Der erste volle “Corona-Monat” des Jahres ist fast vorbei. Das hat sich natürlich auch in meiner Lektüre niedergeschlagen. Wenn schon die ganze Welt im Griff eines winzigen Virus steckt, dann – so hab ich mir gedacht – sollte ich auch ein wenig besser Bescheid über die ganze Mikrowelt der Biologie wissen. Also hab ich mir ein paar Bücher besorgt von denen ich mir mehr Wissen erhofft habe. Bei manchen hat das funktioniert; bei manchen nicht. Mein Fazit stellt den Hauptteil der diesmonatlichen Buchempfehlungen.
Die Gefahr zuhause
“Keim Daheim” von Dirk Bockmühl ist ein sehr kurzweiliges Buch. Der Professor und Experte für Hygiene beschreibt eine Tour durch seine Wohnung und erklärt, wo man dort überall Viren, Bakterien und anderes Kleinzeug finden kann. Überall nämlich – aber nicht immer muss man sich deswegen Sorgen machen.
Viele der Mikroben sind ungefährlich für uns – viele aber eben nicht und wie man den Keimen daheim wissenschaftlich korrekt zu Leibe rücken kann, erfährt man in dem Buch in aller Ausführlichkeit. Wäsche waschen, Haustiere reinigen, den Kühlschrank einräumen, das Badezimmer putzen: Egal was man vor hat, Bockmühl hat die wissenschaftliche Erklärung dafür, wie man es machen soll und wie definitiv nicht. Ich fand das Buch sehr gut zu lesen; ich hab viel neues über die Welt der Mikroorganismen gelernt und über eine vernünftige Hygiene zuhause. Extrem in die Tiefe geht das Buch nicht; es ist tatsächlich vor allem ein praktischer Ratgeber. Und leider für meinen Geschmack zu oft zu bemüht lustig. Obwohl Humor natürlich auch Geschmackssache ist: Ich bin mit Bockmühls Witzen nicht sonderlich warm geworden. Empfehlen kann ich das Buch als Einstieg aber trotzdem – es enthält durchaus viele wichtige Fakten die man kennen sollte. Den Unterschied zwischen Sterilisation und Desinfektion zum Beispiel oder die Entzauberung diverser “Hausmittel” in Sachen Hygiene.
Ein Loblied auf die Viren
Wenn Bockmühls Buch es mit der Witzigkeit und populärwissenschaftlichen vielleicht an manchen Stellen übertrieben hat, dann ist “Supermacht des Lebens” von Karin Mölling genau das Gegenteil davon. Ahnung hat die deutsche Virologin vom Thema definitiv. Aber leider schafft sie es nicht, ihr Fachgebiet auch vernünftig zu vermitteln. Ich habe das Buch nicht zu Ende gelesen; was selten vorkommt. Aber in diesem Fall war es mir einfach zu konfus und zu unbefriedigend. Ok, die Fehler die bei der Beschreibung astronomischer Prozesse (zu Beginn des Buches als es um die Entstehung von Erde und Leben geht) kann man verschmerzen; immerhin ist es kein astronomisches Buch. Aber auch der biologische Teil ist nicht besser. Ich vermute mal, dass er fachlich korrekt ist. Aber um das zu beurteilen müsste ich selbst Experte sein – was man aber wahrscheinlich auch sein muss, wenn man irgendwas in diesem Buch verstehen will. Mölling springt hin und her; wirft hier einen Fachbegriff unerklärt ein, macht dort einen Exkurs dessen Relevanz man nicht erkennen kann und alle paar Sätze denkt man sich: “Hu, das klingt spannend! Wäre spannend, wenn das nicht nur erwähnt sondern auch erzählt worden wäre”. Sofern man sich nicht “Was soll dass denn jetzt bedeuten?” denkt, was man als Laie in diesem Buch leider ziemlich oft tut. Zwischendurch findet man immer wieder persönliche Anekdoten über Möllings (Arbeits)Leben, was prinzipiell super ist, hier aber nur zu noch mehr Verwirrung beiträgt. Ich vermute es geht in ihrem Buch darin zu erklären, dass Viren viel wichtiger sind als wir denken; dass Viren vor allem positiv für uns Menschen sind (und wir selbst schuld, wenn sie uns umbringen). Was von diesen Aussagen aber durch wissenschaftliche Erkenntnisse gedeckt ist, was Möllings private Meinung ist und welche Geschichte sie in diesem Buch wirklich erzählen will, habe ich aber leider nicht verstanden. In diesem Buch habe ich leider nichts gelernt (höchstens wie man keine populärwissenschaftlichen Bücher schreibt).
Eine Naturgeschichte der Viren
SEHR angetan war ich dafür von “The Invisible Enemy: A Natural History of Viruses” von Dorothy Crawford. Das Buch ist schon ein paar Jahre alt und nicht auf deutsch erhältlich. Aber von allen Büchern die ich im April gelesen habe, habe ich hier am meisten über die Viren gelernt. Die Virologin Crawford erzählt nicht nur die Geschichte der Viren selbst und so, dass man danach auch wirklich versteht wie diese Dinger funktionieren. Sondern beschäftigt sich vor allem auch mit der Geschichte ihrer Erforschung und der Geschichte der von Viren ausgelösten Seuchen (HIV, Pocken, usw) und ihrer Bekämpfung. Aus aktueller Sicht besonders interessant ist ihre Beschreibung einer fiktiven Pandemie die uns in der Zukunft bevorstehen könnte- die dem was jetzt gerade stattfindet erschreckend ähnlich ist. Wenn ihr ein Buch über Viren lesen wollt, dann lest dieses!
Noch mehr Geschichte
Noch nicht ganz fertig bin ich “Viruses, Plagues & History: Past, Present and Future” von Michael Oldstone, ebenfalls ein älteres Buch und nicht auf deutsch erhältlich. Es ist aber, so wie das Buch von Crawford, sehr vielversprechend. Auch hier wird der historische Ansatz genutzt um zu erklären wie Viren funktionieren. Zwischendurch wird es ein wenig technischer als “The Invisible Enemy”, aber nie so unverständlich und konfus wie “Supermacht des Lebens”. Ich vermute mal, ich würde euch das Buch auch dann noch empfehlen, wenn ich es zu Ende gelesen habe.
Der andere Kleinkram
Die Welt der unsichtbaren Mikroben besteht aber nicht nur aus Viren. Da sind auch noch die Bakterien und diverse andere Mikroorganismen die ebenfalls eine wichtige (und potenziell gefährliche) Rolle für uns Menschen spielen. Wer darüber Bescheid wissen will, sollte dringend “Die Herrscher der Welt” von Bernhard Kegel lesen. Kegel hat nicht nur Biologie und Chemie studiert, sondern schafft es auch gleichermaßen gute Romane wie Sachbücher zu schreiben (ein paar davon habe ich früher schon vorgestellt). In diesem Buch aus dem Jahr 2015 geht es um die “Herrscher der Welt”, wie Kegel die Bakterien und anderen Mini-Lebewesen nennt, die nicht nur uns Menschen besiedeln sondern auch mit dafür verantwortlich sind dass die Welt so aussieht und funktioniert wie sie es tut. Man findet auf fast jeder Seite erstaunliche Fakten. Ein Drittel der Stoffwechselprodukte in unserem Blut stammt nicht von uns, sondern von Bakterien. Bis zu 90 Prozent der lebendigen Biomasse in den Ozeanen sind Mikroben. Die linke Hand wird von anderen Bakterien besiedelt als die rechte Hand. Bei einem zehnsekündigen Zungenkuss werden 80 Millionen Bakterien übertragen. Und so weiter. Dabei ist Kegels Buch aber keine Aneinanderreihung von Fun Facts – er erzählt spannende Geschichten; zum Beispiel von den Problemen und Abenteuern Bremer Forscherinnen und Forscher die in Jordanien das Zusammenspiel von Korallen und Bakterien untersuchen. Ein wirklich tolles Buch!
Viren-Galerie
Wer nach all den Geschichten über Viren auch mal ein paar von den Dingern anschauen will, braucht ein Elektronenmikroskop. Oder das Buch “Virus: An Illustrated Guide to 101 Incredible Microbes” (auf deutsch: “Viren!: Helfer, Feinde, Lebenskünstler – in 101 Porträts”) von Marilyn Roossinck. Der lockere Titel täuscht aber ein bisschen; das Werk enthält zwar tatsächlich jede Menge schöne Bilder – der Text dazu ist aber sehr knapp und lehrbuchhaft gehalten. Eingeleitet wird alles mit einer Einführung in die Virenkunde die so vermutlich auch in jedem Uni-Lehrbuch stehen könnte – aber deutlich schöner illustriert ist! Für Laien zum Einstieg ist das Buch nix; als begleitende Lektüre zu anderen, etwas simpler geschriebenen Büchern aber super geeignet.
Was ich sonst noch so gelesen habe
- “Icehenge” (auf deutsch “Die eisigen Säulen des Pluto”) von Kim Stanley Robinson: Ein wenig Science-Fiction hab ich noch zwischen die Viren geschoben. Der Titel dieses Buches täuscht; auf Pluto spielt die Handlung kaum. Stattdessen geht es um die Entwicklung einer interplanetaren Menschheit, der Gesellschaft auf dem Mars der Zukunft, Asteroidenbergbau, Revolutionen, und noch ein bisschen mehr. Ist aber trotzdem ein Buch das mir sehr gut gefallen hat.
- “Podcasting!: Alles, was Sie für Ihren erfolgreichen Podcast brauchen” von Larissa Vassilian: Ich bin gerade dabei mein Podcast-Wissen ein bisschen zu strukturieren und auf der Suche nach vernünftigen “Lehrbüchern” zu dem Thema. Dieses hier hat mir sehr gut gefallen; man lernt die Grundlagen tatsächlich sehr gut darin. Einziger Kritikpunkt: Viele Dinge (Rechtliches vor allem) sind spezifisch für Deutschland beschrieben und nicht auf andere Länder anwendbar.
- “Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch” von Michael Ende: Hab ich kürzlich mal wieder entdeckt und genau so gern gelesen wie damals in meiner Kindheit. Das ganze Thema von Umweltverschmutzung und hemmungsloser Kapitalismus dass der Handlung subtil zugrunde liegt macht das alte Buch immer noch sehr aktuell.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es da draußen noch sehr viel mehr sehr gute Bücher über Viren/Bakterien gibt und bin für Hinweise dankbar! Ich freu mich auch schon auf die erste gut geschriebene Darstellung der Coronakrise – wozu die aber erstmal vorbei sein muss (momentan findet man nur jede Menge Schrott-Bücher aus dem Selbstverlag wenn man nach dem Thema sucht; kann man gern mal probieren – ist ab und zu lustig). Wer also gut lesbare Mikrobenbücher für Laien kennt: Bitte Bescheid sagen!
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