Das Jahr 2019 ist ja nicht nur das Jahr in dem wir das 50. Jubiläum der ersten Mondlandung im Jahr 1969 feiern. Es ist auch das Jahr des 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt. Der wurde am 14. September 1769 geboren und hat durchaus auch Aufmerksamkeit verdient. Ich hab früher schon mal darüber geschrieben wie absurd populär er damals war und wie absurd es ist, das man ihn heute eher wenig kennt. Und ich werde mich im Herbst mit Sicherheit auch ausführlich seinem Leben und seiner Arbeit widmen. Jetzt möchte ich den 50tägigen Artikelcountdown zum Mondlandungsjubiläum nutzen um ein wenig darüber zu schreiben was Humboldt über den Mond gewusst hat.
Und das war natürlich viel. Man übertreibt kaum, wenn man behauptet dass Humboldt so gut wie alles gewusst hat, was man damals vernünftigerweise wissen konnte. Und in seinem monumentalen Werk “Kosmos” hat er das alles aufgeschrieben. Der Humboldtsche Kosmos verspricht nicht zu wenig mit seinem Titel. Es geht um die ganze Welt, das bekannte Universum mit allen Planeten, Monden und Sternen; die Natur, die Länder, die Geschichte, die Physik, und so weiter. Und da Humboldt nicht nur sehr gut darin war, Sachen über die Welt herauszufinden sondern auch sie allgemeinverständlich zu erklären, kann man das Buch auch heute noch sehr gut lesen. Ok, die Sprache ist ein wenig altertümlich. Und vieles davon ist heute natürlich nicht mehr der aktuelle Stand des Wissens. Aber es lohnt sich – sofern man den “Kosmos” irgendwo kriegt. Die fünf Bände des Werks existieren in jeder Menge Versionen, Auszügen, Zusammenfassungen, etc und online gibt es das alles (zum Teil) auch. Aber das ist eines der Bücher, die man in der Hand haben sollte um die volle Wucht dieses Wissens erfahren zu können.
Seit einiger Zeit gibt es eine Gesamtausgabe*, wunderbar gemacht und ein paar Kilogramm schwer. Ich hab sie gerade mal so einhändig für das Foto oben stemmen können. Aber es ist ein tolles Buch! Und da findet man auch, im dritten Band, die Beschreibung des Mondes. Die ich hier natürlich nicht komplett besprechen kann. Aber ein paar Auszüge möchte ich euch zeigen.
Da schreibt Humboldt zum Beispiel über das, was damals wirklich neu war: Die ersten Versuche die Temperatur des Mondes zu messen:
“Daß das Mondlicht wärmeerzeugend ist, gehört, wie so viele andere meines berühmten Freundes Melloni, zu den wichtigsten und überraschendsten Entdeckungen unseres Jahrhunderts. Nach vielen vergeblichen Versuchen, von la Hire an bis zu denen des scharfsinnigen Forbes, ist es Melloni geglückt, mittelst einer Linse (lentille à échelons) von drei Fuß Durchmesser, die für das meteorologische Institut am Vesuv-Kegel bestimmt war, bei verschiedenen Wechseln des Mondes die befriedigendsten Resultate der Temperatur-Erhöhung zu beobachten.”
Wie warm oder kalt der Mond tatsächlich ist wusste man zwar immer noch nicht genau. Aber man war beeindruckt von der Möglichkeit, das bald selbst messen zu können. Immer wieder erzählt Humboldt auch von seinen eigenen Reisen und Beobachtungen, zum Beispiel bei der Erklärung der Mondfinsternisse.
“Während ich, vor einem halben Jahrhunderte (29 März 1801), vor Anker an der Insel Baru unfern Cartagena de Indias lag und eine Total-Finsterniß beobachtete, war es mir überaus auffallend, wie viel leuchtender die rothe Mondscheibe unter dem Tropenhimmel erscheint als in meinem nördlichen Vaterlande. 1558) Das ganze Phänomen ist bekanntlich eine Folge der Strahlenbrechung: da, wie Kepler sich sehr richtig ausdrückt (Paralip., Astron. pars optica p. 893), die Sonnenstrahlen bei ihrem Durchgange durch die Atmosphäre der Erde inflectirt und in den Schattenkegel geworfen werden. Die geröthete oder glühende Scheibe ist übrigens nie gleichförmig farbig. Einige Stellen zeigen sich immer dunkler und dabei fortschreitend farbeändernd. Die Griechen hatten sich eine eigene, wundersame Theorie gebildet über die verschiedenen Farben, welche der verfinsterte Mond zeigen soll, je nachdem die Finsterniß zu anderen Stunden eintritt.”
Humboldt stellt frühere Beobachtungen und Ideen zum Mond vor und erklärt, was man seitdem an neuem Wissen herausgefunden hat. Zum Beispiel das die “Mondmeere” nicht mit Wasser bedeckt sein können:
“Der Regel nach sind die dunkleren Theile der Scheibe die flächeren und niederen; die hellen, viel Sonnenlicht reflectirenden Theile die höheren und gebirgigen. Kepler’s alte Bezeichnung beider als Meer und Land ist aber längst aufgegeben; und es wurde schon von Hevel, trotz der ähnlichen durch ihn verbreiteten Nomenclatur, die Richtigkeit der Deutung und des Gegensatzes bezweifelt. Als mit der Anwesenheit von Wasserflächen streitend wird hauptsächlich der Umstand angeführt, daß in den sogenannten Meeren des Mondes die kleinsten Theile sich bei genauer Untersuchung und sehr verschiedener Beleuchtung als völlig uneben, als polyedrisch und eben deshalb viel polarisirtes Licht gebend erweisen.”
Und er weißt auch immer wieder darauf hin, was man noch nicht weiß. Zum Beispiel dass die vielen Krater auf dem Mond durch Einschläge entstanden sind, und sich das dabei aufgeworfene Material in “Strahlen” die vom Krater ausgehen angeordnet hat. Das frische Material aus dem Inneren des Mondes unterscheidet sich von dem Staub der an der Oberfläche der kosmischen Strahlung und dem Bombardement der Mikrometeoriten ausgesetzt ist und hat eine unterschiedliche Farbe. Diese Strahlensysteme verstehen wir heute sehr gut; für Humboldt waren sie aber ein großes Rätsel:
“Eine überaus merkwürdige und räthselhafte Erscheinung, welche die Oberfläche unseres Satelliten darbietet, und welche nur optisch einen Licht-Reflex, nicht hypsometrisch eine Höhenverschiedenheit betrifft: sind die schmalen Lichtstreifen, die in schräger Beleuchtung verschwinden, im Vollmonde aber, ganz im Gegensatz mit den Mondflecken, als Strahlen-Systeme am sichtbarsten werden. Sie sind nicht Bergadern, werfen keinen Schatten, und laufen in gleicher Intensität des Lichtes aus den Ebenen bis zu Höhen von mehr als zwölftausend Fuß. Das ausgedehnteste dieser Strahlen-Systeme geht von Tycho aus: wo man mehr als hundert, meistens einige Meilen breite, Lichtstreifen unterscheiden kann. Aehnliche Systeme, welche den Aristarch, Kepler, Copernicus und die Karpathen umgeben, stehen fast alle in Zusammenhang unter einander. Es ist schwer, durch Analogien und Induction geleitet, zu ahnden, welche specielle Veränderung des Bodens diese leuchtenden, von gewissen Ringgebirgen ausgehenden, bandartigen, lichtvollen Strahlen veranlaßt.”
Mich persönlich beeindruckt vor allem die poetische Sprache derer sich Humboldt bei seiner Beschreibung der Natur bedient. Zum Beispiel wenn es um das Mond reflektierte Licht der Erde geht:
“Das aschgraue Licht, in welchem ein Theil der Mondscheibe leuchtet, wenn einige Tage vor oder nach dem Neumonde sie nur eine schmale, von der Sonne erleuchtete Sichel darbietet, ist Erdenlicht im Monde, »der Wiederschein eines Wiederscheins«.”
Oder, ganz am Schluss, bei der Zusammenfassung des Kapitels über den Mond:
“Der Mond belebt und verherrlicht, mehr als alle andere Planeten, durch Verschiedenheit seiner Phasen und durch den schnelleren Wechsel seiner relativen Stellung am Sternenhimmel, unter jeglicher Zone den Anblick des Firmaments; er leuchtet erfreuend dem Menschen und (vornehmlich in den Urwäldern der Tropenwelt) den Thieren des Waldes 1581) . Der Mond, durch die Anziehungskraft, die er gemeinschaftlich mit der Sonne ausübt, bewegt unsere Oceane, das Flüssige auf der Erde; verändert allmälig durch periodische Anschwellung der Oberfläche und die zerstörenden Wirkungen der Fluth den Umriß der Küsten; hindert oder begünstigt die Arbeit des Menschen; liefert den größten Theil des Materials, aus dem sich Sandsteine und Conglomerate bilden: welche dann wiederum von den abgerundeten, losen Geschieben des Schuttlandes bedeckt sind. “
Ich weiß nicht, ob sich irgendwer in der Gegenwart mal die Mühe gemacht hat (oder machen wird) ein Buch wie den “Kosmos” in einer Sprache zu schreiben die der von Humboldt ähnlich ist. Es wäre kein leichtes Unterfangen. Aber eines, das sich lohnen würde!
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