Eine “Elfenbeauftragte” will durch irgendeinen energetisch-spirituellen Firlefanz “aufgebrachte Naturwesen” an der Autobahn A2 bei Hannover beruhigen, damit dort nicht mehr so viele Unfälle passieren. Das hat vor ein paar Tagen die Hannoversche Allgemeine (WebCite) berichtet und in der Folge so gut wie alle anderen deutschsprachigen Medien. In den sozialen Medien haben sich jede Menge Leute darüber aufgeregt, dass die Elfenbeauftragte (die allerdings von niemandem “beauftragt” wurde sondern “nur” eine von den leider viel zu zahlreich vorhandenen “Geistheilern”, “Heilpraktikern” usw ist, die es hierzulande gibt) dabei von der Landesstraßenbaubehörde Hannover unterstützt wurde. Und auch ich habe Emails bekommen von Leuten, die wollten dass ich mich dazu äußere.
Was tun mit den Elfen?
Ich habe allerdings in letzter Zeit festgestellt, das es mir immer schwerer fällt, mich mit solchen Themen so auseinander zu setzen, wie ich es früher getan habe. Nicht, weil ich meine Meinung zu dem ganzen Zeug geändert habe! Keinesfalls! Es muss sich niemand Sorgen machen, das ich die Seiten gewechselt habe und zu den Esoterikern übergelaufen bin. Ich bin auch weiterhin fest davon überzeugt, das es im Rahmen einer vernünftigen Wissenschaftskommunikation absolut wichtig ist, sich mit dem zu beschäftigen, was so tut als wäre es Wissenschaft, aber keine ist. Beziehungsweise dem, was der Wissenschaft aktiv feindselig gegenüber steht. Wer Wissenschaft vermitteln will, kommt nicht umhin, sich mit Themen wie Astrologie, Homöopathie, Pseudomedizin, Esoterik, und so weiter zu beschäftigen.
Was mir meine Beschäftigung mit diesen Themen aber in der letzten Zeit immer schwerer macht ist die Frage: Wie? WIE kann man mit diesen Themen vernünftig und vor allem auf eine Art und Weise umgehen, die am Ende auch irgendwelche brauchbaren Resultate bringt? Früher hätte ich zum Thema “Elfenbeauftragte auf der A2” einfach einen Artikel geschrieben und erklärt, dass das natürlich absoluter Quatsch ist; es eine Schande ist, das dieser Quatsch von offiziellen Behörden ernst genommen wird (obwohl zumindest in diesem Fall kein Steuergeld dafür ausgegeben wurde); es tragisch ist, dass offensichtlich so viele Leute so wenig Bescheid über die Welt wissen um nicht zu erkennen, das es sich um Quatsch handelt und es deswegen wichtig ist dafür zu sorgen, das mehr Menschen Ahnung von Wissenschaft haben.
Und das wäre ja auch alles richtig. Das ist genau das, was ich jetzt auch zu diesem Thema denke. Aber was bringt es, das festzustellen? Ich könnte mir auf jeden Fall der Zustimmung der Stammleserschaft meines Blogs sicher sein. Ich könnte damit rechnen, dass all die gleichgesinnten Leute in meiner sozialmedialen Filterblase den Artikel verbreiten (die “Skeptiker” sind eine extrem gut vernetzte Gruppe!). Vermutlich würde die eine oder andere Person aus der esoterischen Ecke auftauchen, meinen Artikel blöd finden und es würde sich die übliche Diskussion (die meistens doch eher zu einem Streit wird) entwickeln, an deren Ende alle noch exakt die selbe Meinung haben wie zuvor. Mein Blog hätte durch so einen Artikel vermutlich mehr Klicks bekommen als ohne den Artikel, aber im großen und ganzen hätte sich in der Welt nichts geändert.
Kurzer Einschub zwecks Missverständnisvermeidung: Ich bin absolut nicht der Meinung, das man NICHT über solche Themen berichten sollte. Es war sehr richtig und wichtig von der Hannoverschen Allgemeinen, diese Story zu finden und aufzuschreiben. Ebenso wie es zum Beispiel wichtig und richtig war, dass Medien die Sache mit dem fast 100.000 Euro teuren “energetischen Schutzring” für ein Wiener Krankenhaus aufgedeckt haben. Und ebenso wichtig und richtig wie all die anderen Geschichten über Pseudomedizin, Pseudowissenschaft, etc die Journalisten, Blogger und Wissenschaftler immer wieder ent- und aufdecken. Aber wenn das dann aufgedeckt ist und wenn dann alle Medien darüber berichten: Muss ich dann auch noch mal extra sagen, das es sich um Quatsch handelt? Wem ist damit geholfen und was bringt das? Die reine Verbreitung der Information bringt nur dann etwas, wenn es sich um etwas handelt, das noch verbreitet werden muss. Aber wenn die Story – wie im Fall des Esoterik-Krankenhauses oder der Elfenautobahn – eh schon überall zu finden ist: Was brächte mein Artikel dann noch, abgesehen von noch mehr Aufregung?
Es braucht mehr als nur Aufregung
Ich war früher davon überzeugt, das es wichtig ist sich aufzuregen; auch öffentlich. Das bin ich immer noch. Aber ich bin mittlerweile auch davon überzeugt, das es mehr geben muss. Es bringt nichts, einfach immer nur darauf hinzuweisen, wo esoterischer Unsinn stattfindet. Denjenigen, die wissen, das es esoterischer Unsinn ist, muss ich das nicht mehr sagen und ich muss sie auch nicht davon überzeugen. Und diejenigen, die an diesen esoterischen Unsinn glauben, werden ihre Meinung nicht ändern, nur weil ich ihnen sage, das sie Unsinn glauben. Ganz im Gegenteil. Vermutlich ist es genau das, was mir in den letzten Jahren immer mehr Probleme bei der Auseinandersetzung mit der Esoterik gemacht hat: Ich weiß nicht mehr, wer meine Zielgruppe ist.
Wenn ich über Esoterik schimpfe, dann erreiche ich damit genau diejenigen, die es gerne hören, wenn über Esoterik geschimpft wird. Aber die will ich doch eigentlich nicht erreichen! Ich will die erreichen, die an diesen Quatsch glauben und ihnen klar machen, dass dieser Quatsch nicht nur potentiell gefährlich ist, sondern auch viel weniger faszinierend als all das, was die echte Welt an echten Erkenntnissen zu bieten hat! Die erreiche ich aber nicht. Die stoße ich mit meiner Aufregung und Kritik sogar aktiv ab. Ich verfestige das wechselseitige Feindbild. Ich trage nicht zu einer Aufklärung bei, sondern schaffe höchstens Unterhaltung für diejenigen (von beiden Seiten der Debatte), die sich gerne aufregen. Was an sich nicht unbedingt etwas Schlechtes sein muss, aber genau genommen nicht das ist, was ich eigentlich erreichen will.
Leute hören nicht zu, wenn man ihnen etwas sagt, das sie nicht hören wollen
Ich habe mich in letzter Zeit sehr viel mit der Frage beschäftigt, wie man Dinge so erzählen kann, dass möglichst viele der Menschen zuhören, von denen man möchte das sie einem zuhören. Nicht unbedingt in einem esoterisch-aufklärerischen Kontext. Die Menschen zum Zuhören zu bringen ist genau so wichtig, wenn man als Wissenschaftler einen Fachvortrag bei einer Konferenz hält. Oder (wie ich) populärwissenschaftliche Bücher schreibt, populärwissenschaftliche Vorträge hält und auf Theaterbühnen Leuten über Wissenschaft erzählen will, die gekommen sind um lustiges Kabarett zu sehen. Ich bin natürlich nicht der erste, der sich damit beschäftigt; dazu gibt es jede Menge Material, Literatur und Forschungsergebnisse (und ich werde noch lange brauchen, um all das vernünftig zu verstehen). Aber eines ist mir klar geworden. Es ist eigentlich eine triviale Erkenntnis, aber auch eine, die wichtig ist: Leute hören nicht zu, wenn man ihnen etwas sagt, das sie nicht hören wollen.
Das gilt in allen Bereichen des Lebens und der Kommunikation. Aber es gilt ganz besonders wenn man den Anspruch hat, die Menschen über den Unsinn von Esoterik und Pseudowissenschaften aufklären zu wollen. Wenn ich – wie ich es in der Vergangenheit oder auch gerade erst wieder – erkläre, dass Astrologie kompletter Unsinn ist, wer hört mir dann zu? All diejenigen, die wissen, dass Astrologie Unsinn ist. Diejenigen aber, die an Astrologie glauben, werden wütend wenn sie von mir erklärt bekommen, dass sie Unsinn glauben. Wer bekommt schon gerne gesagt, dass das was man glaubt, Unsinn ist? Niemand natürlich – und wer wütend ist, ist nicht mehr bereit, irgendwas von dem anzunehmen, was ich erkläre.
Wenn man über Esoterik & Co aufklären will, dann muss man auf jeden Fall mal den richtigen Tonfall benutzen. Wenn man schon mit Beleidigungen, Angriffen, etc anfängt, dann braucht man gar nicht erst weiter machen. Und selbst wenn man den richtigen Tonfall gefunden hat (was definitiv nicht einfach ist), dann sind mit klassischer Aufklärung der Form “XYZ ist nicht richtig, weil …” vor allem erst mal nur Leute erreichen, die keine fertige Meinung haben. Also eher nicht ein so spezielles Publikum wie in meinem Blog wo die überwiegende Mehrheit der Leserschaft sowieso nicht aufgeklärt werden muss. Auch nicht die Leute in irgendeiner Homöopathie-Facebookgruppe o.Ä. mit denen man sich auf diese Weise nur streiten kann. Aber eben zum Beispiel die weltanschaulich viel diversere Leserschaft einer Zeitung; das Publikum in einem Theater, etc. Wenn ich in solchen Medien bzw. bei solchen Veranstaltungen über Esoterik & Co spreche, dann habe ich viel öfter das Gefühl (und auch die anekdotische Evidenz durch direktes Feedback) etwas erreichen zu können.
Nicht mit dem Widerspruch anfangen
Und so gut das auch ist (und es ist gut, weswegen ich auch nicht die Absicht habe, meine diesbezüglichen Aktivitäten einzustellen), ist es immer noch kein Weg um mit Menschen zu sprechen, die einem nicht zuhören wollen, weil sie sich vom Thema des Gesprächs angegriffen fühlen. Ich habe kürzlich probiert, dieses Thema anhand des Crispr/Cas-Urteils zur Gentechnik zu diskutieren – was aber mit einer (eigentlich zu erwartenden) Diskussion über Gentechnik geendet hat in der die eigentliche Frage zur Wissenschaftskommunikation weitestgehend ignoriert wurde. Mein Vorschlag (der eigentlich nicht meiner war sondern auf einem Buch über Wissenschaftskommunikation basiert) war: Nicht mit dem Widerspruch anfangen, sondern mit Gemeinsamkeiten. Wenn Leute der Meinung sind, das Gentechnik gefährlich ist, dann kann man ein Gespräch mit den realen Gefahren der Gentechnik beginnen und dann dazu übergehen, was tatsächlich gefährlich ist und was definitiv nicht. Wenn Menschen der Meinung sind, die Sterne hätten Einfluss auf den Menschen, dann kann man mit den Geschichten beginnen, bei denen wir tatsächlich von astronomischen Phänomenen beeinflusst werden bevor man zu den Dingen kommt, die definitiv keinen Einfluss haben. Und so weiter. Ich weiß (noch) nicht, wie effektiv so ein Ansatz wirklich sein kann. Aber schlechter als die Alternative – Niemand hört mir zu! – kann es ja auch nicht sein.
Womit wir jetzt wieder bei den Elfen auf der Autobahn wären. Ich hab lange überlegt, ob ich zu dem Thema etwas schreiben soll. Und ich habe lange überlegt, was ich schreiben könnte, wenn ich etwas schreibe. Ich hatte definitiv keine Lust nur – so wie früher – zu erzählen, wie dumm das alles ist und das wir was dagegen tun sollten, dass Menschen nicht mehr so dumm sind. Diejenigen, die meiner Meinung sind wissen das sowieso schon und die anderen hören mir nicht zu, wenn ich es erzähle. Ich bin weiterhin der Meinung, dass es am wichtigsten ist – ganz unabhängig von irgendwelchen konkreten Esoterik-Geschichten – möglichst viel leicht zugängliche, leicht verständliche ECHTE Wissenschaft bereit zu stellen (weswegen ich mich unter anderem in den letzten Jahren so sehr auf meinen Podcast konzentriert habe). Je mehr die Leute wissen, desto weniger müssen sie glauben (ich hab das kürzlich auch in einer österreichischen Zeitung genauer ausgeführt). Aber ich bin nicht mehr so sehr davon überzeugt, dass die “klassische” Auseinandersetzung mit esoterischen Themen die richtige (für mich) ist. Also die Art von Auseinandersetzung, bei der man einfach nur feststellt, das etwas blöd ist und es besser wäre, wenn die Welt nicht so blöd wäre.
Mehr Wissen
Mir ist kein Weg eingefallen, wie man das bei dem Elfen-Thema umsetzen könnte. Deswegen habe ich den Text geschrieben, den ich gerade geschrieben habe. Ich vermute, ich werde noch viel mehr schreiben (und zuvor lernen) müssen, um mir wirklich klar zu werden, wie ein zielführender wissenschaftskommunikatorischer und aufklärerischer Umgang mit solchen Themen funktionieren kann. Aber vielleicht kann man die Sache ja mal als Anlass für eine vernünftige Diskussion nehmen. Ich bin sehr interessant an der Meinung (und den Erfahrungen) der Blog-Leserschaft. Und bis dahin werde ich weiter lernen und weiter nachdenken. Und vor allem weiter mein Bestes tun um zu vermitteln wie faszinierend die echte Welt ist und wie wichtig und lohnend die Auseinandersetzung mit echter Wissenschaft ist. Sollte sich diese Ansicht einmal ausreichend stark durchgesetzt haben, dann muss man sich mit dem ganzen Esoterik-Quatsch auch gar nicht mehr beschäftigen.
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