Schwarze Löcher nehmen uns die Luft zum Atmen weg!! Und wenn das jetzt auch nur eine nach Aufmerksamkeit heischende Verkürzung ist, steckt hinter dieser Aussage doch ein Stück sehr interessanter Wissenschaft. Ich bin ja zur Zeit bei der Generalversammlung der Interationalen Astronomischen Union in Wien und es gibt einen sehr wichtigen Grund, solche Konferenzen zu besuchen: Man lernt dort jede Menge coole Sachen! So wie ich, als ich heute dort auf eine Arbeit gestoßen bin, die sich mit einem Phänomen beschäftigt, dessen Existenz mir bis jetzt noch nicht in den Sinn gekommen wäre.
Schwarze Löcher sind keine Staubsauger. Und nicht schwarz
Es geht um den Einfluss den schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien auf die Atmosphäre von Planeten in anderen Galaxien haben können. Und weil das vollkommen absurd klingt, tue ich fürs Erste mal so als hätte ich das gar nicht geschriben und erkläre lieber, dass das nichts damit zu tun hat, das ein schwarzes Loch die Lufthülle eines Himmelskörpers einsaugt. Denn schwarze Löcher sind keine Staubsauger; sie “saugen” nichts an auch wenn das eine weitverbreitete Vorstellung ist. Und wenn man die Sache ein wenig genauer betrachtet, dann ist ein schwarzes Loch auch nicht “schwarz”. Ein schwarzes Loch ist – sehr vereinfacht gesagt – sehr viel Masse die auf sehr wenig Raum zusammengequetscht wird. Das führt dazu, dass man der Masse auch sehr nahe kommen kann (weil sie eben einen sehr winzigen Raum einnimmt). Und je näher man einer Masse kommt, desto stärker wird die Anziehungskraft und desto schneller muss man sein, um sich wieder entfernen zu können. Ein schwarzes Loch hat man nun genau dann, wenn diese “Fluchtgeschwindigkeit” größer als die Lichtgeschwindigkeit wird. Die kann nichts überschreiten – und der Bereich, aus dem man nicht mehr weg kommt ist das “schwarze Loch”. Außerhalb dieses Bereichs kann man sich aber durchaus von einem schwarzen Loch entfernen.
Aktive Löcher muss man füttern
Stellen wir uns jetzt ein großes schwarzes Loch vor. So ein schwarzes Loch, wie es sich im Zentrum unserer Milchstraße befindet. Das hat eine Masse die mehr als 4 Millionen mal größer ist als die der Sonne. Solche “supermassereichen schwarzen Löcher” findet man in den Zentren aller großen Galaxien. Was man in diesen Zentren ebenfalls noch findet: Jede Menge Zeug! In der Zentralregion einer Galaxie gibt es jede Menge Gas, jede Menge Staub und jede Menge Sterne die alle sehr dicht bei einander stehen. Es gibt also auch genug Zeug, das von der Gravitationskraft eines schwarzen Lochs beeinflusst werden kann. Ohne auf die Details eingehen zu wollen: Ein supermassereiches schwarzes Loch ist oft von einer großen und schnell rotierenden Scheibe aus Gas und Staub umgeben. All das Material wirbelt wild umher, bevor es irgendwann ins schwarze Loch fällt. Zuvor “heizt” die schnelle Bewegung das Material aber stark auf und es leuchtet. Es gibt jede Menge Strahlung ab; vor allem hochenergetische Strahlung wie Röntgenstrahlung oder UV-Strahlung.
Ein supermassereiches Loch mit ausreichend Material in seiner Nähe das auf diese Weise leuchten kann, nennt man “aktives schwarzes Loch” bzw. einen “aktiven Galaxienkern”, wenn es sich um ein Loch im Zentrum einer Galaxie handelt. Das Loch im Zentrum der Milchstraße ist nicht mehr aktiv. Früher, vor ein paar Milliarden Jahren, als die Milchstraße noch jung und schmutzig und voller Staub war, war das anders. Aber heute ist kaum noch Material übrig, das ins Loch fallen kann. Und wenn ein schwarzes Loch nicht mehr gefüttert wird, dann leuchtet seine Umgebung auch nicht. Andere Galaxien haben aber durchaus noch aktive Kerne.
Windige Zusammenhänge
Was hat das aber jetzt mit der Atmosphäre von Planeten zu tun? Sofern ein Planet überhaupt eine Atmosphäre hat, kann er die auf viele verschiedene Arten verlieren. Der Erde zum Beispiel entkommen immer wieder ein paar der schnelleren Luftmoleküle; wenn sie schnell genug sind, können sie die Anziehungskraft überwinden und sich ins All verabschieden. Ungefähr 260 Tonnen pro Tag, was viel klingt aber im Vergleich mit dem Rest der Atmosphäre wenig genug ist, dass wir darunter nicht zu leiden haben.
Eine Atmosphäre kann aber auch auf andere Weise verschwinden. Zum Beispiel wenn sie durch hochenergetische Strahlung von außen aufgeheizt wird. Passiert das auf genau die richtige Weise, dann durch den Temperaturunterschied in den äußeren Schichten einer Atmosphäre eine Art Wind entstehen und anstatt Molekül für Molekül strömt die Atmosphäre dann regelrecht hinaus ins All.
Diese hochenergetische Strahlung kann zum Beispiel von Sternen kommen. Sehr viel mehr hochenergetische Strahlung erzeugen aber supermassereiche schwarze Löcher. So viel davon, dass wir sie auch noch in unvorstellbar weiter Entfernung leuchten sehen. Wir können zum Beispiel Quasare sehen, deren Licht mehr als 10 Milliarden Jahre bis zu uns unterwegs ist und wir können sie deswegen sehen, weil Quasare nichts anderes sind als extrem helle aktive Galaxienkerne aus der Frühzeit des Universums.
Licht aus, es zieht!
Und damit sind wir jetzt bei der Arbeit angelangt, die mich heute auf der Konferenz so überrascht hat. Beziehungsweise sind wir vorerst mal bei einer Arbeit die die Grundlage einer Arbeit darstellt, die ich auf der Konferenz gesehen habe. Der Artikel heißt “Evaporation of planetary atmospheres due to XUV illumination by quasars” und stammt von John Forbes & Abraham Loeb von der Universität Harvard. Der Titel sagt eigentlich schon ziemlich genau worum es geht: “Evaporation of planetary atmospheres” ist das Verschwinden einer planetaren Atmosphäre. Und “XUV illumination by quasars” ist die hochenergetische Ultraviolettstrahlung von aktiven Galaxienkernen.
Es geht also um die Frage, wie die hochenergetische Strahlung von schwarzen Löchern in den Zentren von Galaxien die Atmosphäre von Planeten beeinflusst. Ich wäre bis heute nicht auf die Idee gekommen, dass man sich diese Frage überhaupt stellen kann. “Kann man aber”, haben sich kreativere Astronomen als ich aber gedacht und sich auf die Suche nach Antworten gemacht.
Wie viel Atmosphäre verschwinden kann, hängt einerseits von der Dichte des Planeten ab (die ja wiederrum die Anziehungskraft bestimmt). Andererseits aber natürlich auch von der Menge der eintreffenden UV-Strahlung. Und davon, wie viel davon fürs Aufheizen der Atmosphäre genutzt werden kann. Kommt zu wenig Energie an, gibt es keinen Wind. Kommt zu viel, dann kühlt der Wind – vereinfacht gesagt – die Atmosphäre ab und der Massenverlust stoppt ebenfalls. Und selbstverständlich spielen auch die Eigenschaften der Atmosphäre (also die Art der Gase) eine Rolle. Man muss außerdem berücksichtigen, wie weit der Planet um den es geht vom schwarzen Loch weg ist. Und wie aktiv das schwarze Loch ist (was sich im Laufe der Zeit ja ändert). Und wie die Bahn des Planeten ums Zentrum aussieht. Un so weiter!
Es ist also wenig überraschend, wenn die Antwort auf die Frage nach dem Einfluss der schwarzen Löcher nicht so simpel ist. Forbes und Loeb jedenfalls haben sich jede Menge unterschiedliche Arten Galaxien mit unterschiedlich aktiven Galaxienkernen angesehen und ausgerechnet, welchen Einfluss das auf die Atmosphäre von Planeten haben kann. Das wurde dann verallgemeinert um Aussagen und zusammengefasst lauten die Ergebnisse so: 50 Prozent aller Planeten im Universum verlieren durch die Strahlung schwarzer Löcher einen Teil ihrer Atmosphäre, die der Masse der Marsatmosphäre entspricht. 50 Prozent – das ist die Hälfte aller Planeten. Ok, der Mars hat so nur eine recht dünne Atmosphäre. Würde die Erde ne Marsatmosphäre verlieren, dann würde uns das nicht weiter auffallen. Also auffallen schon – aber es wäre nicht weiter tragisch.
Definitiv tragisch für die Erde wäre es, würde sie eine Menge an Atmosphäre verlieren, die der Masse der Erdatmosphäre entspricht. Das passiert den Rechnungen von Forbes und Loeb zufolge immerhin 10 Prozent aller Planeten im Universum. Und 0,2 Prozent der Planeten verlieren Atmosphäre in einer Menge die der Masse der irdischen Ozeane entspricht. Das war die allgemeine Statistik; die konkreten Ergebnisse für den Spezialfall unserer Erde sind hier eher beruhigend: So wie es aussieht hat keiner der Planeten im Sonnensystem etwas seiner Atmosphäre durch den Einfluss des zentralen schwarzen Lochs verloren. Obwohl man das nicht fix sagen kann. Wir wissen nicht genau, wo sich unser Sonnensystem in der Vergangenheit herum getrieben hat. Vielleicht war es früher einmal näher am Zentrum der Milchstraße und vielleicht gerade dann, als das schwarze Loch dort einen Aktivitätsausbruch hatte. Die Milchstraße ist in der Vergangenheit auch mit anderen Galaxien kollidert. Wenn so etwas passiert, dann verschmelzen die beiden supermassereichen schwarzen Löcher, was zusätzliche Aktivität erzeugt UND es bringt die Umlaufbahnen der Sterne ziemlich durcheinander. Es kann also trotz allem sein, dass auch unser Planet in der Vergangenheit ein wenig seiner Atmosphäre durch das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße verloren hat.
In a galaxy far, far away…
Das war jetzt aber nur der Einfluss des schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße. Beziehungsweise der Einfluss den schwarze Löcher auf die Planeten in ihren eigenen Galaxien haben. Aber was ist mit dem Einfluss, den ein schwarzes Loch in einer Galaxie auf Planeten in anderen Galaxien hat? Klar, diese aktiven Galaxiekerne sind viel, viel weiter weg als das jeweils lokale schwarze Loch. Andererseits gibt es aber auch sehr, sehr viele aktive Galaxien. Und der Effekt summiert sich auf.
Müssen wir also auch berücksichtigen, was in anderen Galaxien passiert, wenn wir Planeten innerhalb der Milchstraße verstehen wollen? Vielleicht. Davon handelt die Arbeit, die ich hier auf der Konferenz in Wien gesehen habe und die auf der Arbeit von Forbes und Loeb aufbaut. Allerdings handelt es sich dabei um noch sehr vorläufige Ergebnisse, die noch nicht veröffentlicht worden sind. Weswegen auch ich hier nicht im Detail darüber berichten werde. Aber sobald es entsprechende Publikationen gibt, werdet ihr hier im Blog auf jeden Fall davon hören!
Denn die ganze Sache ist und bleibt extrem faszinierend: Wenn wir die Entwicklung und die Eigenschaften von planetaren Atmosphären verstehen wollen, sollten wir uns auch darüber Gedanken machen, was irgendwo weit, weit entfernt im Zentrum einer Galaxie passiert und vielleicht sogar was in den Zentren fremder Galaxien stattfindet.
Die Distanzen zwischen den Sternen und Galaxien sind für uns Menschen unvorstellbar. Ebenso unvorstellbar scheint es, dass da überhaupt irgendein Einfluss ist der sie überbrücken kann. Aber die Astronomie zeigt uns immer wieder aufs Neue, dass das Universum in seiner Gesamtheit viel komplexer und verbundener ist, als wir uns denken.
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