Nur dann können Fakten zu echter Faszination anwachsen.
Das zu erreichen ist nicht leicht. Es braucht dauerhaftes und nachhaltiges Engagement. Man muss den Menschen, die man mit der Öffentlichkeitsarbeit erreichen will, nicht nur die Wissenschaft zugänglich machen, sondern ihnen auch Wege öffnen, sich mit dieser Wissenschaft zu beschäftigen. Entweder indem man sie zum Nachdenken, Spekulieren und dem Stellen von Fragen anregt. Oder konkret, durch eigene Projekte, Basteleien, und so weiter. Und das war auch der Grund, warum ich in meinem früheren Artikel meine Enttäuschung über den Tesla-Roadster so explizit kund getan habe.
Der Start der Falcon-Heavy-Rakete war ein mediales Großereignis. Auf der ganzen Welt haben Menschen dabei zugesehen; auf der ganzen Welt haben Medien darüber berichtet. Überall haben Menschen darüber diskutiert. Im Gegensatz zu anderen Raketentests oder wissenschaftlichen Projekten hatte man hier eine enorm große und enorm aufnahmebereite Öffentlichkeit. Und diese Gelegenheit dann leider nicht genutzt. Das ist zumindest meine Meinung. Man hat den Menschen einen beeindruckenden Raketenstart gezeigt. Und ein Auto, das durchs Weltall fliegt. Die Bilder waren ohne Zweifel spektakulär. Aber ich bezweifle, dass sie dauerhafte Faszination erzeugt haben. Deswegen habe ich vor zwei Wochen meinen kritischen Artikel geschrieben; deswegen habe ich damals auch gemeint, dass ich es besser gefunden hätte, wenn man nicht einfach nur ein Auto ins All geschickt hätte, sondern sich mehr überlegt hätte. Zum Beispiel das Auto mit irgendwelchen Messinstrumenten auszustatten. Der Vorschlag ist vielleicht ein wenig übers Ziel hinaus geschossen; natürlich war es “nur” ein Raketentest und es war nicht klar, ob das Ding nicht gleich nach dem Start (mitsamt aller Messinstrumente) explodiert. Und ja, andere Raketentests schicken nur Betonklötze ins All, die zugegebenermaßen deutlich weniger spektakulär sind als ein Auto. Eine echte wissenschaftliche Mission wäre auch technisch nicht machbar gewesen. Aber ich hätte mir einfach ein wenig mehr Engagement gewünscht!
Wissenschaftsvermittlung ist Sache der Gesellschaft
Immerhin hat man sich bei SpaceX ja durchaus Gedanken gemacht. Man hat nicht einfach nur ein Auto ins All geschossen. Man hat einen “Spaceman” als Fahrer hinein gesetzt. Man hat “Life on Mars” dabei gespielt. Und noch ein paar andere nette Details hinzu gefügt. Man wollte also nicht nur einfach nur irgendeine Nutzlast einpacken, sondern hat sich bemüht, die Sache ein wenig aufzumotzen und beeindruckend zu gestalten. Hätte man sich da nicht auch noch ein wenig in eine andere Richtung bemühen können? Sich etwas überlegen, das über das spektakuläre Bild des Autos mit Spaceman vor der Erde im Weltraum hinausgeht? Wie gesagt: Es muss keine “echte” Wissenschaft sein; das wäre wohl tatsächlich zu viel verlangt. Aber ein paar Kleinigkeiten, um es den Leuten, die von diesen Bildern zu Recht fasziniert sind, leichter zu machen, die Faszination aufrecht zu erhalten. Als damals 1957 der erste Sputnik um die Erde flog, konnte das von ihm abgestrahlte Radiosignal überall auf der Welt von Funkamateuren empfangen werden und machte allen Menschen die es gehört haben sehr eindrücklich klar, dass hier ein menschengemachtes Objekt um die Erde fliegt. Hätte man so etwas ähnliches nicht auch beim Tesla-Roadster machen können? Oder Gutscheine für Schulen verteilen, damit die Kinder mit Online-Teleskopen wie Slooh den Roadster selbst und live beobachten können? Es hätte sicherlich genug Möglichkeiten gegeben, wie man das Potential dieses Raketenstarts für mehr nutzen hätte können, als nur für kurzfristige PR für Tesla.
Ich weiß schon, was man mir jetzt antworten wird: Es ist doch völlig normal, wenn eine Firma PR in eigener Sache macht. Warum sollte sich Elon Musk darum kümmern, Wissenschaftskommunikation zu betreiben? Sein Job ist es, Raketen ins All zu schicken (bzw. dafür zu bezahlen dass Raketen ins All geschickt werden). Es ist nicht seine Aufgabe, sich zu überlegen, wie man so einen Raketenstart nutzen kann, um nachhaltige Begeisterung für die Wissenschaft zu erzeugen.
Das ist mit Sicherheit richtig. Es ist nicht der Job von Elon Musk das zu tun. Aber wessen Job ist es dann? Ist es mein Job? Immerhin bestreite ich ja meinen Lebensunterhalt durch die Vermittlung von Wissenschaft. Aber ist es wirklich mein Job, mich um die wissenschaftskommunikatorische Begleitung des Raketenstarts einer privaten Firma zu kümmern, die mich dazu weder gefragt noch bezahlt hat? Ist es vielleicht der Job der NASA? Ist es der Job von Lehrerinnen und Lehrern? Wessen Job ist es? Und damit sind wir wieder bei dem Thema, das ich weiter oben angesprochen habe: Es geht um Verantwortung. Natürlich kann Elon Musk machen oder nicht machen, was er will. In diesem Fall wollte er eine Rakete mit Auto ins All schicken und er wollte keine nachhaltige Wissenschaftskommunikation betreiben. Ich will (und kann) ihm nicht vorschreiben, was er zu tun oder zu lassen hat.
Aber ich will mir wünschen dürfen, dass es auch anders laufen könnte! Ich will mir wünschen, dass die Vermittlung der Faszination von Wissenschaft all denjenigen ein wahres Anliegen ist, die Wissenschaft betreiben! Genau so wie ich mir wünsche, dass Leute nicht einfach nur in ihren Labors und Büros auf den Unis sitzen ohne der Öffentlichkeit von ihrer Arbeit zu erzählen, wünsche ich mir auch, dass private Firmen wie eben SpaceX sich ebenso intensiv um die Vermittlung von Wissenschaft kümmern, wie sie sich um PR in eigener Sache kümmern. Nachhaltige Faszination für Wissenschaft zu erzeugen sollte eine Aufgabe sein, die uns als Gesellschaft wichtig ist (und die am Ende nicht nur der Gesellschaft nützt, sondern auch Firmen wie SpaceX). Und wenn man dann so eine außergewöhnliche Möglichkeit wie den Start der Falcon Heavy nicht dafür nutzt, dann bin ich enttäuscht.
Vielleicht täusche ich mich ja auch. Vielleicht war der Tesla im All ja wirklich nachhaltig beeindruckend (Obwohl es natürlich absurd übertrieben ist, von einem “Apollo-Moment” zu sprechen, wie das einige Medien und Kommentatoren getan haben). Vielleicht sehen wir in den nächsten Jahren vermehrt junge Menschen in die Wissenschaft streben, die durch diese Bilder nachhaltig fasziniert worden sind. Es wäre schön, wenn es so wäre. Aber es würde mich überraschen. Schon jetzt, zwei Wochen nach dem Start, scheint der Tesla im All mehr oder weniger aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwunden.
Epilog
Die Raumfahrt wird weitergehen. Mit staatlichen Organisationen und mit privaten Firmen. Beide Seiten haben spektakuläre Ereignisse angekündigt. Es wird spannend werden zu beobachten, wie viel davon umgesetzt wird und wann. Es wird ebenso spannend zu beobachten, wie die Öffentlichkeit damit umgeht. Ich persönlich hoffe – und hoffe meine Motivation dafür in diesem Artikel verständlich dargelegt zu haben – auf mehr Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit was die Planung unserer Zukunft im Weltall angeht. Und Nachhaltigkeit was die Vermittlung der Faszination angeht, die diese Zukunft für uns bereit halten könnte. Es wäre schade, wenn die erste Landung von Menschen auf dem Mars ein genau so singuläres Ereignis wie das Apollo-Programm wäre. Es wäre schade, wenn man mit aller Kraft Menschen zu unserem Nachbarplaneten schaffen will ohne sich Gedanken zu machen, was danach kommt. Und es wäre enorm schade, wenn man die Bemühung um so ein historisches Vorhaben nicht dazu nutzt, nachhaltige Faszination in der Öffentlichkeit zu erwecken. Der Aufbruch der Menschheit ins Weltall ist ein viel zu tiefgreifendes Ereignis, um es nur für schnöde PR zu benutzen. Das Bild des Tesla-Roadsters im Weltall – so beeindruckend es auch wahr – hat in mir genau solche widerstreitenden Gefühle ausgelöst. Das erhabene Gefühl, den Aufbruch in eine großartige neue Ära zu sehen – und gleichzeitig die ernüchternde Enttäuschung, dass man dieses Ereignis für simple Werbung (aus)nutzt.
Diese beiden Gegensätze werden uns in der Zukunft zwangsläufig begleiten. Wir werden die historisch einmalige Möglichkeit haben, andere Planeten zu besuchen. Wir könnten uns im Weltraum nicht nur für kurze Zeit aufhalten, sondern ihn zu einem dauerhaften Außenposten der Menschheit machen. Wir könnten eine völlig neue Gesellschaft erleben. Ich würde mir wünschen, dass wir uns als Gesellschaft gemeinsam um diese Zukunft im Weltall kümmern. Und uns nicht nur auf Firmen und reiche Menschen verlassen.
P.S. Wenn tatsächlich irgendwann Menschen auf dem Mars landen, dann werden sie weder von der NASA noch von einer privaten Firma dorthin gebracht worden sein. Sondern von der chinesischen Raumfahrtagentur. Und keinesfalls vor 2025. Ist zumindest meine Prognose – ihr könnt eure gerne in den Kommentaren veröffentlichen. Wer Recht hat, kriegt ein Bier von mir 😉
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