Wir sind nichts Besonderes. Und damit meine ich jetzt weder mich noch dich, sondern uns alle in unserer kosmischen Gesamtheit. Es geht um das sogenannte “kopernikanische Prinzip”, das im wesentlichen besagt das unsere Ecke des Universums nicht großartig anders ist als alle anderen Ecken des Universums. Im kleinen Maßstab gilt dieses Prinzip selbstverständlich nicht. Mein Wohnzimmer sieht anders aus als mein Garten. Die Stadt in der ich wohne sieht anders aus als das Meer an dem sie nicht liegt. Die Erde sieht anders aus als der leere Weltraum durch den sie sich bewegt und der wiederum ist ganz anders als die Sonne. Es geht um wirklich große Maßstäbe: Wenn wir ein großes Stück des Kosmos betrachten, dann sehen wir dort jede Menge Galaxien, die mehr oder weniger zufällig in jeder Menge nichts dazwischen verteilt sind. Und wenn wir uns irgendwo anders im Universum umschauen, dann sieht dass dort genau so aus. Egal in welche Richtung wir schauen, wir sehen überall das, was wir auch beim Blick in eine andere Richtung sehen. Das ist das kopernikanische Prinzip und wir haben es uns nicht einfach nur aus Spaß an der Freude ausgedacht sondern weil es tatsächlich sehr gute Beobachtungsdaten dafür gibt.
Jetzt haben WissenschaftlerInnen aber neue Daten zusammengetragen, die das Gesetz der universalen Gleichförmigkeit in Frage stellen.
Wenn wir so weit in die Vergangenheit des Universums zurückschauen wie wir können, dann sehen wir dort eine enorme Gleichförmigkeit. Die Materie kurz nach dem Urknall war fast gleichmäßig verteilt (das “fast” ist wichtig denn wenn sie wirklich exakt gleichmäßig verteilt gewesen wäre, dann hätte sich an diesem Gleichgewichtszustand auch nie mehr etwas geändert und es wären keine Sterne, Galaxien oder Planeten entstanden). Wir gehen auch davon aus, dass sich das Universum seitdem gleichmäßig in alle Richtungen ausgedehnt hat. Was zu dem schon erwähnten Schluss führt: Egal in welche Richtung des Kosmos wir schauen, es muss dort so aussehen wie überall sonst auch.
Jetzt haben Konstantinos Migkas von der Uni Bonn und sein Team aber noch einmal ganz genau hingesehen. Sie haben etwas überprüft das den schönen Namen “LX–T scaling relation” trägt. Mit “LX” ist die Helligkeit des heißen Gases gemeint, das sich zwischen den Galaxien eines Galaxienhaufens befindet und zwar die Helligkeit im Röntgenlicht. “T” steht für die Temperatur und man sieht schon, dass wir uns wirklich in sehr großen Maßstäben bewegen. Es geht nicht um Sterne und auch nicht um einzelne Galaxien sondern um enorme Galaxienhaufen. Also die Ansammlungen von Galaxien die durch ihre wechselseitige Gravitationskraft aneinander gebunden sind (unsere Milchstraße ist zum Beispiel Teil deS Haufens mit dem schönen Namen Lokale Gruppe). Zwischen diesen Galaxien befindet sich ein sogenanntes “intercluster medium”, also ein sehr, sehr, sehr dünnes Gas das dennoch sehr hohe Temperaturen haben kann. Die Atome des Gases können Röntgenstrahlung abgeben und zwischen der Helligkeit dieses Röntgenlichts und der Temperatur des Gases besteht die oben erwähnte “LX–T scaling relation”. Die muss man jetzt nicht unbedingt im Detail kennen – aber klar ist: Betrachtet man Galaxienhaufen in ähnlicher Entfernung mit ähnlichen Temperaturen, dann sollte auch die Röntgenhelligkeit des intracluster mediums ähnlich sein.
Genau das wurde nun von Migkas und seinem Team anhand von mehr als 800 Galaxienhaufen mit diversen Weltraumröntgenteleskopen überprüft (“Probing cosmic isotropy with a new X-ray galaxy cluster sample through the LX–T scaling relation”). Das Ergebnis: Schaut man in eine Richtung des Himmels, dann ist das intracluster medium dort um 30 Prozent dunkler als es sein sollte; in einer anderen Richtung ist es dagegen entsprechend viel heller als erwartet. Das war ein einigermaßen überraschendes Ergebnis und man hat zuerst geschaut ob da vielleicht irgendwas die Beobachtung stört. Gas- und Staubwolken zum Beispiel die in einer Richtung ein wenig Licht abschwächen und in der anderen nicht. Das war aber nicht der Fall; genau so konnte man andere simple Erklärungen ausschließen. Die Daten so wie sie derzeit vorliegen weisen tatsächlich darauf hin, dass es sich um eine reale Beobachtung handelt. Anders gesagt: Es kommt doch darauf an, in welche Richtung man schaut! Das Universum sieht nicht in alle Richtungen gleich aus.
Was bedeutet das? Man kann die Daten erklären wenn man davon ausgeht, dass sich der Kosmos nicht in allen Richtungen gleich schnell ausgedehnt hat. Das frühe Universum – bei dem die Beobachtungsdaten ja noch eindeutig eine gleichmäßige Verteilung der Materie zeigen – war noch “isotrop”, wie Eigenschaft des gleichförmigen Aussehens in alle Richtungen offiziell heißt. Das gegenwärtige Universum ist aber diesen Messungen zufolge “anisotrop” und das wäre durchaus revolutionär! Wenn sich der Kosmos tatsächlich nicht gleichmäßig ausgedehnt hat sondern unterschiedlich stark und schnell in unterschiedliche Richtungen expandiert ist, dann müssten wir alle möglichen Beobachtungen neu interpretieren. Denn wir zum Beispiel die Entfernung von Galaxien o.ä. bestimmen, dann gehen wir ja implizit immer vom kopernikanischen Prinzip aus. Wenn das nun aber nicht mehr gilt, dann müssen wir die Eigenschaften von Objekten unterschiedlich interpretieren je nachdem in welche Richtung des Himmels wir blicken.
Es ist aber wohl noch ein wenig zu früh die Kosmologie neu zu schreiben. Es braucht mehr und genauere Untersuchungen des Befunds. Und vor allem müssen wir die Sache mit der dunklen Energie rauskriegen. Wir wissen seit knapp 30 Jahren dass dieses Phänomen existiert und für eine beschleunigte Ausdehung des Universums sorgt. Wir wissen aber nicht, was die Ursache dieses Phänomens ist. Wir können die Sache mit der Expansion nur dann verstehen, wenn wir auch das Rätsel der dunklen Energie gelöst haben. Und wenn wir das geschafft haben, dann verstehen wir vielleicht auch, was mit dem kopernikanischen Prinzip los ist…
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